XIII. Die Märchenketten.

[252] Die bisher besprochenen einzelnen Tiermärchen finden wir häufig in lockerer Verbindung zu Ketten vereinigt. Es sind im Norden die folgenden fünf Glieder, die sich nach Krohns1 Untersuchung vor allen andern zu einer Kette zusammenschließen: 1. Fische vom Wagen geworfen, 2. Schwanzfischer, 3. Schlag auf den Fuchsschwanz, 4. Kranker trägt den Gesunden, 5. Beißen der Baumwurzel. Unter diesen fünf Episoden ist die Verknüpfung eine etwas festere, als man sie sonst in der Regel findet, und für die beiden letzten ist es sogar Voraussetzung, daß sie eine Vorgeschichte haben.2[252] Die Entstehung dieser Märchenkette ist nach Krohns3 Ansicht schon sehr früh erfolgt, möglicherweise bereits vor dem Eindringen der nordischen Waräger in Rußland. Interessant ist die Tatsache, daß ein kleiner Teil der Fuchsmärchenketten in jüngerer Zeit Episoden aufgenommen hat, die aus der Kette von Wolfsabenteuern stammen, deren älteste Aufzeichnungen in der zehnten Extravagante und im Romulus Monacensis XXXVI vorliegen.4 Diese Mischformen5 treten jedoch, wie es scheint, fast nur in Varianten auf, die innerhalb Deutschlands aufgezeichnet sind, während die Kette reiner Wolfsabenteuer ihren Weg auch nach Finnland und Rußland gefunden hat.6

Es ist wohl kein Zufall, daß die Ketten nur selten Ätiologien enthalten, denn weil die Erzähler bestrebt sind, möglichst geschlossen und zusammenhängend zu berichten, geht es nicht gut an, daß sie die Isolierung der Einzelszene durch eine abschließende Naturdeutung noch verstärken.

1. Wir finden bei den Schweden in Finnland eine Variante mit der Ätiologie der weißen Schwanzspitze des Fuchses.


Es war einmal ein Fuchs und ein Wolf, die gingen ihres Weges. Da sagte der Fuchs zum Wolf: »Wollen wir ein Feld bebauen und gemeinsam arbeiten.« So säten und ernteten sie. Dann galt es zu dreschen und dafür eine Trockenscheuer zu bauen. Sobald das Getreide getrocknet war, fingen sie an zu dreschen. Da kletterte der Fuchs an den Scheuerbalken hinauf und hatte den Wolf zum besten. Er rief ihm zu: »Das Scheunendach fallt auf mich.« »Half es fest, halt' es fest (von unten),« sagte der Wolf, »ich werde schon dreschen.« So drasch der Wolf allein. Als er damit fertig war, sollten sie teilen. Da sagte der Fuchs: »ich bin langsam bei der Arbeit gewesen, du magst den größten Haufen bekommen, du hast mehr gearbeitet.« So gab er den Spreuhaufen dem Wolfe und nahm das Korn. Nun wollten sie Grütze kochen. Der Wolf kochte zuerst, und hatte so schlechte Grütze, da er die Spreu gekocht hatte. Dann kochte der Fuchs den Roggen und bekam gute Grütze. Als nun der Wolf mit dem Fuchs aß, sagte er: »du hast so gute Grütze.« Da sagte der Fuchs: »du hast nicht an derselben Stelle Wasser geschöpft wie ich.« Der Wolf fragte: »wo hast du Wasser geschöpft?« Der Fuchs sagte: »Ich nahm es aus der Butterquelle (?) der alten Bäuerin.« »Weise mich hin,« sagte der Wolf. Wie der Wolf zur Quelle lief, eilte der Fuchs zur alten Bäuerin und sagte:[253] »Jetzt läuft der Wolf hin und schöpft Wasser aus eurer Quelle.« Die Alte wurde böse und lief hin. Während dessen eilte der Fuchs zu dem mit Rahm gefällten Butterfaß. Wie die Alte zur Quelle kam, nahm sie eine Stange und prügelte den Wolf. Als sie wieder zurückkam, lag der Fuchs über dem Butterfaß und schlürfte den Rahm. Die Alte nahm den Stössel und wollte den Fuchs damit schlagen, aber sie traf nur sein Schwanzende, und deshalb haben alle Füchse ein weißes Schwanzende. Und der Fuchs lief zum Wolfe. Der Wolf war so krank, da ihn die Alte bei der Quelle geprügelt hatte. Der Wolf sagte zum Fuchse: »Weißt du, sie schlug mich so schrecklich.« Da sagte der Fuchs: »Sie schlug mich noch mehr, ich kann gar nicht mehr gehen.« »Ich werde dich tragen,« sagte der Wolf. So legte sich der Fuchs auf den Rücken des Wolfes, und lachte und höhnte den Wolf und sagte: »Der Kranke trägt den Gesunden und der Fuchs ist voll Rahm.«


