Der Oschidori.

[259] Der blutige Bürgerkrieg zwischen den Anhängern des rechtmäßigen Kaisers Go-Daigo und der Partei der Hojo-Familie, welche zu Beginn dieses Streites im Besitze der höchsten Aemter und fast aller Macht im Lande war, griff tief in die Verhältnisse gar mancher Familien ein, und vielfach hatten die Fürsten und vornehmen Landadligen, welche dem Kaiser treu ergeben waren, zu Anfange jener Wirren schwere Leiden zu erdulden.

Zu denselben gehörte auch Yuki Mitschitada, der Besitzer eines kleinen Fürstenthumes in Oschiu, in Norden des Reiches. So lange Frieden herrschte, lebte er ganz der Kunst und Wissenschaft, und sein Hauptvergnügen bestand in der Pflege von Kunstgärten,[259] die er in großer Vollkommenheit und Schönheit herzurichten wußte, und in denen er namentlich eine große Menge seltenen Geflügels jeglicher Art unterhielt.

Seine Leute hingen ihm, da er ein milder, freundlicher Herr war, mit großer Liebe an, und namentlich galt dies von einem der Krieger seiner Leibwache Namens Hayato. Da derselbe täglich im Palaste ein- und ausging, so konnte es nicht fehlen, daß er die Dienerinnen der Fürstin öfter sah und auch von ihnen bemerkt wurde. Da entspann sich allmälig zwischen Hayato und einem jener Mädchen, der schönen Kikuno, eine gegenseitige Zuneigung. Dieselbe war allerdings vor der Hand hoffnungslos, denn die jungen Leute hatten keine Mittel, einen eigenen Hausstand zu gründen; allein sie vertrauten auf die Götter und hofften fest, mit der Zeit an das Ziel ihrer Wünsche zu gelangen.

Kikuno freute sich nicht minder als alle ihre Genossinnen der schönen Enten, Fasanen und Pfauen, welche Yuki's Hof und Garten zierten; ganz besondere Theilnahme aber widmete sie, seit in ihrem Herzen die Liebe zu Hayato aufgekeimt war, den Mandarinenenten, welche in Japan Oschidori heißen; denn deren Gattenliebe ist so groß, daß man sie im Volke häufig »Mann und Frau« nennt. Kikuno hegte den festen Glauben, daß alles gute, was sie diesen zärtlich liebenden Wesen thäte, dazu beitragen würde, ihr und ihrem Hayato dasselbe Glück zu verschaffen, dessen sich diese Thiere erfreuten.

Auf diese Weise kam es, daß sie einstmals Hayato aufs ernstlichste bat, doch einem Paare solcher Oschidori, welches besondere Anhänglichkeit an sie zeigte, die Freiheit zu verschaffen, und Hayato willigte auch sofort ein. Er benutzte die erste Gelegenheit, wo er mit Yuki eine Unterredung hatte, um diesen darauf aufmerksam zu machen, wie traurig gerade jener Oschidori den Kopf hängen ließe, und wie er den Verlust der Freiheit zu bedauern schiene. Yuki ging auf den Vorschlag ein, das Thier in Freiheit zu setzen, und da es unmöglich war, eines der Thiere allein fliegen zu lassen, so wurde mit dem Oschidori auch sein[260] Weibchen befreit. Beide jubelten laut, als sie der Gefangenschaft entflogen, und es wollte Hayato scheinen, als wenn sie durch ihr Freudengeschrei sich besonders dankbar gegen ihn bezeigen wollten.

Inmitten dieses friedlichen Lebens im Schlosse Yuki's erscholl der Kriegesruf. Der Kaiser erließ ein Aufgebot an alle seine Anhänger und an alle wahren Vaterlandsfreunde, ihm gegen die Hojo's zu Hülfe zu ziehen, und so durfte Yuki nicht zögern, zu den Schaaren des Kaisers Go-Daigo zu stoßen. Er that dies aber mit schwerem Herzen, denn ihm ahnte nichts gutes, und besonders ermahnte er seinen Oberbeamten Takahama, welchem er alle seine Habe und seine Familie beim Abschiede anvertraute, ja wachsam zu sein und vor allen Dingen seinen noch unmündigen Sohn Kojiro aufs sorgsamste zu hüten.

