Die gelbe Morgendämmerung.

[126] 1. Die gelbe Morgendämmerung bricht an,

Mädchen, nach deiner Erscheinung sehne ich mich,

Das gemischthaarige Pferd mit geflochtenem Zaum,

Bei deinem Hause steht es gekrümmt.
[126]

2. Dein Seitpferd ist ein Schimmel.

Dein Bräutigam ist ein ganz junger Knabe,

Auch die Propheten haben ihre Töchter verheiratet,

Dies ist der uns gezeigte Weg.


3. Die Satteldecke hast du gestickt,

Ich singe das Dschar Dschar, jammre nicht,

Deines Vaters gutes Kind!

Dein Schuld liegt in den ein und vierzig Pferden.


4. Als er arm geworden, sind ihm die Pferde wiedergekommen,

Die Braut hat eine giftige Zunge,

Sulika und Säurü sind zwei Mädchen,

Sie sind gleich deiner ältern Schwester ein Vorbild.


5. Dein Reitpferd ist ein Fuchs,

Es steht nicht ruhig bis man es besteigt,

Du wirst vernünftig werden,

Das weisse Kameelfüllen wird ein Kameel.


6. Dein Reitpferd ist ein Schimmel,

Dein Bräutigam ist ein junger Knabe,

Ein Perlmutter und Perlen befestigendes

Mädchen sei deine Erstgeburt.


7. Aber Mittwoch wird deine Hochzeit sein;

Sausend entfliehen die Schafe

Wenn du gehst, wird deine Mutter sich abhärmen,

Die Braut wird kommen und leben.


8. Die vom Himmel geflogene Bremse

Lässt sich im kühlen Schatten nieder,

Wenn hinter dir keine erwachsene Schwester bleibt,

Wird es deiner Mutter schwer werden.


9. Dein Reitpferd ist eine Schecke,

Einen seidenen Pelz hast du angezogen,[127]

Ohne zu weinen, besteige das Pferd, Mädchen!

Deine Mutter hat dich fortgebracht.


10. Dein Reitpferd ist eine Schecke,

Deine Altersgenossen sind hiergeblieben,

Ohne zu weinen besteige das Pferd, Mädchen!

Einmal im Frühling und einmal im Herbst reitest du (nach Hause).


11. Dein Reitpferd ist ein Apfelschimmel,

Hier sind viele deiner Altersgenossen geblieben,

Giebst du ein Tuch, so gieb ein seidenes,

Man wird dich hier sehr loben.


12. Vor der Thür ist eine Sandfläche,

Auf dem Sande flieht ein Hase springend,

Die fremde Schwägerin von anderem Vater

Wird euch in die Jurte führen und horchen.


13. Vor der Thür ist ein steiniges Land,

Zwischen den Steinen schaut ein Hase hervor,

Die fremde Schwägerin von anderem Vater

Wird euch im Hause lassen.


14. Vor der Thür streut man Geschenke aus,

Dein Mütterchen streut sie aus,

Der als Brautgeld vierzig Pferde gegeben,

Wird am Abend sich erleichtern.


15. Von der Flut kam eine Grans geflogen,

Vom See kamen zwei Gänse geflogen,

Die eine ist glänzend, die andere weiss,

Der Kasten ist voll von gelber Baumwolle.


16. Vom Himmel fliegt ein Schmetterling,

Dein Bräutigam ist ein Dummkopf,

Nachdem du als junge Frau eingetreten,

Wird er dich schlagen, den (hellen) Tag dir nicht zeigen.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 126-128.
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