  • Literatur: Aufgez. 1891 in Pargas (Gouvernement Åbo) von J. Thurman.

2. Die folgende finnische Variante hat sogar drei Ätiologien.


Der Fuchs und der Bär gingen einmal zur Scheune, um zu dreschen. Der Fuchs war faul, sprang auf einen Querbalken und rief dem Bären zu: »Drisch du jetzt, ich will derweilen diese Balken festhalten, damit sie dir nicht auf den Kopf fallen.« Und der Bär drasch aus Leibeskräften. Als die Arbeit beendet war, sagte der Fuchs: »Nimm du den größern Haufen, – das war aber nur Spreu – du bist ja auch der größere. Ich nehme diesen kleinern Haufen.« Der Bär schickte sich darein und trug willig den größern Teil. Darauf gingen sie zur Mühle und fingen an zu mahlen, weil sie dann Brei kochen wollten. Die Mahlsteine des Fuchses mahlten geräuschvoll das Korn und machten: »Hörö, hörö!«, die des Bären dagegen sagten nur leise: »Hissin, hassin?« Endlich fragte der Bär: »Wie kommt es wohl, daß deine Mahlsteine hörö, hörö sagen und die meinen nur hissin, hassin?« Der Fuchs riet ihm: »Wirf Kiessand dazwischen.« Das tat der Bär, da machten seine Mahlsteine Getöse genug. Und der Bär war froh, daß sie ebenso klangen wie die des Fuchses.

Nun hatte der Fuchs einmal einen Buttertopf bei der Ilmolabäuerin gestohlen. Als nun die beiden sich anschickten Brei zu kochen, nahm der Fuchs sein gutes Mehl und tat Butter dazu, der Bär aber kochte das Mehl, das aus Spreu gemahlen war. Nach einer Weile kostete der Bär den Brei des Fuchses, und meinte: »Er ist gut!« Darauf ging auch der Fuchs zum Bären und kostete, aber er fing laut an zu lachen und sagte: »Solch einen Brei mag nur das Schwein und der Bär fressen, ein Fuchs tut das nimmermehr!« Der Bär ließ sich den Spott für diesmal noch gefallen.

Darnach gingen sie in den Wald, um Brennholz zu holen. Der Fuchs fand eine Eberesche, die voller Beeren stand, und sagte zum Bären: »Fälle du diese Eberesche, die Beeren will ich meiner alten Mutter bringen.« Der Bär tat es, aber der Fuchs verschlang sogleich alle Beeren selbst. Da fragte der Bär: »Wolltest du sie denn nicht deiner alten Mutter bringen?« Der Fuchs antwortete: »Ei, die hat ebenso scharfe Augen wie ich, mag sie sich selber Beeren suchen!«

Darnach fällten sie einen gewöhnlichen Baum, und gruben ihn mit den Wurzeln aus. Der Fuchs sagte: »Nimm du den Wipfel auf deine Schulter, ich will am Wurzelstumpf schieben.« Der Bär fing an zu ziehen, und der Fuchs setzte sich auf die Wurzel. Endlich sah sich der Bär einmal um und bemerkte, wie der arge Schelm dort hockte. Der Fuchs nahm Reißaus, und der Bär jagte hinterher. Aber siehe da! nach und nach erlahmte die Kraft des Fliehenden. Zuletzt kroch er unter[254] ein Wurzelgestrüpp, und der Bär kam und packte ihn am Bein. Der Fuchs aber war schlau und schrie: »Was hältst du die Baumwurzel fest, packe doch mein Bein an!« Da ließ ihn der Bär fahren und griff in die Wurzeln hinein, der Fuchs aber sprang auf und davon.