Was Yuki befürchtet, trat nur allzubald ein; das ganze kaiserliche Heer ward geschlagen, der rechtmäßige Herrscher selbst in die Gefangenschaft geschleppt, und was irgend konnte, suchte sich in eiliger Flucht zu retten.

Yuki aber war in der Schlacht zum Tode verwundet. Seine Getreuen schleppten ihn aus dem Handgemenge und machten sich so schnell als möglich auf den Weg nach der Burg ihres Herrn. Noch hofften sie, daß Yuki wenigstens bis dahin am Leben bleiben und die letzten Anordnungen hinsichtlich seines Nachlasses treffen könnte; allein auch dies war ihm versagt, er verschied in den Armen Hayato's, der den Sterbenden noch mit dem Gelöbnisse tröstete, daß auch er sich des verwaisten Sohnes des Yuki, des Kojiro, mit unverbrüchlicher Treue annehmen wolle. Bevor jedoch Yuki verschied, gelobte er noch, auf ewig und immerdar, auch nach dem Tode, Rache an den Hojos zu üben, und verschwor sich, sein Geist werde nun und nimmermehr Ruhe finden, bevor deren Schicksal erfüllt und ihr Untergang erfolgt sei.

Als der Trauerzug auf Yukis Stammschlosse anlangte, war auch dort das Leid und die Bekümmerniß groß. Ein Bruder Yuki's, Hiogo, hatte die Wirren des Reiches und Yuki's Tod[261] benutzt, um sich die Herrschaft von dessen Besitzungen anzueignen. Er selbst hatte sich schlauer Weise so lange vom Kampfe zurückgehalten, bis er sah, wohin sich die Wage neigte, und hatte nach der Niederlage der Kaiserlichen eilends die Hojo's seiner Ergebenheit versichert. Unter deren Zustimmung hatte er sich alsdann der Burg des Yuki bemächtigt und schaltete und waltete darin als Herr, ohne jede Rücksicht auf seinen Neffen Kojiro. Als nun Hayato nebst dem übrigen Gefolge Yuki's zurückkehrte und der treulose Hiogo sah, daß hierdurch dem jungen Kojiro ganz unerwartet ein Anhang erwuchs, da ergrimmte der Bösewicht gar sehr und beschloß, sich aller, die ihm im Wege standen, sobald als irgend möglich zu entledigen.

Auf Hayato aber warf er den wüthendsten Haß. Er hatte nämlich gleich bei seiner Ankunft auf der Burg die schöne Kikuno wohl bemerkt und sofort eine heftige Leidenschaft für sie gefaßt. Sie hatte ihn zwar mit großer Entschiedenheit zurückgewiesen, allein er hatte immer noch gehofft, ihren Widerstand zu überwinden, bis er gewahrte, daß zwischen Kikuno und Hayato ein Einverständniß stattfand. Dies benutzte er nun sofort, um die grimmigsten Beschuldigungen gegen die beiden zu erheben, und da er selber über die Aermsten Recht zu sprechen hatte, so war deren Schicksal von vornherein besiegelt. Gefesselt standen sie im Hofe der Burg und harrten des Todesurtheils, während die Schergen Hiogos sich bereits anschickten, erst der Kikuno und dann dem Hayato, an dessen Schmerz beim Tode der Geliebten sich der Barbar erst noch weiden wollte, das Haupt abzuschlagen.

