I. Der Fisch mit dem Zinsgroschen.

[180] Im Evangelium Matthaei Kap. 17, Vers 24 ff. heißt es:

Da sie nun gen Kapernaum kamen, gingen zu Petro, die den Zinsgroschen einnahmen, und sprachen: »Pflegt euer Meister nicht den Zinsgroschen zu geben?« Er sprach: »Ja.« Und als er heimkam, kam ihm Jesus zuvor und sprach: »Was dünkt dich, Simon? Von wem nehmen die Könige auf Erden den Zoll oder Zinsen? Von ihren Kindern oder von Fremden?« Da sprach zu ihm Petrus: »Von den Fremden.« Jesus sprach zu ihm: »So sind die Kinder frei. Auf daß aber wir sie nicht ärgern, so gehe hin an das Meer und wirf die Angel, und den ersten Fisch, der herauffährt, den nimm. Und wenn du seinen Mund auftust, wirst du einen Stater finden; denselben nimm und gib ihn für mich und dich.«

Die Volkssage, die alles weiß, kann natürlich auch den Namen des Fisches angeben. »St. Peters Fisch« heißt in Sizilien der Seehahn (gallus marinus) (Pitrè, Usi e cost. sizil. 3, 369); in Rom, Neapel, Genua, Venedig der Sonnenfisch (Zeus faber), der zwei dunkle Flecken als Abdruck von Petrus' Fingern behalten hat (Gubernatis, Die Tiere in der idg. Myth. 6091,[180] Archivio per lo studio delle trad. pop. 21, 245). In der englischen2, und vlämisehen3 Sage wird der Schellfisch, in Rußland4 der Stockfisch genannt. Als Petrus das Geld aus dessen Munde nahm, hinterließ er den Eindruck seines Daumens und Zeigefingers.

Die Araber erzählen sich folgende Variante ohne den Zinsgroschen: Der Petersfisch (Zeus Faber) war mit unter den Fischen, die Petrus fing; er stieß aber einen kläglichen Schrei aus und wollte aus dem Netz springen. Da hatte Petrus Mitleid mit ihm, nahm ihn zwischen Kiemendeckel und Rückenflosse, setzte ihn ins Meer und sagte: »Geh wieder zu deiner Familie!« Die Fingerspuren aber sind noch auf dem Fisch.


  • Literatur: Rolland, Faune populaire 3, 161 aus: H. de la Blanchère, La pêche et les poissons 1868.

Fußnoten

1 Ebenda heißt es:

Die Griechen nannten einen Fisch von sonderbarer Gestalt bald Ζεύς, bald χαλκεύς – Grobschmied –, sein Nacken ist bräunlich mit gelben Streifen, der übrige Körper hat eine silbergraue Farbe, an jeder Seite hat er einen Fleck von tiefstem Schwarz, nach griechischer Auffassung gleichsam Spuren der Schmiedearbeit. Von jenen beiden schwarzen Flecken berichtet eine andere italienische Legende, daß sie Spuren seien, welche St. Christophorus eines Tages an ihm zurückließ, als er Christus über den Strom trug.

Vgl. Brand-Hazlitt, popular antiquities of Great Britain 3, 309, Nr. 6: St. Christopher in wading through an arm of the sea, having caught a doree en passant as an eternal memorial of the fact, left the impression on its sides to be transmitted to all posterity. Die Christophoruslegende steht bei Jac. de Voragine, legenda aurea, doch ohne den Fisch.


2 G. Phipson, Animal lore of Shakespeare's time p. 343, Brand-Hazlitt, pop. antiqu. of Great Britain 3, 309, Nr. 5. Hardwickes Science Gossip 1867, 177 (aus Yorkshire). Parkinson, Yorkshire Legends and Traditions 1, 121. Kuhn, Sag. u.M. aus Westfalen 505, zitiert auch noch: Grose, a provincial glossary, appendix, p. 67.


3 Jesus wurde genötigt, den Zoll zu bezahlen, und schickte Sankt Peter zum Fischen aus, um sich einen Zollpfennig zu verschaffen. Petrus fing einen Schellfisch und packte ihn am Nacken, um ihm den Mund zu öffnen, und fand darin einen Stater, den er den Zollbeamten aushändigte. Seitdem tragen alle Schellfische dies Merkzeichen von St. Peters Daumen und Zeigefinger.

Mont en Cock, Vlaamsche Vertelsels S. 56 = Rond den Heerd 10, 218.


4 Bei den Seeleuten geht die Sage, zwei schwarze Flecken an den Kiemen des Stockfische kämen daher, daß der Apostel Petrus ihn mit zwei Fingern angefaßt habe, als er aus dem Munde des Fisches das Geldstück nahm, um die Steuer zu bezahlen (Mosk. Wjedomostji 1858 Nr. 87).

Afanasiev, narodn. russk. legendy, London 1859, S. X f.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 181.
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