II. Beschreibendes aus Korea.

[10] Der Koreaner ist ein grosser Freund der Natur. Nichts in derselben entgeht seiner Beachtung, wenn er durch die Felder oder auf den Bergen umherstreift und die Berge und Hügel selbst gewahren einen reinlichen und hübschen Anblick. Weil das Gesetz verbietet, an anderen als den vorgeschriebenen Plätzen Bäume zu fallen, so ist die Folge davon, dass der Landmann alles dürre Laub, alle abgestorbenen Reiser sorgfältig zu seiner Feuerung sammelt und dies erklärt die Sauberkeit in Feld und Flur. Die Blumen, welche von Frühlings Anfang bis Ende Herbst die Erde schmücken, haben alle ihre Namen. Die Mah-huh blüht oft wenn der Schnee noch den Grund bedeckt und ist dem Koreaner der Bote des Lenzes und im entgegengesetzten Falle blühen noch immer die Chrysanthemonen, wenn längst Schnee und Eis den Winter kennzeichnen. Millionen von duftigen, farbenprächtigen Blumen schmücken im Sommer die Gärten, und die Hügel sind mit herrlichen, wilden Blüten bedeckt, bis dann wieder die grossen Lilien im Thale das Nahen des Herbstes verkünden.

Auch das Leben der Vögel, ihr Kommen und Gehen, sowie ihr Gesang, erregt die Aufmerksamkeit des Koreaners; nach ihrem Gesänge hat er ihnen die Namen gegeben, so z.B. nennt er die wilde Taube »pe-dul-key«, die Krähe »kaw-mah-gue«, die Schwalbe »chap-pie«.[11]

Nach einem Vogel, dem Oirol, hat er folgende Sage erdacht: Vor langen Zeiten hatte eine der vielen Palastdamen ein geheimes Liebesverhältnis mit einem vornehmen Beamten des Königs; dasselbe ward entdeckt und sie sollte mit dem Tode bestraft werden. Jedoch konnte man nur ihren Körper töten, ihr Geist lebte fort und ging in den Körper eines Vogels über, der nun nach dem Palast flog und kim-pul-lah-go, kim-pul, kim-pul-lah-go sang und weil er keine Antwort erhielt mit traurigen Tönen fortfuhr: kim-poh-go-sip-so, was so viel heisst als: rufe Kim, oder sage Kim er soll kommen, sage Kim ich will ihn sehen! Heute noch, wenn die Frauen und Mädchen Koreas den Vogel seine Klagelaute ausstossen hören, lauschen sie mitleidsvoll der Klänge und gedenken der armen Liebenden, die ihren Kim sucht, ohne ihn finden zu können. Ein anderer Trauervogel ist ihnen der Kuckuck; doch hören die Koreanerinnen seine Stimme nur ungern. Der pe-chu-kuk, ein wilder Gebirgssänger, zeigt dem Menschen die Nähe von Räubern an, kommt er aber zu den Häusern der Menschen und singt dort, so bedeutet sein Gesang, dass die Reisernte eine schlechte werden wird und man sich bei Zeiten nach anderen Lebensmitteln umzusehen hat. Geradezu verhasst ist ihnen die Krähe, weil sie die Kadaver toter Tiere verzehrt und das gefürchtete Fieber, »Jim-pyung«, mit sich bringt.