Nach einiger Zeit sah der Fuchs einen Mann, der frischgesalzene Fische auf seinem Wagen hatte. Da legte er sich an den Wegrand und stellte sich tot, und der Mann hob ihn auf seinen Wagen. Während der Mann auf dem Vorderteil des Wagens saß, schlich sich der Fuchs nach hinten, und warf von dort aus ein gut Teil Fische auf den Wegrand. Zuletzt sprang er selber hinunter, las die Heringe zusammen, und begab sich zum Bären. Dieser hatte sich inzwischen wieder beruhigt und fragte: »Woher hast du alle diese gesalzenen Fische?« »Die kann man im Brunnen der Ilmolabäuerin fangen,« erwiderte der Fuchs. »Wenn klarer Sternenhimmel ist, dann lasse deinen Schwanz in das Wasser, aber du darfst ihn nicht im geringsten bewegen.« Es trat ein starker Frost ein, und die Sterne blinkten hell, da machte sich der Bär auf, um mit seinem Schwänze zu angeln. Und er fror fest im Eise ein. Die Ilmolabäuerin war gerade eifrig mit Buttern beschäftigt. Der Fuchs lief zu ihr hin und rief: »Bäuerin, Bäuerin! der Bär verunreinigt deinen Brunnen!« Schnell eilte die Frau mit dem Butterstößel hinaus, um den Bären durchzuprügeln. Dabei ließ sie aber die Haustür offen, und flugs war der Fuchs am Butterfaß. Der Bär aber mußte sich eilends den Schwanz abreißen, um loszukommen, und hat bis zum heutigen Tage einen Stumpf behalten. Als die Bäuerin in das Haus zurückkam, fand sie im Faß das Unterste zu oberst gerührt, und den Fuchs mitten darin. In größter Eile mußte er sich aus dem Staube machen, er sprang zum Fenster hinaus, und die Bäuerin honnte ihm nur noch einen Schlag auf die Schwanzspitze versetzen. Davon ist ihm bis heute ein Fleckchen drangeblieben.


  • Literatur: [Das Folgende mit der Ätiologie zur gespaltenen Lippe des Hasen ist oben S 237. mitgeteilt.] Krohn, Suomal. Kansan. 1, 41 Nr. 25.

