Die weiße Frau von Waldek.
1.

[36] Ein herrschaftlicher Knecht pflegte nach Todtenmaut um Holzkohlen zu fahren, und wie er bei Waldek vorüberfährt, erscheint ihm am Wege die weiße Frau. Er fragt sie: Wer bist du? Sie antwortet: »Die weiße Frau.« Woher? »Von Waldek.« Was verlangst du? »Daß du mich erlösest.« Da fieng der Bursch sich zu fürchten an. Als dies die weiße Frau sah, sprach sie zu ihm: »Fürchte dich nicht« und gab ihm ein Geldstück in die Hand und verschwand. In der Folge zeigte sie sich ihm immer wieder, unterredete sich mit ihm und wenn sie ihm nicht erschien, ließ sie ihm ein Geldstück am Brunnen der Lida liegen. Als sie ihm zum letztenmal erschien, bat sie ihn dringend sich nicht zu fürchten, und um Mitternacht an den Brunnen der Lida oder nach Waldek zu kommen; sie würde ihm dankbar sein und reichliche Schätze verleihen. Er aber schlug es ihr ab. Sie aber bat ihn nur noch dringender, sie zu erlösen. Erst als er ihr es[36] zum drittenmale abgeschlagen hatte, erwiederte sie: »So muß ich noch länger verwünscht sein. Mich wird Niemand erlösen, als ein Priester aus dem Kloster der heiligen Jungfrau Clementia und der wird rothhaarig sein.« Hierauf verschwand sie unter Weinen vor seinen Augen.


2.

Die weiße Frau pflegte ihre Kleider selbst zu waschen und zu trocknen. Einmal nahm ein Schafhirte bei Waldek ihr das weiße Kleid, das sie sich zum Trocknen aufgehängt hatte; sie aber raubte dem Hirten zwei Schafe und behielt sie bei sich. Als nun der Hirt weinend nach Waldek kam und die Schafe suchte, erschien sie ihm wieder und sprach: Jüngling, du erhältst deine Schafe nicht früher zurück, als bis du mir das Kleid zurückgegeben hast. Der Schafhirte lief nach Hause, holte das Kleid und legte es an denselben Ort, wo er es genommen hatte. Hierauf fand er seine Schafe wieder. (Krolmus, Staročesk. pověst. II, 161.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 36-37.
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