Die wunderbare Jungfrau.

[54] Als die Bewohner eines Dorfes nach Jungbunzlau zur Mitternachtsmette giengen, fühlte sich auf dem Wege dahin ein Bursche unter ihnen unwohl und blieb zurück. Da erblickte er ein helles Licht im Walde; er meinte es sei eine Hütte und eilte darauf zu, um sich dort zu wärmen. Allein er konnte es nicht erreichen und sank ermattet zu Boden. Als er wieder zu sich kam, fand er sich in einem schönen Saale an einem geheizten Herde und vor ihm stand eine wunderschöne Jungfrau, die ihm einen Becher Wein kredenzte. Der Jüngling trank und fühlte sich augenblicklich wohl. Da sprach er: »Verzeiht, ich muß nun scheiden, denn ich muß in die Mette gehen.« Da erschrack die Jungfrau und sagte: »Ist es denn jetzt Weihnachten unten auf Erden?« »Ja,« antwortete der Bursch und wollte gehen. Da gab ihm die Jungfrau die Flasche Wein, die auf dem Tische stand, berührte ihn an den Schläfen und augenblicklich schlief der Jüngling ein. Als er erwachte, fand er sich an derselben Stelle, wo er niedergesunken war; nur hielt er die Flasche mit Wein in der Hand. Dieser Wein soll Wunder gewirkt haben und alle, die davon tranken, wurden gesund. (J. Winterberg aus Jungbunzlau.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 54-55.
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