10. Ababalaq.1

[45] Ein Araberscheich befahl seinem Koch, jedem Armen, der bei ihm speisen würde, noch ein Goldstück zu schenken. Ein Derwisch besuchte die Armenhalle dreimal an einem Tage und bekam drei Goldstücke; als nun der Koch ihm vorwarf, er schäme sich nicht, soviel Geld zu nehmen, erwiderte ihm der Derwisch, Ababalaq sei besser als der Scheich. Als dieser davon hörte, liess er den Derwisch gebunden in seinem Palast verwahren, bis er die Richtigkeit seiner Worte festgestellt habe. Nach[45] langer Wanderung fand er schliesslich den Ababalaq und bat ihn um seine Frau; dieser bewirtete ihn und entliess ihn dann samt seiner Frau. Der Scheich brachte sie in sein Land, gab ihr eine eigene Wohnung und befahl seinen Dienern, sie als seine Mutter zu behandeln.

Unterdes verliess Ababalaq infolge eines Streites mit seinen Oheimen die Heimat und kam samt seinen Söhnen und seinen Brüdern ins Land des Scheichs, der ihm ein Grundstück zum Wohnsitze schenkte. Einst besuchte der einzige Sohn des Scheichs das Haus Ababalaqs, blieb die Nacht dort und wurde von dessen Bruder aus Versehen getötet; der Scheich aber zürnte nicht, sondern befahl, die Leiche des Sohnes zu holen und zu begraben. Nach einiger Zeit liess er dem Ababalaq sagen, er solle einen seiner Söhne zu ihm schicken, da er ihn töten wolle, um seinen Rachedurst zu befriedigen. Jener tat es, und der Scheich verheiratete ihn heimlich mit einer seiner sieben Töchter. So heirateten alle sieben Söhne Ababalaqs die sieben Töchter des Scheichs. Zuletzt liess dieser den Vater selbst zu sich kommen, damit er ihm den Kopf abhaue; Ababalaq erklärte ihm ruhig, er sei dazu bereit. Da liess ihm der Scheich seine Frau und seine Söhne mit deren Frauen vorführen und schenkte ihm das Leben. Glücklich kehrte Ababalaq samt seiner Familie in die Heimat zurück. Der eingesperrte Derwisch aber ward freigelassen.

1

Ebenda 5, 111–115.

Quelle:
Chalatianz, Bagrat: Kurdische Sagen. In: Zeitschrift für Volkskunde 15-17 (1905-1907), S. 45-46.
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