Da aber, eben noch im rechten Augenblick, erhob sich Stimmengewirr am Schloßthor; ein Bote drängte sich ungeduldig heran, bis er vor Hiogo stand, und verkündete, er komme im Namen ihres gemeinsamen Herren und Gebieters, des Hauptes der Hojo-Familie. Diesem sei ein Erbe geboren, und in Folge dieses frohen Ereignisses habe der mächtige Herrscher des Landes befohlen, daß allen Verbrechern und allen eines Verbrechens Angeklagten im ganzen Reiche Leben und Freiheit geschenkt werden solle, auch[262] wenn sie noch so schlimmes verübt hätten. Zähneknirschend fügte sich Hiogo, der in Gegenwart des Boten nicht wagen durfte, seinem Oberherren und Gönner ungehorsam zu sein; man band Kikuno und Hayato los und ließ sie ziehen. Vorsorglicher Weise war der Bote zugegen geblieben, bis sie das Schloßthor passirt hatten; dann folgte er ihnen und geleitete sie auch noch bis in den nächsten Wald. Als sie aber dort angelangt und einigermaßen in Sicherheit waren, da vernahmen sie zu ihrem unaussprechlichen Erstaunen aus dem Munde des Boten, er sei nicht, was er scheine, sondern Niemand anders als eben jener Oschidori, jene Mandarinenente, welche einst auf ihre Veranlassung sammt ihrem Weibchen die Freiheit erlangt habe. Es sei nur die schuldige Dankbarkeit, welche ihn getrieben, jetzt gleiches mit gleichem zu vergelten. Zu diesem Behufe habe er selber eigens eine List ersonnen und ausgeführt, habe die Gestalt eines Boten des obersten Gewalthabers angenommen und durch seine Dazwischenkunft sie beide von Schmach und Tod gerettet. Sie möchten sich nunmehr vor dem tyrannischen Hiogo wohl in Acht nehmen, vor allen Dingen aber sollten sie ihre Freiheit benutzen, um ihren jungen rechtmäßigen Herren, den Kojiro, aus den Klauen seines ruchlosen Oheims zu retten. Nach diesen Worten ward der Bote wieder zu einer Ente und flog von dannen.

Während nun Hayato und Kikuno ein sicheres Versteck suchten, von dem sie Botschaft an Kojiro gelangen lassen könnten, häufte Hiogo eine Missethat auf die andere. Zwar wagte er noch nicht, an Kojiro Hand anzulegen; allein den Oberbeamten Yuki's, Takahama, zwang er durch die erlogene Beschuldigung, daß er mit Yuki's Wittwe ein strafbares Verhältniß unterhalte, sich den Bauch aufzuschlitzen, und nachdem dies geschehen, ließ er die Wittwe seines Bruders grausam ermorden. Kojiro, den er gefangen hielt, mußte alle diese Greuel mit eigenen Augen ansehen und durfte sich nicht verhehlen, daß jeder Tag ihm ein ähnliches Schicksal bereiten könne.

Da erschien endlich ein Abgesandter von Hayato und Kikuno,[263] die bei braven Bauersleuten eine Unterkunft gefunden hatten und dort vor Hiogo's Nachforschungen geborgen waren. Ein einfacher Landmann hatte sich aus freien Stücken erboten, zu dem armen Kojiro zu, gehen und ihm zur Flucht behülflich zu sein, und da man gegen den Bauersmann nicht den mindesten Argwohn hegte, so war der Anschlag auch glücklich gelungen. Kojiro floh zu Hayato und Kikuno; hier vermochte er unter treuer Hut wieder aufzuathmen und sich von allem erduldeten Schrecken zu erholen.

Ein Mittel, an dem Bösewicht gerechte Vergeltung zu üben, hatte sich jedoch immer noch nicht finden wollen, als endlich der Götter Wille einen Fremden in die Gegend führte, einen Mann aus Schikoku, Namens Hagiu Yoschi. Derselbe war weit umhergereist und befand sich auf dem Wege über die wilden Gebirge des Inneren des Landes in der Nähe von Yuki's Stammsitze, als er einmal zu seiner großen Bestürzung in einer Einöde von der Nacht überfallen wurde. Während er vergebens sann, wie er sich wohl den drohenden Gefahren der Wildniß entziehen könnte, trat ein schwarzgekleideter Priester auf ihn zu, der ihm Muth zusprach, zugleich aber sagte, er sei gekommen, um ihm etwas wichtiges zu zeigen. Er führte Yoschi an einen Berg, und hier erblickte derselbe eine eiserne Pforte, die er vorher nicht gesehen. Auf einen Schlag, den der Priester mit einer Gerte dagegen führte, sprang sie auf, und nun sah Yoschi, wie böse Geister eine arme Seele aufs entsetzlichste quälten und verhöhnten. Fragend blickte er den Priester an, und dieser eröffnete ihm, das sei die Seele Yuki's, die keine Ruhe finden könne und unablässig von dem Schwur, den er in seiner Todesstunde gethan, gequält werde. Es sei jedoch der Götter Wunsch, daß ihm geholfen werde, und wenn Yoschi sich der Aufgabe unterziehen wolle, zu Yuki's Erlösung beizutragen, so möge er Yuki's Sohn aufsuchen und diesen zur Uebernahme der Rachepflicht und zum Kampfe gegen die Hojo's anspornen. Yoschi versprach dies, und als ihn der Priester nun aus dem Berge ins Freie geleitet, da dämmerte auch schon der Morgen heran, und er konnte seine Wanderung fortsetzen.[264]

