[Sie ruht auf ihrem goldnen Pfühle]

[230] Sie ruht auf ihrem goldnen Pfühle,

Des Landes stolze Königin,

Umfächelt von des Abends Kühle,

Träumt sie die Stunden angstvoll hin.


Sie denkt des Gatten – weilt er drüben

Doch lang' im feindlichen Gebiet;

Ihr Herz ist schwer, das bang der trüben

Vorahnung mächt'ger Flor umzieht.


»Was säumst du, meines Herzens Wonne?

O kehr' zurück zum goldnen Haus,

Schon senkt im Westen sich die Sonne

Und löscht die Strahlenfackel aus.


Und schon mit dumpfem schwerem Klange

Hallt von dem Turm der Glocken Ton,

Sie tönen dumpf, sie hallen lange,

Doch jetzt sind sie verklungen schon,


Sie sterben hin in dumpfem Schweigen

Vom Tag erlosch das letzte Licht –

Ich muss das Haupt voll Kummer neigen,

Denn dich erblickt mein Auge nicht.«


Kalt geht die Luft, aus Finsternissen

Kein Stern in ihre Seele scheint,

Sie sitzt auf ihrem goldnen Kissen,

Die stolze Königin, sie weint.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 230.
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