27. Das Feuerschloß.

Es war einmal ein Fischer, der saß am Wasser und fischte und saß drei Tage und hatte noch nichts gefangen. Endlich am Abende des dritten Tages wollt er sein Netz aufziehen und nach Hause gehen, doch das Netz war so schwer, daß er es kaum bewältigen konnte. Als er es aber endlich aus dem Wasser hatte, da lag ein großer Fisch darin und der that den Mund auf und sprach: »Hör', Fischer, laß mich gehen.« Als der Fischer hörte, daß der Fisch sprechen konnte, sagte er: »Nun ja, dann spring in Gottes Namen wieder fort,« und warf ihn ins Wasser. Am andern Tage fing der Mann wieder nichts; als er Abends aber sein Netz aufziehen wollte, da war es wieder so schwer und der große Fisch hing wieder darin und sprach: »Hör', Fischer, laß mich gehen.« – »Ja,« sprach der Fischer, »auf die Art habe ich heute Abend wieder nichts zu essen als trocken Brot.« – »Laß mich gehen,« sprach der Fisch, »es wird dein Glück sein.« Da ließ der Fischer ihn wieder in's Wasser springen. Den Tag darauf zog der Fischer abermals leere Netze, des Abends aber lag der große Fisch noch einmal darin und der sprach: »Nun höre, Fischer, und versteh mich wohl. Nimm mich mit nach Haus und laß deine Frau mich zertheilen; dann gibst du deinem Pferde meinen Kopf, deinem Hund meinen Schwanz, die Gräten vergräbst du in deinen Garten und das Uebrige issest du mit deiner Frau. Das ist mein letztes Wort.« Da that der Fischer nach des Fisches Willen und neun Monat später bekam seine Frau drei Kinder, sein Pferd drei Füllchen und sein Hund drei junge Hündlein; aus den Gräten aber waren drei Blumen gewachsen [134] und die Wurzeln von den Blumen das waren drei Schwerter. Der Fischer aber fischte immer zu und hatte sein Netz voll, so oft er aufzog, so daß er ein steinreicher Mann wurde.

Mit der Zeit aber wurden die Füllchen zu Pferden und die Hündlein zu Hunden und die Kinder zu großen und schönen Jünglingen, und die sprachen eines Tages: »Vater, wir wollen die Welt besehen.« – »Das thuet,« sprach der Fischer und schenkte jedem ein Pferd und einen Hund und ein Schwert und da zogen sie zusammen aus und zogen sieben Jahre herum und fanden kein Abenteuer. Da kamen sie eines Tages gegen Abend in einen Wald und banden ihre Pferde an die Bäume und legten sich schlafen; als sie Morgens nun wieder aufwachten, sprach der Aelteste: »Ich habe geträumt, wir müßten uns trennen und jeder eines andern Weges ziehen.« »Das hat uns auch geträumt,« sprachen die beiden Andern und sie setzten sich zu Pferd und ritten aus dem Walde und kamen an einen Dreiweg. Da sprachen sie: »Hier wollen wir uns über ein Jahr und sechs Wochen wiederfinden,« dann schieden sie von einander.

Der Aelteste nun ritt und ritt, bis er in eine schöne Stadt kam, wo ein König wohnte; da gefiel es ihm so gut, daß er beschloß, da zu bleiben. Da er nun alle Tage am Schlosse des Königs vorbeiritt, sah ihn die Königstochter und gewann ihn so lieb, daß sie ihren Vater anlag, er möchte doch den schönen Ritter im Schloß wohnen lassen. Als er aber einmal im Schloß wohnte, da wurde sie von so großer Liebe für ihn entzündet, daß sie ihn eines Tages frug: »Willst du mich nicht heirathen.« Der Ritter sprach: »Ach, allerschönste Königstochter, das wär das größte Glück von der Welt für mich, aber ich bin noch zu jung.« »Nein,« sprach sie, »du mußt mein lieber Mann werden.« Da war er [135] es zufrieden und drei Tage darauf wurde die Hochzeit gehalten und das war eine Freude wie im Himmel. Als nun die Mahlzeit zu Ende war, da fing das Tanzen an und als der Jüngling und die Königstochter müde waren vom Tanzen, gingen sie an ein Fenster, um einmal auszuschauen. Da sah er von Weitem ein großes, großes Feuer und er frug die Königstochter, was das wäre? »Ach,« sprach sie, »da hat schon mancher sein Unglück gefunden, denn wer das Feuer anrührt, der muß sterben.« – »Das will ich doch wissen,« sprach er und ging hinunter und setzte sich auf sein Pferd, und ritt weg, wie sehr ihn seine Braut auch bat, er solle das doch nicht thun. »Ich komme gleich wieder« sprach er und sprengte weg und als er an das Feuer kam, war das ein Schloß, welches golden und glühend leuchtete. Kaum aber hatte sein Pferd noch zwei Schritt weiter gethan und er das Schloß berührt, als er mit seinem Pferd und seinem Hund hinein verwünscht war. Was auf dem Königsschloß für eine Trauer war, das kann man sich wol denken.