3. Aus Litauen.


Der Wolf, sehr hungrig, begegnete einem Fuchs. »Gevatter! nun werde ich dich fressen, mein Hunger ist zu groß!« Der Fuchs bat, daß er ihn schone, er wisse wenigstens Fische zu besorgen. »Vor nicht langer Zeit fuhr ein Wagen vorbei, dem werde ich vor Augen laufen und Fische abwerfen, du komme nach und lies sie auf, laß aber auch mir einige übrig, ich liebe die Fische sehr.« Der Fuchs lief vorauf und warf sich dicht am Wege mit offenem Maule wie tot hin, und die Fliegen fingen an, in seiner Schnauze herumzukriechen. Als der Fischer ihn sah, hielt er an, stieg vom Wagen, faßte ihn beim Schwanz und drehte ihn zuerst um, ob er nicht auf der anderen Seite kahl geworden, dann warf er ihn froh hinter sich auf den Wagen. Der Fuchs scharrte, da jener sich nicht umkehrte, einen Fisch nach dem andern heraus, bis er dachte, daß es genug sein könnte, dann sprang er auch selbst, hopps! heraus. Der Wolf hatte ihm aber nicht einen einzigen Fisch übriggelassen, sondern alle selbst verschlungen. Der Fuchs, erbost darüber, gelobte ihm das heimzuzahlen. Der Wolf sprach: »Fisch ist kein Fleisch; wenn ich noch irgendwo Fleisch bekäme, so wäre das nicht zu viel.« Der Fuchs antwortete drauf: »Ich weiß noch in einem Stalle ein paar Schafe, auf der Hühnersuche traf ich sie an, aber zum Einkriechen ist es zu eng. Wenn du willst, geh mit.« Der Wolf gehorchte, jener aber führte ihn an einen Bauernstall, zeigte ein Loch unter dem Fundamente und hieß ihn hineinkriechen, aber nicht zu gierig zu fressen, sonst werde er auf der Flucht für seinen Bauch nicht Raum haben. Als der Wolf unter[255] die Schafe geraten war, riß und fraß er, daß es krachte, aber als er hinauskriechen wollte, kam er nicht durch, sondern blieb stecken. Der kluge Fuchs brachte die Hunde zum Bellen, und der Bauer mit seinen Knechten kam gelaufen und ebneten des Wolfes Rücken, wie jeder gerade etwas zu fassen bekam. Kaum, kaum entkam er und lief in den Wald. Der Fuchs fragte ihn, ob es ihm noch nicht genüge. »Prügel ja, aber Fleisch nicht sehr,« antwortete er, seinen Rücken sich kratzend. »Dann wollen wir zu einem anderen Landbewohner. Wenn Schweinefleisch gefällig ist, so weiß ich, wer unlängst ein Schwein geschlachtet hat.« Dort hieß er den Wolf durchs Fensterchen in den Keller kriechen, aber nicht zu sehr den Bauch vollstopfen. Der unersättliche Wolf aber schluckte so lange, bis er fast platzte und auf beiden Seiten des Bauches sich Erhöhungen heraustrieben. Als der Fuchs zur Eile trieb, wollte er hinauskriechen und blieb wieder hängen. Während er sich noch abmühte, herauszukommen, hörten es Menschen, liefen zusammen und gerbten das Wolfsfell, so fest sie konnten. Kaum entlief er. Aber das war noch nicht genug. Der Fuchs führte ihn mit sich auf den Teich und lehrte ihn, mit dem hineingesteckten Schweife Krebse fangen. Als der Wolf ihn lange in der Wuhne hielt, fror der Schwanz ein. Menschen kamen zugelaufen und schlugen ihn wieder windelweich, er entkam ohne Schwanz halbtot und verlangte nach keiner Genossenschaft mit dem Fuchse. Seit der Zeit können sie einander nicht leiden.


  • Literatur: Jurkschat 1, 38 Nr. 9.

4. Eine Variante der Deutschen in Siebenbürgen (Haltrich-Wolf S. 41 Nr. 10) hat folgende drei Episoden:


1. der singende Wolf im Keller,

2. der Kranke trägt den Gesunden,

3. der Wolf beißt in die Baumwurzel,


und schließt mit den Worten: »seit der Zeit trägt der Wolf auf den Fuchs einen ewi gen Haß, und wenn ihn der Fuchs sieht, nimmt er den Zagel [Schwanz] zwischen die Beine und flieht eiligst in seine Burg«.

In der Gruppe der Wolfsabenteuer hat keine Kette eine Ätiologie. Sie findet sich aber in zwei estnischen Umformungen der Einzelerzählung: ›Wie der Wolf den Streit der beiden Widder um den Weideplatz schlichten wollte‹, die häufig als Glied einer Kette erzählt wird.7

Übereinstimmend mit dem Romulus Monacensis XXXVI heißt es vom Wolf in der 10. Extravagante in Steinhöwels Übersetzung:


» ... er ... kam uff ain wismad, do fand er zwen wider mitainander turren und kempfen, und sprach: Lob sye got, iecz will ich mich guoter Spys ersetten. Und sagt: Für war, ir brüder, ich muoß ainen von üch eßen. Antwürt der ain: Wie du wilt, also tuo. Doch so gib vor ain rechte urtail zwischen uns. Dis wismaid ist unserer vätter gewesen und kunden es nicht mit lieb getailen, und synd darumb in tötlichen Kampf getretten. Der Wolff sprach: Ich tuo es, wann ich üwer mainung waiß. Da sprach der ain wider: O herr, so merk mich, wir mainen also. Du solt staun, ob es dir gefalle, mitten uf das wismad, so gee ich an das ain[256] ort und der ander wider an das ander ort, und welher ee zuo dir komt, des sol das wismad syn, den andern solt du eßen. Do sprach der Wolff: Das gefelt mir. So giengent die wider an beide ort des wismads und fiengent an ze louffen, so schnell sie mochtent ungestümglich zuo dem wolff und stießen in zuo baiden syten so hart mit iren hornen, daz er sich mit synem aignen kaut entrainiget und im syne ripp zerstießen, und ließend in liegend halbtoutten und giengent iere strauß.«


