Sankei.

[316] Sankei war ein sehr frommer Mönch in einem Kloster, das nicht sehr weit von der Hauptstadt Japans in der Provinz Schimosa gelegen war. Sehr oft gelang es ihm, durch seine Gebete die Götter für Gläubige, die ihn um seine Vermittelung angingen, günstig zu stimmen, und so kam es, daß die Landleute ihn oft baten, er möge günstige Witterung für sie erflehen.

So waren sie einstmals auch zu ihm gekommen, damit er ihnen nach einer ungewöhnlich lange anhaltenden Dürre zu Regen verhülfe, und er setzte sich auch augenblicklich zum Gebete nieder. Anfangs blieb der Regen noch aus, und nun kamen die übrigen Mönche und Priester seines Klosters, die schon lange auf sein großes Ansehen unter den Umwohnenden neidisch waren, und fingen ihn zu verhöhnen und zu verspotten an. Kaum aber hatten sie damit begonnen, so zog eine dunkle Wolke heran, die sich gleichsam unter Sankei's Befehl stellte. Sie wetterleuchtete, aber kein Donner und kein Blitzstrahl fuhr nieder, und alsobald begann sie einen wohlthuenden Regen auf die ausgetrockneten Fluren herabzusenden. Nun waren die neidischen Genossen Sankei's tief beschämt, die Landleute aber priesen ihn mehr als je zuvor.[316]

Die göttliche Gnade offenbarte sich aber noch weit mehr an ihm; der Donner, den die Wolke zurückbehalten, gehorchte ganz seinem Winke. Sankei hatte vor kurzem viele Klagen über den Vorsteher eines der naheliegenden Dörfer vernommen, der sehr eigenmächtig verfahren war und sich unrechtmäßiger Weise Land angeeignet hatte, welches Gemeingut und zu einem Wege bestimmt war. Als Sankei davon hörte, hatte er dem Dorfältesten befohlen, das, was er sich unrechtmäßig angeeignet, wieder herauszugeben; dieser aber weigerte sich dessen aufs hartnäckigste. Als nun die Wolke über seinem Haupte stand, lenkte Sankei allen in ihr steckenden Donner auf das Haus des pflichtvergessenen Dorfvorstehers, ohne gleichwohl dem Hause Schaden zu thun. Der Vorsteher merkte dies sehr bald und ließ sich daher das Donnergeräusch wenig anfechten; er war ein verstockter Sünder, und so dauerte es sieben volle Tage, bis ihn endlich bei dem unaufhörlichen Poltern des Donners auf seinem Dache unheimlich zu Muthe ward und er reumüthig in sich ging. Nun that er demüthig dem Sankei Abbitte, gab alles ungerechte Gut heraus und gelobte Besserung für alle Zeiten. Darauf hieß Sankei den Donner aufhören, und gehorsam dem Worte des frommen Priesters schwieg derselbe im nämlichen Augenblick.

Quelle:
Brauns, David: Japanische Märchen und Sagen. Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, 1885, S. 316-317.
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