15. Ein Kampf Kalvukura's.[58] 1

Es war einmal ein Häuptling, der hiess Kalvukura. Er wohnte in der Llaimagegend. Der ging also aus um die Fremden zu bekriegen. Er zog also hinaus zum Ostlande [Argentinien]; dort war ein Häuptling Tontiao mit Namen und sein Genosse hiess Melíñ.

So kam also Kalvukura zu den beiden Ostlandshäuptlingen. Kalvukura kam also an, wohlbehalten kam er an bei den beiden Häuptlingen. Da sprach er so zu ihm: »Ich bin gekommen, weil ich hörte, wie berühmt du bist; deshalb bin ich gekommen,« sprach er zu dem Häuptling.

Da antwortete der ihm so: »Ja, das bin ich. Ich habe viel Krieg gehabt mit den Argentinern. Jetzt aber ist das Land in Ruhe; wir wollen Freunde sein; es wird nicht mehr gekämpft werden,« sagte er zu Kalvukura. Da sprach Kalvukura so: »Ja, wir wollen Freunde sein!« so sagte der Kalvukura.

Da feierte Kalvukura zwei Tage lang eine Festversammlung. Tontiao wurde eingeladen und kam; er langte beim Feste an, und hielt folgende Wechselrede: »Wann bist du angekommen, Kalvukura? Wir wollen Freunde sein!« sagte er zu Kalvukura.

»Ja, wir wollen Freunde sein,« antwortete Kalvukura.

Weitere zwei Tage darauf ging Kalvukura zu Rate und beschloss dem Tontiao den Krieg zu machen.

Tontiao hatte sein Haus mit einem Graben umgeben.

Kalvukura führte hundert und fünfzig Mann mit sich.

Tontiao dachte an gar nichts weiter, da wurde er plötzlich[58] überfallen und umringt. Er hatte aber im innern ein Pferd stehen. Da liess Kalvukura melden: »Jetzt ist dein Tag gekommen.«

Da kam Tontiao aus dem Hause heraus mit dem Schwert umgürtet und bestieg sein Pferd. Auf schnellem Rosse machte er einen Ausfall. Mitten durch Kalvukura's Mannen bahnte er sich Weg und sein Pferd sprang über den Graben. Vergebens zielte man nach ihm, er wurde nicht getroffen. Er war ein schmächtiger grosser Mann, unverletzt kam er durch.

Da wurde Kalvukura zornig und ergrimmte über seine Mannen. Man legte dem Tontiao einen Hinterhalt. Bei einem Hinterhalt kam er vorüber. Aber da lag im anderen Hinterhalt Külapang, sein [Kalvukura's] Bruder. Nun wurde Tontiao verfolgt; sein Pferd stürzte. Da traf ihn eine Lanze und so ward er getötet.

Kalvukura aber war ärgerlich und zürnte seinen Leuten, weil Tontiao entkommen sei.

»Allesammt wird uns Tontiao töten!« sagte also Kalvukura; da brachte Hauptmann Külapang Tontiao's Ross am Zügel. Kalvukura sprach zu ihm: »Wie steht's, mein Sohn Külapang?« sagte er.

»Er ist tot!« antwortete Hauptmann Külapang.

»So, mein Sohn; jetzt bist du wahrhaftig Külapang [dreifacher Löwe]; du sollst Führer der Männer werden.«

Es war auch einer von Tontiao's Leuten zum Gefangenen gemacht worden. Den packte Kalvukura.

»Und der andere, Melíñ, wo steckt der?« fragte er den Gefangenen. »Draussen liegt ein Pferdefell; darunter hat Melíñ sich versteckt,« antwortete der Gefangene. Da machte sich Kalvukura mit seinen Leuten auf, und so entdeckten sie ihn unter dem Pferdefell. So wie Melíñ zum Vorschein kam, sprang er auf; aber eine Lanze traf ihn und so wurde auch er getötet.

»Jetzt gewinnen wir Land!« sagte Kalvukura.

Darauf schickte er Boten an die argentinischen Fremden und liess ihnen sagen: »Argentiner, seit lange habe ich gehört, dass Tontiao den Ruf der Verwegenheit hatte. Deshalb bin ich gekommen; schon lange ist es so. Ich kam deshalb meinen[59] Argentinern zu Hilfe und habe ihre Feinde getötet. Meine Argentiner, wir wollen Freunde sein. Es wird nichts mehr vorkommen. Wenn wir gute Freunde sind, wird es keinen Aufstand mehr geben,« so sagte also Kalvukura. So kam also Kalvukura hin. Da überlegten die Argentiner: »Woher kam uns mit einem Mal die Hilfe?« sagten sie. Man nannte ihnen Kalvukura und sie fragten: »Woher kommt Kalvukura?«

Da kam Kalvukura an: »Ich komme von der Llaimagegend, Kalvukura ist mein Name.«

Die Argentiner sahen ihn gern und sprachen: »Wir werden dir Gehalt bezahlen.«

So bekam er Gehalt; allerlei bekam er, Geld, Kleidung, Nahrungsmittel, alles, alles wurde ihm geliefert.

In diesem Verhältnis blieb Kalvukura bis er einige Zeit darauf starb. Als er starb hinterliess er zwei Brüder und seine Söhne. Da bezog sein Bruder den Gehalt.


* * *


Külapang kehrte wieder hierher [nach Chile] zurück. Er hatte gar nichts; aber er war Silberschmied. Ein hübsches Mädchen führte er als Frau heim, die bekam viel Silberschmuck.

Eines Tages kam der Häuptling Namunkura in dieses Land herüber und kam in der Nähe von Külapang an. Da wurde dem Külapang seine Frau geraubt. Ein Krieger entführte sie. Külapang ergrimmte. (Er hatte zwei Söhne.) Er schickte einen Boten zu Namunkura. Der wurde vor Namunkura gebracht.

»Man hat mir meine Frau geraubt! Wer ist das gewesen?« – »Er selbst war es oder sein Onkel,« erhielt Külapang als Antwort.

Da sattelte Külapang und machte sich mit seinen beiden Söhnen auf den Weg. Als sie ankamen sprachen sie zu Namunkura: »Warum raubt mir Namunkura meine Frau? Kennst du mich etwa nicht, Namunkura? Dein Bruder war doch Kalvukura; mit dem zog ich gegen Tontiao. Ich war es der den Tontiao erschlug,« sprach Külapang.

»Ja, so ist es,« antwortete Namunkura; »willst du den[60] Krieger töten [der es tat], so magst du ihn töten.« Damit wurde der Krieger auf Tod und Leben ihm übergeben. Aber Külapang sprach: »Was hab ich davon, wenn ich jenen Krieger töte. Meine Frau gebt mir wieder!«

So bekam Külapang seine Frau zurück.

Quelle:
Lenz, Rudolf: Aurakanische Märchen und Erzählungen. Valparaiso: Universo de Guillermo Helfmann, 1896, S. 58-61.
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