Jungfrau Lida


Jungfrau Lida.

[34] (Panna Lida.)


Unweit von Zbirow liegt mitten in einem Walde unter einer uralten Eiche die Quelle der Jungfrau Lida. An der Eiche hängt ein Bild, worauf die Jungfrau Lida in weißen Kleidern dargestellt ist. Unweit davon ist das Kirchlein zur heil. Dobrotiva (Clementia).[34]

An dieser Quelle soll vor uralter Zeit die Frau Lida, auch die weiße, gütige (dobrotivá) Frau, mit ihren Mägden lange Jahre hindurch gesiedelt haben. Das Volk aus der Umgegend, arm oder reich, kam zu ihr und erflehte von ihr mancherlei Gutes und erholte sich Rathes. Kranke wuschen sich mit dem Wasser der Quelle und wurden gesund. Christliche Priester sollen sie aber später in den Brunnen gebannt haben und nun kommt sie zuweilen aus demselben hervor und bittet die Leute, sie zu erlösen. Ein Priester aus dem Kloster Clementia, sagt man, soll der Glückliche sein, der die Erlösung vollbringen wird. Bei ihren Lebzeiten gieng sie einmal durch diesen Wald. Da kam ein Ritter zu ihr und fragte sie, ob sie ihn liebe, sonst müsse er sie tödten. Sie sagte: Ja. Da kam ein anderer Ritter und fragte sie ebenfalls, ob sie ihn liebe. Die Jungfrau aber sagte: Wie kann ich dich lieben, wenn ich schon einen andern liebe. Da drohte er ihr mit dem Tode. In der Angst sagte sie auch dem zweiten, daß sie ihn liebe. Da nahmen sie die beiden Ritter und rissen sie entzwei und theilten sich redlich in die beiden Hälften. Noch bis auf den heutigen Tag hängt an jener Eiche ein Bild, worauf diese Begebenheit dargestellt ist.

Aus der ganzen Umgegend wallfahrten die Leute nach dem Brunnen der panna Lida. Wenn die Pilger von Zbirow auf den heiligen Berg nach Přibram wallfahrten, halten sie sich stets beim Brunnen der weißen gütigen Jungfrau Lida auf, verrichten daselbst ein Gebet und waschen sich mit dem Wasser Augen, Hände und Füße. Auch schnitzt man aus grünen Zweigen Kreuze und läßt sie in den Brunnen fallen. Bleibt das Kreuz oben schwimmen, so bedeutet es, daß man in demselben Jahre am Leben bleibt, sinkt das Kreuz zu Boden, so ist das ein Zeichen,[35] daß man in diesem Jahre stirbt. Jünglinge und Jungfrauen winden auch Kränzchen und loßen, ob sie im selben Jahre noch heirathen werden. Man schöpft auch das Wasser, um kranke Menschen oder krankes Vieh damit zu waschen und zu heilen. Diese Lida oder weiße Frau soll in den Wäldern und Feldern um Zbirow als Nachtgespenst die Leute, welche sich verspätet haben oder im Freien herumschwärmen, nach Hause treiben. (Maria Krafnetter aus Přibram, vergl. Krolmus, Staročesk. pověst. II. 561.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 34-36.
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