2. Wiedehopf und Rohrdommel.

[394] 1. Aus Ostpreußen.


Wiedehopf und Rohrdommel waren ursprünglich zwei Hirten, im Dienste eines Zauberers. Wiedehopf hütete seine Kühe auf hohen dürren Bergen, wo der Wind mit dem Sand spielt. Rohrdommel trieb seine Herde in die Niederung, auf fette grüne Wiesen, wo Blumen im Überfluß standen. Bald zeigte sich's, wer besseren Erfolg hatte. Rohrdommels Vieh wurde fett, gab schöne und reichliche Milch und war munter und übermütig. Wiedehopfs Vieh dagegen wurde mager und elend, gab nur wenig Milch und kam nicht zu Kräften. Zum Melken trieben beide ihre Kühe in eine Hürde. Da wurde es nun bald notwendig, daß Rohrdommel sein Vieh zuerst eintrieb. Denn sonst hätte es in seinem Übermut Wiedehopfs Vieh überlaufen und gestoßen. Dieses lag unterdessen mit seinem Hirten vor der Hürde und wartete.

Eines Tages kam Wiedehopf früher zur Hürde als Rohrdommel. Sein Vieh lagerte sich. Da trieb auch Rohrdommel heran, aber er konnte seine wilden Kühe nur sehr schwer in die Hürde treiben und eine bunte Kuh gar nicht. Sie lief mutwillig um die Hürde herum. Da eilte Rohrdommel entrüstet der Kuh nach, schlug sie mit dem Stock und rief: »Bunt', herum! Bunt' herum!« d.h. bunte – nämlich bunte Kuh – herum!

Als Rohrdommel die Kuh endlich eingehürdet hatte, begann Wiedehopf sein Vieh einzutreiben. Er ermunterte es zum Aufstehen und rief: »Up, up!« Die Kühe erhoben sich, eine arme Kuh aber war so kraftlos, daß sie gar nicht auf konnte. Da hieb Wiedehopf mit seinem Stocke auf sie ein und rief fortwährend sein lautes »Up, up, up!« Aber es half nicht, sie war nicht auf die Beine zu bringen und starb unter seinen Schlägen.

Der Herr dieser Hirten hatte aber die Roheit der beiden gesehen. »Ihr Bösewichter!« rief er. »Ihr sollt für eure Hartherzigkeit gestraft werden.« Und er verzauberte sie in Vögel.

Wiedehopf hält sich noch auf der Höhe auf und ruft hier sein: »Up, up, up!« während Rohrdommel in der Niederung wohnt und aus dem Schilf und Rohr sein: »Bunt' herum! Bunt' herum!« ertönen läßt.


  • Literatur: H. Frischbier, zur volkstüml. Naturkunde. Beitr. aus Ost- u. Westpreußen. Altpreuß. Monatsschr. 22, S. 290 f. Vgl. Grimm, K.u. Hausm. Nr. 173.

2. Aus Pommern.


In alten Zeiten waren die Rohrdommel und der Ossupup (Wiedehopf) Hirten. Die Rohrdommel hütete die Ochsen auf fetter Weide. Davon wurden diese[394] so wild, daß sie wegliefen. Die Rohrdommel lief ihnen nach und rief immer: »Prr! Bunt (Schecke)! Prr! Bunt!« Darum ruft sie auch jetzt noch so. Der Ossupup weidete seine Ochsen auf Sandboden. Daher magerten sie so ab, daß die Beine sie nicht mehr tragen konnten. Wenn sie sich nun aus Mattigkeit hinlegten, rief jener immer: »Oss, up up!« Und so ruft er bis heute.


  • Literatur: Drosihn, Kinderr. u. Verwandtes Nr. 146. Vgl. den lateinischen Namen des Wiedehopf: upupa.

3. Aus Mecklenburg.


a) De Rodump (Rohrdommel) röppt den Buurn to: »Haak bunt, haak bunt.«

b) α. De Rodump is früher 'n Buur wäst. Den 'n sien Oss is inne Mad' sitten bläben, un de Buur hett: »Rut bunt, rut bunt« ropen.

β. De Rodump is 'n verwünschten Buur, dee hett eens haakt, he hett 'n bunten Ossen hatt. »Hott bunt,« hett he ümmer secht.

γ. Den Rodump nennten wi bi mi to Huus ok Vagelbunt oder Turrbunt. He hett jo sien Ossen nich hollen künnt un ümmer ropen: »Turrbunt.«

δ. Die Rohrdommel ruft: »Radump, Radump, hott, Oss, kumm«.

c) α. De Kukuksköster (Wiedehopf) un de Rodump sünd früher Ossenhœkers wäst. De Kukuksköster hett ümmer so leech fodert, dee hett sien nich upkrigen künnt: »Up up up up« hett he ümmer secht un ehr uppe Schufft kloppt. De anner hett so dull fodert, dee hett ümmer: »Prr bunt« ropen.

β. De Wadendump hett mit sien fetten Ossen in de Grund haakt: »hüül bunt« hett he ümmer ropen. De Wedderhopp hett mit sien leg' Veh up'n Barch hantiert: »up up up« hett he secht.

γ. Den Rodump sien Ossen sünd so wälig worden; »holt holt holt« hett he ümmer ropen.

