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[195] Ungeachtet der strengsten Befehle, welche der Chalife Harun Raschid, wegen Vertilgung der ganzen Familie der Barmekiden erlassen hatte, war es doch einigen Gliedern derselben gelungen, der Verfolgung zu entgehen. Die Einfachheit und Abgeschiedenheit der niedrigen Lebensweise, zu der sie sich bequemen mußten, um sich den Blicken der Ausspäher zu entziehen, kontrastirte nicht wenig mit der Pracht und dem schwelgenden Ueberflusse, in dem sie ehevor zu leben gewohnt waren.

Mohammed, der Sohn Chassal's, Richter und Polizeyvorsteher von Kufa, erzählt, daß er eines Tages bey seiner Mutter ein altes Weib gefunden, und sie gefragt habe, wer sie sey? – Es ist deine Tante Akaba, die Mutter Dschafers, des Barmekiden. – Mohammed grüßte sie mit den Worten: Heil dir, die vom Schicksal so ungerecht behandelt worden! – Wohl wahr, mein Neffe! das Schicksal hat mir Alles, was mir lieb und theuer war, geraubt, und nichts, als das Andenken verlorner Herrlichkeit gelassen – Heute ist der Tag des Opferfestes. Heute sind es drey Jahre, daß ich vierhundert Diamantenbüschel[195] auf dem Kopfe trug, und daß vierhundert Dichter in die Wette eiferten, mir Glückwünsche darzubringen. Wo ist das damalige Opferfest, wo ist das heutige!!

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 195-196.
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