Hingegen erfreut sich die Elster, das zeternde, hässliche Tier, ihrer besonderen Vorliebe; ihr grosses Nest ist gern in der Nähe der Wohnhäuser gesehen und ist dort ganz sicher. Die Gesellschaft der Elster gilt namentlich morgens für glückbringend. Sie scheint aber auch Freund und Nachbar der Schwalben zu sein, die ihre Nester unter den Ziegeln der Dächer bauen, denn wenn eine der Schlangen, die sich in ganzen Scharen auf den Dächern der koreanischen Häuser aufhalten, sich ein junges Schwälbchen zur Mahlzeit geholt hat, so fliegen die Alten zur frechen Elster, die dann sogleich die Schlange mit ihrem spitzen Schnabel verscheucht, mit[12] dem sie sie in den Kopf pickt. Schreit die Elster morgens, so können die Hausbewohner Gutes erwarten; glückbringende Briefe werden ankommen, oder die Nachricht, der Bruder in der Residenz hat eine Prüfung gut bestanden und ist Beamter geworden, oder auch der Vater kehrt von der Reise heim und ähnliches mehr. Lässt die Elster jedoch abends ihr Geschrei hören, so kann man sicher sein, dass sich Diebe die Dunkelheit zu nutze machen werden, um einen Einbruch zu versuchen; nachmittags kündet ihr Gekrächze den Besuch von Fremden an, die sehr viel verzehren werden. – Der Gans rühmen die Koreaner grosse Wachsamkeit nach und bewundern ihren Mut, mit dem sie oft fremde Menschen erfolgreich aus Haus und Hof treibt. Die wilde Gans aber ist ein in Korea hochgeschätzter Vogel. Er spielt eine grosse Rolle bei den Hochzeitsfeierlichkeiten und niemand würde daran denken sich zu verheiraten, wenn ihm seine Zukünftige nicht am Hochzeitsmorgen einen solchen Glücksvogel überreicht hätte – wäre er selbst nur für die kurze Zeit der Zeremonie geborgt worden. Der Grund dafür ist die Sage, welche erzählt, ein Jäger habe einst das Männchen einer wilden Gans geschossen und sah darauf immer das trauernde Weibchen zur selben Stelle zurückkehren, wo sein Gefährte getötet wurde. Ebensolche Treue soll das Weib seinem Manne entgegenbringen und mit dem Geschenk der wilden Gans geben sie ihr Versprechen ewiger, ehelicher Treue ab, wobei sie die Worte sprechen: jetzt ist unser Haupthaar noch so schwarz wie die Federn der wilden Gans, wird es aber weiss, wie die Faser der Zwiebelwurzel sein, so wollen wir doch noch so treu zu einander wie heute sein.

Ein anderer, sehr geachteter Vogel ist der weisse Storch; viele Geschichten erzählen davon, wie gut er dem Menschen geholfen; eine derselben ist die, dass ein Storch zur Rettung eines Menschen versuchte, einer grossen Glocke Töne zu entlocken und sich dabei den Schnabel stückweise abgebrochen. Eine andere erzählt, dass einstmals ein Jäger eine[13] Schlange mit einem Pfeilschuss tötete, welche eine auf dem Neste sitzende Störchin erwürgen wollte. Zum Danke dafür zog ihm später der Storch mit dem Schnabel eine Schlange aus dem Magen, die der Jäger beim Wassertrinken aus der Quelle verschluckt hatte. Er that es so geschickt, dass der Mann weder Schmerzen noch Verwundung davon trug.

Die Schwalben sind gern gesehene Gäste; die Sperlinge hingegen tötet der Koreaner, sowie er die Gelegenheit dazu findet. Der liebste Vogel ist ihm aber der Kranich. Er wird in Edelstein und in Elfenbein geschnitten oder prangt kunstvoll in Seide gestickt auf den Brust- und Rückenschildern vornehmer Beamten. Er schwebt über den Schlachtfeldern bei ihren Kämpfen und bringt den koreanischen Waffen den Sieg. Er fliegt bis in den Himmel, um sich von dort Rat zu holen, daher ist er auch so sehr klug und die Sage erzählt ferner von ihm, dass er sogar einstmals einen Mann in den Himmel getragen habe und daher glauben die Koreaner auch, dass er in alten Zeiten seiner Stärke und Klugheit wegen als Reittier benutzt wurde.

Die Tiere haben ihre Geschichte in Korea; aus den folgenden Legenden werden wir sehen, welche wichtige Aemter ihnen zugeteilt wurden.

Quelle:
Arnous, H.G.: Korea. Märchen und Legenden nebst einer Einleitung über Land und Leute, Sitten und Gebräuche Koreas, Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, [1896], S. 10-14.
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