Yoschi, ein frommer und gewissenhafter Mann, ging ohne Aufenthalt zu der Burg, die Yuki gehört hatte, erfuhr hier aber, wie Hiogo sich derselben bemächtigt und dem Sohne seines Bruders nachgestellt habe, so daß dieser entflohen und verschollen sei. So mußte er sich hier damit begnügen, an Yuki's Grabstätte zu beten und ihm fromme Rauchopfer darzubringen. Während er dies aber that, hörte er eine klagende Stimme, die den Anfang eines Verses hersagte. Zuerst bestürzt, behielt er gleichwohl die Worte im Gedächtniß und suchte die Strophe zu vollenden, und als ihm dies gelungen, antwortete er jener Stimme mit dem Schlusse des begonnenen Verses. Da aber ertönte aus dem Grabe dieselbe Stimme und sagte in hoffnungsvollerem Tone: »Wohl mir, dies verheißt mir baldige Erlösung! Wisse, o Fremdling, ich bin der Geist Yuki's, des verstorbenen Herren dieses Schlosses, unablässig gequält durch Racheschwüre, die ich in der Todesstunde ausstieß, und deren Erfüllung unmöglich scheint. Und gleichsam zum Zeichen dessen heulten mir die bösen Geister, die mich quälen, immerfort den unvollendeten Vers vor, den ich im Begriffe war, zu dichten, als des Kaisers Aufgebot mich gegen die Hojo's zu den Waffen rief. Nun hast du den Vers vollendet, und das ist die erste gute Vorbedeutung, die mir seit meinem unseligen Tode, der auch die Meinen ins Verderben stürzte, zu Theil wird. Habe also Dank, o Fremdling, und wenn du mir ferner helfen willst, so wird mein Geist nie aufhören, für dein Wohl und deinen Schutz thätig zu sein.«

Yoschi machte sich nun mit Eifer auf den Weg, um Kojiro zu suchen, und ein glücklicher Zufall wollte, daß er sehr bald mit Kikuno selber zusammentraf. Es währte lange Zeit, bevor diese sich entschließen konnte, zu einem gänzlich Unbekannten volles Vertrauen zu fassen; allein allmälig vermochte Yoschi doch alle ihre Besorgnisse hinsichtlich seiner Absichten zu zerstreuen, und so führte sie ihn zu Kojiro und Hayato. Nachdem Yoschi nun sein wunderbares Zusammentreffen mit Yuki's Geist erzählt, zweifelte keiner von ihnen daran, daß der Götter Beistand nahe[265] sei, und Kojiro entschloß sich, sein Versteck zu verlassen und zu dem Heere zu stoßen, welches gerade zu jener Zeit der Feldherr Kusunoki für den Kaiser zu sammeln begonnen hatte.

Als Kojiro dort anlangte, fand er dasselbe bereits zu einem großen Haufen angewachsen, da der tapfere Nitta Yoschisada sich der Sache des Kaisers angeschlossen hatte. Zu diesem begab sich Kojiro und klagte ihm, wie treulos sein Oheim gehandelt, und wie grausam er durch diesen seiner Mutter beraubt sei, und der Feldherr sprach ihm darauf ohne weiteres die Herrschaft über das väterliche Besitzthum zu und ermächtigte ihn, an seinem Oheim nach Belieben Rache zu üben. Zuvörderst aber trat Kojiro in die Reihen der kaiserlichen Streiter und verrichtete bald Wunder der Tapferkeit. Mehrere der feindlichen Führer erlegte er mit eigener Hand, und nie war ihm eine Wunde beigebracht; er fühlte wohl, daß seines Vaters Geist über ihn wachte, und dies spornte ihn zu immer kühneren Thaten an.