Diese Fassung mit dem Motiv des Streitschlichtens liegt bereits im Ysengrimus8 und im Roman de Renart9 vor und geht, wie schon Jakob Grimm vermutet hat10, auf eine orientalische Quelle zurück. Die eine Hälfte der jungen volkstümlichen Aufzeichnungen11 schließt sich an Steinhöwels Fassung eng an, während die andere, die sich hauptsächlich aus ost- und nordeuropäischen Fassungen zusammensetzt12, das Grefräßigkeitsmotiv aufnimmt. Dieses liegt bereits ebenfalls schon im Ysengrimus13 vor, ist jedoch schwerlich ursprünglicher als das Streitschlichten14, das genauer zu der indischen Erzählung paßt, hat aber eine fast merkwürdig große Lebenszähigkeit bewiesen, und stets die Situation mit dem in den Rachen springenden Widder bewahrt.

Zu der zweiten Gruppe gehören auch die beiden hier folgenden estnischen Sagen aus dem Nachlaß Pastor Hurts.


1. In einem Frühling fand der Wolf einen Widder und wollte ihn fressen. Der Widder bat, bis zum Herbst leben zu dürfen, dann sei er viel fetter. Der Herbst kam. Der Wolf suchte seinen Widder auf, um ihn zu fressen. Der Widder war unterdessen fett und kräftig geworden, er sagte schlau: »Höre, mein Teurer, du wirst viel Zeit brau chen, um mich zu fressen. Viel bequemer wäre es, wenn du in jenes Tal gehst, und ich dir vom Berge direkt in den Magen renne. Sperr nur das Maul weit auf!« Der Wolf stellt sich mit aufgesperrtem Maul im Tale auf, und der Widder rannte mit seinen Hörnern mit solch einer Wucht ins Maul des Wolfes, daß das Maul weit aufgerissen wurde und der Wolf die Besinnung verlor. Als er sich erholt hatte, war er im Zweifel, ob der Widder in seinem Magen sei oder nicht. – Seitdem hat der Wolf ein breites Maul.

2. In einem Frühling fand der Wolf auf einer Weide einen kleinen jungen Hammel. Er wollte ihn fressen, aber der Hammel bat: »Laß mich eine kurze Zeit leben. Im Herbst will ich dich hier am genannten Tage erwarten. Dann kannst[257] du mich fressen. Ich werde dann auch viel größer und fetter sein.« Der Wolf war einverstanden.

Der Herbst kam, und aus dem kleinen war ein großer, kräftiger Hammel geworden. Er hielt Wort und erwartete den Wolf am genannten Tage und Orte. Der Hammel begrüßte den Wolf mit den Worten: »Geehrter Vater Wolf (anus hundi papa)! Du siehst, daß das Schafgeschlecht immer Wort hält, wenn es auch heißt sich hinmorden zu lassen. Damit es dir leichter wird mich zu fressen, und ich mich nicht lange zu quälen brauche, stelle dich an diesem Bergabhang mit aufgesperrtem Maul auf, ich laufe dir vom Berge direkt ins Maul.« Der Wolf ahnte nichts Böses und tat nach dem Wunsche des Hammels. Der Hammel aber rannte mit seinen Hörnern ins Maul des Wolfes und zerschlug ihm die Backenknochen. Seit der Zeit werden die Schafe erbarmungslos von den Wölfen gefressen.

Fußnoten

1 a.a.O.S. 67.


2 Nur bei Kuhn, Märkische Sagen Nr. 16 S. 299 beginnt die Kette mit Nr. 4; die Motivierung dieser Szene ist daher auch sehr unglücklich ausgefallen.


