Die Narren.

[187] In einer Stadt lebten viele Narren. Ein Narr nun hatte einen Sohn, der war kein Narr. Als er seinem Sohne eine Frau genommen hatte, waren zwei oder drei Tage vergangen, da befahl die Mutter der Schwiegertochter, die Kuh zu melken. Als nun die Schwiegertochter da sass und die Kuh melkte, liess sie einen Wind. Darauf weinte sie und flehte die Kuh an: »Ach, ich that dies ganz unbewusst, sage es nur ja keinem Menschen! Wenn du es einem Menschen mitteilst, und mein Mann es hört, so wird es mir, der kürzlich zu ihm Gekommenen, grosse Schande machen.« So flehte sie und jammerte und bat die Kuh, es niemand zu sagen. Da dachte die Mutter, es ist schon lange her, dass die Schwiegertochter hinausgegangen ist, um die Kuh zu[187] melken, weshalb kommt sie nur nicht? und ging selbst hinaus. Als die Mutter herauskam, lag die Schwiegertochter vor der Kuh und bat. Da fragte die Mutter: »Was ist dir mein Kind?« Die Schwiegertochter sprach: »Als ich die Kuh melkte, liess ich einen Wind, jetzt sitze ich hier und bitte die Kuh, es niemand zu sagen.« Da ging die Mutter ins Haus, holte eine Schüssel Kleie, gab sie der Kuh und bat auch die Kuh, das Geschehene niemand zu sagen. Nach einiger Zeit kam der Vater. »Was habt ihr da?« sprach er. Da erzählte ihm die Mutter, was der Schwiegertochter beim Melken zugestossen, und dass sie jetzt da sässen und die Kuh bäten, es niemand zu sagen. Da ging auch der Vater ins Haus, holte eine Schüssel Kleie heraus und gab sie der Kuh. So sassen alle drei da und jammerten, die Kuh anflehend.

Nach einiger Zeit kam der Sohn, er trat ins Haus, fand aber niemand darin. Als er nun in den Stall kam, sassen sein Vater, seine Mutter und seine Frau jammernd vor der Kuh und flehten sie an. Da trat ihr Sohn zu ihnen und fragte sie, was ihnen zugestossen sei. Als die Mutter ihm alles erzählt hatte, wurde der Sohn zornig und sprach: »Finde ich heute noch drei Menschen, die so thöricht sind wie ihr, so will ich euch nicht töten, finde ich sie aber nicht, so töte ich euch.« Darauf ging er fort, um die Narren zu suchen.

Als er des Weges ging, kam er zu vier Menschen, die vermochten einen Baum nicht in ein Haus zu bringen, denn sie trugen den Balken der Quere nach gegen die Thür, da stemmte er sich natürlich gegen die Thür(pfosten) und sie vermochten ihn nicht zu bewegen. Da legten sie sich und hielten Rat. Zwei sprachen: »Wir wollen den Balken zerschneiden.« Der Besitzer des Balkens aber sprach: »Ich brauche einen Balken von dieser Länge.« Darauf sagten zwei andere: »Nun so wollen wir die Thür zerbrechen.« Als sie sich nun daran machten, die Thür zu zertrümmern, kam jener Jüngling und fragte sie, was sie vorhätten, und[188] diese erzählten ihm alles. Der Jüngling sprach: »Wenn ihr den Balken der Länge nach tragt, wird er dann anstossen?« Da brachten sie den Balken der Länge nach ins Haus. Da waren die Leute sehr froh und meinten, ein Mensch, der so eine Sache verstehe, müsse sehr klug sein. Sie hätten, wenn dieser nicht gekommen wäre, die Thür unbedingt zerstört.

Als jener nun wieder eine Strecke gegangen war, sah er, wie ein Narr Baumwollenstauden gepflanzt hatte. Die Stauden waren hoch gewachsen, da hatte er sie bewässert. Nun war ein Kamel in das Feld gegangen. Da sprach der Besitzer: »Wenn ich dieses Kamel heraustreibe, so wird es die frisch bewässerte Pflanzung zertreten.« Darauf hatte er zehn oder fünfzehn Narren herbeigerufen und ihnen die Sache mitgeteilt. Diese sprachen: »Wir wollen dasselbe umwerfen, ihm die Füsse binden und es herausschleppen!« Zwanzig Menschen vermochten aber nicht das Kamel herauszuzerren. Da kam jener Jüngling zu dieser Stelle und fragte sie, was ihnen zugestossen sei. Da sprach der Besitzer des Baumwollenfeldes: »Dies ist meine Baumwolle, ich habe sie jüngst bewässert, da ist nun dies Kamel hineingeraten. Treibe ich es hinaus, so zertritt es die Stauden, darum haben wir ihm die vier Füsse zusammengebunden und wir wollen es jetzt herausschleppen.« Da lachte der Jüngling und sprach: »Seid ihr nicht Narren? Kann nicht jemand das Kamel beim Leitstrick nehmen und herausführen? Wird es dann wohl viel zertreten? Wenn ihr nun, die ihr so viel Menschen seid, das Kamel umwerft, seine Füsse fesselt und es herausschleppt, werdet ihr sehr viel Stauden zertreten und euch grossen Schaden machen.« Da banden sie die Füsse des Kamels los, und ein Mensch führte dasselbe beim Leitstrick aus dem Felde. Da waren alle Leute froh und wunderten sich über die Klugheit dieses Menschen.

Darauf sprach dieser Jüngling: »In dieser Stadt sind sehr viele Narren, nicht allein mein Vater, meine Mutter[189] und meine Frau sind Narren, ich werde sie daher nicht töten.« So sprechend, ging er nach Hause.111

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 187-190.
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