XVIII
b) Der Fuchs und der Rabe.

[134] Die bekannte äsopische Fabel (Aes. 204).


In seinem Ärger ging er ins Gebirge. Da erblickte er einen schwarzen Raben auf einem hohen Baume hocken, der hatte ein Stück Käse im Munde. Er bekam gar grossen Appetit nach dem Käse, und da ging er unter den Baum und begann dem Raben und dem Käse Blicke zuzuwerfen. Er sprach dann zum Raben: »Ich preise sehr den Namen des grossen Gottes. Wie schuf (schafft) er doch ein so schönes Tier wie dich! Wie bist du doch schwarz und von so frischer Farbe. Deine Füsse sind rot und klein und dein Schnabel so zierlich, nicht dick und nicht dünn, sondern gerade, wie man sich es wünscht. Deine Flügel sind breit, nirgends (?) sieht man etwas ähnliches. In jeder Beziehung bin ich mit dir zufrieden. Nur eins weiss ich nicht. Wie deine Stimme ist, weiss ich nicht. Gleicht sie deiner Gestalt oder nicht? Bei deiner Seele, Rabe! lass doch deine Stimme vernehmen, wir wollen sehen, ob sie deiner schönen Farbe gleicht. Ich habe noch niemals deine Stimme vernommen.« Da wurde der Rabe stolz auf sich und breitete seine Flügel aus. Da sprach der Fuchs: »Preis deinem Namen, Herr! wie süss und schön ist doch dieses Tier!« Der Rabe wurde nun noch stolzer und machte: »gigh! gigh!« Als er aber »gigh!« rief, fiel ihm der Käse aus dem Munde. Da lief der Fuchs rasch, rasch heran, packte den Käse und verzehrte ihn. Dann sagte er zum Raben: »Deinesgleichen habe ich schon gesehen, aber so etwas wie diesen Käse habe ich noch nicht gesehen!« So schlau ist der Fuchs.


Ende. Gott sei Preis!

Quelle:
Lidzbarski, Mark (Hg.): Geschichten und Lieder aus den neuaramäischen Handschriften. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1896, S. 134-135.
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