3. Die Brotfrucht

[53] Eines Tages ging To Kabinana aus und fing sich sechs lebende Schlangen, die er mit einer Schnur zusammenband. Dann ging er in den Wald, wo an einer Stelle Brotfruchtbäume standen, die allerdings den Teufeln gehörten. Er stieg auf einen Baum hinauf und wollte sich einige Früchte herabholen. Die Teufel paßten aber auf und hüteten ihre Brotfruchtbäume sorgfältig, damit ihnen niemand die Früchte stehle. To Kabinana pflückte trotzdem eine Brotfrucht ab, zog aus dem Bündel eine Schlange heraus und warf beide nach unten, so daß sie mit Gewalt auf den Boden schlugen. Die Teufel hörten das Geräusch und dachten, es wäre jemand bei ihren Brotfrüchten. Als sie aber die Schlange sahen, jagten sie hinter ihr her; auf die Brotfrucht achteten sie weiter nicht.

To Kabinana pflückte eine andere Brotfrucht und warf sie zugleich mit einer Schlange hinab; und die Teufel jagten ihr wieder nach.

So machte er es noch mehrmals, bis die Schlangen aufgebraucht waren. Dann stieg er vom Baum herab.

Während nun die Teufel hinter den lebenden Schlangen im Walde herjagten, las To Kabinana die Brotfrüchte auf und ging heim zu seinem Bruder To Karwuwu. Der fragte ihn: »Bruder, was hast du da für Früchte?« – »Das sind Brotfrüchte!« – »Wo kann man die bekommen?« – »Dort unten.«

»Schön, ich werde mir einige holen, ich werde auch auf den Baum steigen.«

»Du wirst wieder schöne Dummheiten anstellen.«

[53] »Hoho, ich werde schon einige für mich und dich herbeischaffen.«

»Gut, geh nur! Fange dir aber zuvor einige lebendige Schlangen!«

To Karwuwu ging fort; er schlug jedoch die Schlangen tot und stieg damit auf den Baum. Er pflückte eine Brotfrucht ab und warf sie gleichzeitig mit einer toten Schlange hinunter.

Die Teufel jagten ihr nicht nach, weil die Schlange nicht floh; sie blieb auf dem Boden liegen, denn sie war ja tot.

So bemerkten die Teufel auch die Brotfrucht und sagten: »Wer holt da unsere Brotfrüchte herunter und will uns noch obendrein anführen? Kommt, den wollen wir uns kaufen!«

Sie kriegten nun den To Karwuwu zu fassen und verprügelten ihn jämmerlich. Er schrie um Hilfe: »O weh, To Kabinana, mein Bruder! Komm, steh mir bei, blase das Tritonshorn und rühre die Trommeln!«

Als dann To Kabinana ins Muschelhorn stieß und die Trommeln rührte, flohen die Teufel. To Karwuwu konnte vom Baum herabsteigen und begab sich zu seinem Bruder. Der fragte ihn: »Was hast du denn bloß mit den Brotfrüchten gemacht?«

»Ich habe die Schlangen totgeschlagen, und als ich dann eine Brotfrucht und eine tote Schlange hinabwarf, da jagten sie nicht hinterher.«

»O, solch einen Toren wie dich hat die Welt noch nicht gesehen. Ich habe dir doch ganz genau gesagt, es sollten lebendige Schlangen sein. Was sollten sie denn auch hinter einer toten Schlange herlaufen? Nun werden sich unsere Kinder vor dem Teufel fürchten, und er wird sie verfolgen. Und weil du eine tote Schlange vom Baum herabwarfst, werden alle, die vom Baum abstürzen, sich zu Tode fallen.«

Und so ist es gekommen, wer von einem Baum herabfällt, bleibt tot.

Quelle:
Hambruch, Paul: Südseemärchen. Jena: Eugen Diederich, 1916, S. 53-54.
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