[41] 11. Der Ibis und der Mond

Der Ibis Muregu hatte lange als Einsiedler gelebt. In der Einsamkeit hatte er sich viele Bumerangs, Keulen, Speere, Schilde und Decken aus Opossumfell angefertigt. Die Waffen hatte er schön mit einem Opossumzahn beschnitzt und die Decken auf der Innenseite prächtig bemalt. Dann hatte er sich aus einem Emuknochen eine Nadel gemacht, sie eingefädelt und die Decken mit Opossumsehnen zusammengenäht. Der Ibis beschaute nun ganz stolz [41] seine Arbeit. Da kam der Mond Balu zu ihm und sagte: »Leih' mir bitte eine Decke.« – »Nein,« antwortete der Ibis, »ich verleihe keine Decken.« – »Dann verkaufe mir eine.« – »Nein, ich verkaufe auch keine.« – Balu schaute sich um und erblickte die schön beschnitzten Waffen. »Muregu, verkaufe mir wenigstens einige Waffen.« – »Nein, in verkaufe niemandem etwas von meinen Sachen.« Wieder sagte Balu: »Die Nacht ist kalt, leih' mir doch eine Decke.« – »Ich habe dir meine Meinung schon gesagt,« entgegnete der Ibis, »ich verleihe meine Decken nicht.«

Balu sagte nun nichts mehr; er ging fort, suchte sich einige Rindenstücke und baute daraus eine kleine Hütte. Als sie fertig war, und er behaglich darinnen saß, begann es in Sturzbächen zu gießen. Es regnete ohne Unterlaß, bis die ganze Gegend schließlich unter Wasser stand. Muregu ertrank. Seine Waffen schwammen fort und die Decken verfaulten im Wasser.

Quelle:
Hambruch, Paul: Südseemärchen. Jena: Eugen Diederich, 1916, S. 41-42.
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