Endlich war die Entscheidungsschlacht bei Kamakura geschlagen; Kojiro, in Feindesblut gesättigt, konnte mit dem frohen Bewußtsein heimkehren, daß er seines Vaters Geiste volle Ruhe erstritten habe. Nun aber harrte seiner die nicht minder heilige Pflicht, den schmachvollen Tod seiner Mutter zu rächen.

Die Ausführung dieses Vorhabens war schwerer als man dachte. Hiogo hatte die Zwischenzeit steißig benutzt, um Leute, die ihm ganz ergeben waren, um sich zu sammeln, und da er auf Hülfe seitens der Hojo nicht mehr rechnen konnte, hatte er seine Burg stark befestigt und vermeinte, in derselben allen Anschlägen Kojiro's Trotz bieten zu können. Rathlos stand die kleine Schaar, welche dem rechtmäßigen Erben gefolgt war, Hayato und Kikuno einbegriffen, draußen auf den Bergen; keiner von ihnen vermochte einen Plan zu ersinnen, wie man dem unrechtmäßigen Besitzer, dem Missethäter Hiogo, beikommen könnte.

Aber der Oschidori, ihr treuer Freund, war in der Nähe, und als dieser gewahr ward, in welcher großen Verlegenheit sich[266] Kojiro und sein Gefolge befand, da beschloß er, abermals ihnen zu helfen. Er verwandelte sich auch diesmal in einen Boten, der an Hiogo's Burg anklopfte und vor den Herren gelassen zu werden verlangte. Vor Hiogo geleitet, sagte er zu diesem: »Ich komme von der schönen Kikuno, zu der du damals, als du nach deines Bruders Tode diese Burg in Besitz nahmest, in Liebe entbranntest. Sie hat mich beauftragt, dir zu sagen, daß sie von deiner Zuneigung und Beständigkeit gerührt ist und die deine werden will, wenn du gelobst, sie zu deiner rechtmäßigen Gemahlin zu machen. Alsdann willigt sie ein, beide, den Kojiro und den Hayato, in deine Gewalt zu geben.« Dabei wies er allerlei Gegenstände vor, die, wie er sagte, Kikuno ihm zu seiner Beglaubigung mitgegeben, die indessen nur Blendwerk waren, welches er durch Zauberkunst hergestellt hatte. So bewirkte er, daß der Verräther ihm Glauben schenkte und versprach, zu dem Orte zu kommen, wo ihn Kikuno im geheimen treffen sollte.

Nun aber eilte der Oschidori zu Kikuno und erzählte ihr, was er gethan, und Kikuno, begierig, den Bösewicht, der ihr nach dem Leben getrachtet und sie in die Verbannung getrieben, mit eigener Hand zu bestrafen, begab sich mit einem scharfen Dolche bewehrt zu dem Stelldichein. Als Hiogo ihr nahete, stürzte sie sich auf ihn und durchschnitt ihm die Kehle.

Jetzt war Kojiro unbestrittener Herr der Burg seiner Väter. Er erhob Hayato und dessen Gattin Kikuno zu hohen Ehren und blieb ihnen Zeit seines Lebens in treuer Dankbarkeit zugethan. Der Oschidori aber ward ebenfalls hoch verehrt; man errichtete eine Gedenktafel, mit seinem und seines Weibchens Bilde geziert, in einem benachbarten Tempel, und so oft der Festtag wiederkehrte, welchen alljährlich die frommen Japaner durch Ankaufen und Freilassen von allerhand Thieren zu begehen pflegen, versäumten weder Kojiro, noch Hayato nebst seiner Gattin, recht viele Oschidori in Freiheit zu setzen.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 259-267.
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