3 a.a.O.S. 62. 118.


4 Vgl. ferner H. Sachs, Fabeln u. Schwanke 2 Nr. 298. Haltrich-Wolff Nr. 17, I und II. Wolf, Deutsche Hausmärchen S. 419. Haupt, Sagenbuch der Lausitz 2, 204. Schreck, Finnische Märchen S. 232. Krohn, Suomal. Kanaans. I. Nr. 136–139. Etnograf. Obozrěnije 13, 4, 127 (aus dem Gouv. Jaroslav). Romanov Nr. 12. Čubinskij Nr. 42. Etnograf. Zbirnik 1, Tiermärchen S. 25; 4, 167 mit weiterer Literatur. Karutz, Unter Kirgisen und Turkmenen S. 180 f. (Leipzig 1911). Roche, Contes limousins p. 126. Kristensen, Fra Mindebo S. 77 und Sbornik material. Kavk. 39, 3, 109 f. (artschinisch) (Übertragung auf den Fuchs).


5 Zeitschrift d. Ver. f. Volkskunde 15, 145. Schulenburg, Wendisches Volkstum S. 32. Kuhn, Märkische Sagen S. 299. Blaas, Germania Bd. 24, 412. Firmenich, Germaniens Völkerstimmen 3, 838. Lemke 2, 219 Nr. 44. Gliński, Bajarz polski 2, 107 Nr. 9.


6 Auf das Problem der Kettenbildung unter den Tiermärchen hoffe ich noch einmal näher eingehen zu können als es mir zurzeit und an dieser Stelle möglich ist, denn u.a. scheint mir die Frage nach der Entstehung der Ketten trotz Krohns und Voretzschs (Preuß. Jahrbücher 80, 462 f.) Ausführungen noch nicht in allen Teilen befriedigend beantwortet zu sein.


7 Vgl. Grimm, Reinhart Fuchs, Einleitung S. 276. Sudre, Les sources p. 337. Kolmačevskij, Životnyj epos S. 145.


8 Voigt, Ysengrimus cap. 2 v. 271 ff.


9 Méon br. 8.


10 Einleitung zum Reinhart Fuchs S. 176, vgl. Benfey, Pantschatantra 1, 139 f. 2, 37. Hertel, Tantrākhyāyika 1, 129. 2, 18.


11 Wolf, Deutsche Hausmärchen S. 419. Jahn, Volkssagen Nr. 555. Wossidlo, Aus dem Lande Fr. Reuters S. 158. Kuhn, Märkische Sagen S. 299. Haltrich-Wolff Nr. 13. 17 I. Haupt, Sagenbuch 2, 204. Schreck, Finn. Märchen S. 232. Krohn, Suomal. Kansans. I Nr. 137.


12 Haltrich-Wolff Nr. 17 II. Firmenich, Germaniens Völkerstimmen 3, 838 (aus Schonen). 2 estnische Varianten s. unten. Ončukov, Sěvernyja skazki Nr. 130. Etnograf. Obozrěnije 13, 4, 127. Natursagen 3, 302 (aus Rudčenko, Skazki Nr. 1). 303 (aus Afanaśjev, Legendy Nr. 32). 305 (aus Wisła 1892, 142 f.). Romanov Nr. 10. Etnograf. Zbirnik 1, Tiermärchen S. 25; 4, 167. Roche, Contes limousins p. 126 ff.


13 Vgl. Voigt S. LXXXIII, 9. Abenteuer.


14 Was Kolmačevskij behauptet und von Sudre a.a.O. 337 mit Recht zurückgewiesen wird.

Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 252-258.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Anselm von Canterbury

Warum Gott Mensch geworden

Warum Gott Mensch geworden

Anselm vertritt die Satisfaktionslehre, nach der der Tod Jesu ein nötiges Opfer war, um Gottes Ehrverletzung durch den Sündenfall des Menschen zu sühnen. Nur Gott selbst war groß genug, das Opfer den menschlichen Sündenfall überwiegen zu lassen, daher musste Gott Mensch werden und sündenlos sterben.

86 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon