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[285] Mulla Nasreddin ging eines Tages mit seinem Esel in den Wald, um Holz zu holen. Er kletterte auf einen Baum und machte sich daran, gerade den Ast abzuhauen, auf dem er saß. Da ging jemand vorbei, sah hinauf und sagte: »Mulla, laß das, sonst fällst du runter«. Nasreddin dachte, das sei ein Spaß und hieb munter weiter. Mit dem Ast fiel er selber herunter; wunderte sich und lief dem Manne nach. »Du hast es vorausgewußt, daß ich herunterfalle«, sagte er, »du wirst wohl auch wissen, wann ich sterben muß.« »Jawohl weiß ich das«, sagte der Mann, der den Mulla gern los haben wollte, »du wirst sterben, wenn dein Esel dreimal gefurzt hat.«

Kopfschüttelnd ging der Mulla weg und lud seinem Esel das Holz auf. Auf dem Heimweg mußten sie über einen Berg, und kaum ging es aufwärts, da furzte der Esel das erstemal.

»Eins!« rief der Mulla furchtbar erschrocken, »ein Drittel meiner Seele ist fort.«

Mitten auf dem Abhänge ließ der Esel das zweitemal sich hören.

»Zwei!« sagte der Mulla, »es bleibt mir nur mehr ein Drittel meiner Seele.«

Oben auf dem Berge geschah es das drittemal.

»Drei! Tot bin ich!« sagte Nasreddin, ging ein wenig seitwärts und legte sich; der Esel aber fing an zu grasen.[285]

Nicht lange dauerte es; da kamen die Wölfe und griffen den Esel an.

»Ach, wenn ich doch noch lebendig wäre, ich würde, euch's schon zeigen. Armer Esel! Jetzt kann ich nichts mehr für dich tun.«

Quelle:
Dirr, A.: Kaukasische Maerchen.Jena: Eugen Diederich, 1922, S. 285-286.
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