Nicht lange nachher kam der zweite Fischerssohn auch in die Stadt, und dem gefiel es nicht minder gut da und er beschloß auch da zu bleiben. Er war aber seinem Bruder so gleich wie ein Tropfen Wasser dem andern, darum meinte die Königstochter, es sei ihr Bräutigam und ließ ihn rufen und fiel ihm um den Hals, küßte ihn und sprach: »Ach, wie bin ich so froh, daß du wieder hier bist; ich meinte, du wärest an dem Feuer umgekommen.« Und da wurde der König gerufen und es war ein Jubel und eine Freude daß es nicht zu beschreiben ist. Der Jüngling wußte erst nicht, was er dazu sagen sollte, endlich aber dachte er: »Halt, es ist gewiß einer von deinen Brüdern hier gewesen,« und er hielt sich so gut und entschuldigte sich so wohl, daß [136] es keiner merkte, daß er der Bruder des Ersten war. Als er aber Abends mit der Königstochter schlafen gehen wollte, sah er durch das Fenster von Weitem das Feuer und frug seine Braut, was das wäre? »Ach,« sprach sie, »das ist ja das Feuer, worauf du zugegangen bist und welches jeden tödtet, der es berührt.« – »Richtig,« sprach er, »ich will doch noch einmal hin, denn ich konnte nicht zu wissen kriegen, was es ist,« und damit eilte er fort und schwang sich auf sein Pferd, wie sehr die arme Königstochter ihn auch bat, daß er es doch nicht thun möchte, und ritt weg. Als er aber in die Nähe des Feuers kam, erkannte er auch, daß es ein Schloß war, doch in demselben Augenblicke trat eine Hexe auf ihn zu und schlug ihn mit einem Rüthchen und da war er auch verwünscht und zu Stein geworden.