δ. De Kukuksköster hett sien Ossen up'n Barch äben so fett höden wullt, as de Rumpdump in de Grund. (Ewer sien hebben gor nich upstahn wullt: »Up up up,« hett he ümmer secht. De Rumpdump hett ümmer ropen: »Trr bunt, trr bunt.«

ε. Der Rohrdommel hütet auf fetter Wiese; ihm laufen die Kühe abends, als er eintreiben will, davon; »bunt herum,« ruft er. Der Wiedehopf, der auf dürrem Berge gehütet hat, schreit: »up up up«.

ζ. De Wäd'hopp is enen Buurn sien Ossenhirer wäst un de Wadendump 'n annern Buurn sien. Dee nu de Wadendump is, dee hett sien Ossen bäter höddt; he hett se gor nich mächtigen künnt: »Hott bunt, hott bunt« hett he ümmer ropen. (Ewer de anner hett so lang' slapen; dee hett sien Ossen ümmer weckt: »Up up up up,« wenn de annern hebben all ümmer œwer de Weid' gähn.

η. Ruhrdummel un Kukuksköster sünd beid' Scheper wäst. De Kukuksköster is so knullig fuul wäst un hett sien Schaap nich fodern mücht un ümmer: »Up up« secht. De Wäd'hopp hett so dull fodert, dat em sien Schaap ümmer wechlopen sünd. »Prr bunt,« hett he ropen.

d) De Radump un de Wälhopp hebben mal eens mit Ossen führt un sünd dorbi dörch 'ne sumpige, suppige Gegend kamen. De Radump will jo dor mit Gewalt dörch un sleit up sien Ossen in un röppt ümmer: »Hott bunt, hott bunt.« Dorbi hett he sik natürlich in 'n Sump fast führt und is dor nich wedder ruter kamen, un he sitt hüüt noch ümmer in 'n Sump un röppt: »Hott bunt.« Œwer de Wälhopp flöttert ümmer so an de Siet rüm un schellt un sleit nich up sien Ossen; he feuert ehr blos so recht zärtlich an: »Hott hott hott hott.« Un so is he dörch de Grand dörch kamen, un he sitt hüüt noch up 'n Boom un röppt: »Hott hott hott hott.«

[395] e) De Oss sall Heu ut de Wisch trecken; œwer de Wisch is week, un he föllt in. De Jung steit dorbi un roort; he kann em nich rut krigen. Donn kümmt de Kukuksköster un röppt: »Up up up, up up up«; œwer de Oss kümmt nich up. Dor röppt de Rumpdump ut vullen Hals: »Rubunt rubunt«. Donn verfiert sik de Oss un springt up und treckt dat Heu rut ut de Wisch. Ik hadd em nich rutkrägen, wenn he mi nich hulpen hadd, hett de Jung donn meent.


  • Literatur: Var. a-e aus Wossidlo, Mecklenburgische Volksüberlieferungen 2, 45.

4. Im Zusammenhang mit diesen Sagen steht folgende Angabe aus Ostpreußen:


Woher es stammt, weiß man nicht. Aber es ist dort überall solch Gerede, daß der Hupp-Hupp die alten Pferde im Frühjahr aufhebt. Solange es noch nicht grün ist, müssen die Pferde im Stall bleiben; aber wenn der Hupp schreit, dann sagt man: »Nun jagt die Pferde auf die Weide. Der Hupp-Hupp hebt sie ja schon.« Das ist schon seit der Zeit, als mal die Welt angestiftet wurde (?).


  • Literatur: Lemke, Volkst. in Ostpr. 2, 19, Nr. 35.

5. Als Vögel, die die Pferde rufen, nennt man in Dänemark die Schnepfen, doch spielt dort wieder das Motiv der boshaften Quälerei herein.


Die Schnepfen waren einst Menschen und wurden Vögel, weil sie ihre Pferde mißhandelten. Sie können doch ihre Bosheit noch nicht aufgeben und versuchen immer, die Pferde, die in dem Moore grasen, in den Schlammgrund zu locken, und rufen daher immer: »Gå te, gå te, gå te!« (geh mal zu) und nachher lachen sie: »Ha, ha, ha!«


  • Literatur: Kristensen, Sagn 2, 265, 63.

6. Endlich gehört hierher folgende Sage der Mazedorumänen:


Der Stammvater der Aromunen blieb auf der Flucht vor dem Feinde mit seinem Pferde im Morast stecken. Alle Versuche, das Tier auf die Beine zu bringen, waren vergeblich. Der Kuckuck war das einzige lebende Wesen, das sich in der Nähe aufhielt; aber auch er konnte trotz seines Gesanges nicht helfen. Schon wollte der Alte zu Fuß weitergehen, da kam ein Wiedehopf, ließ sich auf einem nahen Baum nieder und sang sein »Hop, hop, hop.« Sowie das Pferd das hörte, sprang es auf und entging so dem Untergang im Kot. Der Mann aber bestieg hocherfreut sein Boß und entging so den Feinden. Zum Danke taufte er den Wiedehopf um und gab ihm den Namen Kuckuck. So heißt er auch heute noch bei den Aromunen.


  • Literatur: Marianu, Ornitologia 2, 165.
Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 394-396.
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