Als nun das Jahr und die sechs Wochen um waren, da kam der dritte Bruder auf den Dreiweg zurück, aber er fand die zwei andern nicht. »Sie werden wol noch kommen,« sprach er, »und ich will einem von ihnen ein bischen entgegenreiten.« Da ritt er und ritt so lang, bis er auch in die Stadt des Königs kam. Als die Königstochter ihn erblickte, lief sie vor Freuden die Treppe hinunter und auf die Straße und schrie: »Ach, Gott sei Dank, daß du wieder da bist! Was hab' ich nicht für Angst und Sorgen um dich gehabt;« sie meinte nämlich wieder, er wäre ihr Bräutigam, weil er dem so ganz ähnlich sah, daß kein Heidenkind den Einen von dem Andern hätte unterscheiden können. Da er nun gar pfiffig war, merkte er gleich, da müssen seine Brüder im Spiel gewesen sein, that, als wäre er der Rechte, und ging mit ihr zu dem König, der auch so froh war, daß es nicht zu beschreiben ist, und gleich ein großes Gastmahl anrichten ließ, welches erst spät Abends geendet war. Wie sie nun alle aufstanden, sah er auch von [137] Weitem das Feuer und frug die Königstochter, was das wäre? »Ach,« sprach sie, »das hast du mich nun schon dreimal gefragt – dreimal? dachte er – und du bist schon zweimal – zweimal? dachte er – dahin geritten und jedesmal so lang ausgeblieben.« – »So lang ausgeblieben?« brummte er. »Haha, da waren also meine beiden Brüder schon hier und wo die geblieben sind, da will ich auch bleiben.« Und damit packte er sich auf, sprach, er müsse mal hinuntergehen, setzte sich unten schnell auf sein Pferd und sprengte auf das Feuer zu. Unterwegs sah er eine alte Frau, die saß am Wege und rief ihm zu: »Gehet nicht in das Schloß; eure zwei Brüder sind da verwünscht, da rechts am Thore stehen sie in Stein verwandelt.« Da sah er hin und erkannte ihre Gestalt und ihre Pferde und ihre Hunde; sprach: »Dann rath mir, wie ich sie erlösen kann.« Sprach das Weib: »Da habt ihr ein Döschen, das haltet bei euch, dann kann euch nichts geschehen. Steiget aber bei Leibe nicht von eurem Pferd, sonst seid ihr verloren.« Das versprach er ihr und ritt hin, sah seine armen Brüder und kam durch das Thor von dem Schloß. Da trat ihm ein Weib entgegen, das sprach: »Ei, schöner Herr Ritter, steiget doch ein wenig ab und trinket einmal, ihr seid gewiß müd. Thuet aber euern Hund weg, der möchte mich beißen.« – »Nein,« sprach er, »ich steige nicht ab und trinke nicht und thue auch meinen Hund nicht weg.« Da wurde das Weib böse und schrie: »Jetzt sollst du absteigen, oder ich verwünsche dich.« Da kriegte er die Angst und machte linksum und ritt zurück zu der alten Frau und frug die: »Sage mir, wie kann ich meine Brüder erlösen?« – »Ja,« sprach sie, »das wird viel Mühe kosten;« dann gab sie ihm einen Rath, wie er sich zu verhalten hätte, sprach: »Nun reite wieder hin und nimm dein Schwert in die Hand und [138] halte dein Döschen gut fest. Du mußt durch das Schloß hindurch reiten, dann wirst du an einen Berg kommen, da sprengst du hinauf. Das kostet dir aber viel Arbeit, denn all das Zaubergesindel wird hinter dir sein, doch das thut nichts, wenn du dich nur nicht umschaust. Oben auf dem Berg steht ein Baum und auf dem Baume sitzt ein Vogel; den mußt du packen und mir bringen, dann wollen wir schon sehen; es wird dein Glück sein.« Wie die Frau gesagt, so that er; an dem Berge kam zwar allerhand Gethier um ihn herum, aber er ließ sich nicht irre machen, sondern sprengte hinauf, ohne umzuschauen, und kam an den Baum und griff den Vogel. Kaum hatte er den aber in der Hand, als der anfing zu sprechen und sagte: »Nicht wahr, du willst deine zwei Brüder erlösen; das kannst du durch mich, aber anders nicht. Wenn du mich der alten Frau in die Hände lieferst, dann bist du verloren und ich mit.« Frug der Jüngling: »Was muß ich denn thun?« Sprach der Vogel: »Hau dir für's Erste mit deinem Schwerte einen Zweig von dem Baume, mach dann ein Loch in den Baum und halt ein Fläschchen unter, er ist voll von Saft; was du damit thun sollst, das will ich dir später schon sagen. Hüte dich aber, daß du den Zweig nicht auf die Erde legst, denn sonst wär Alles verloren.« Der Jüngling that also und stieg dann mit dem Vogel wieder den Berg hinab. Da war erst Alles ganz still, endlich aber brach von allen Seiten Feuer gegen ihn los, doch das brannte nicht. Dann kam auch die Hexe und sprang auf ihn zu, schrie: »Willst du mir den Vogel und den Zweig geben? Gleich verwünsch ich dich auf tausend Jahr!« Der Jüngling aber lachte, sprach: »Verwünsch nur zu, es hat gute Wege damit;« da mußte sie wieder gehen. Da that sie, als wollte sie den Vogel und den Zweig packen, aber das war nur, um ihn [139] bang zu machen, und sie vermocht's nicht. Endlich kam denn der Jüngling herunter, wo seine Brüder standen. Da kam die alte Frau zu ihm gelaufen, sprach: »Siehst du, daß ich dir gut gerathen habe; nun gib mir den Vogel, dann erlöse ich deine Brüder.« Bat der Vogel: »Ach thu's doch nicht, sie bringt uns Beide in's Unglück.« Sprach der Jüngling: »Ja ich thu's auch nicht, laß sie nur plaudern.« Da wurde die Frau böse, wollt auf ihn zuspringen, aber sie konnte es nicht wegen des Zweiges. Sprach der Vogel: »Nun nimm dein Fläschchen und wasche deine Brüder mit dem Saft.« Das that er und da waren sie erlöst und wachten auf, wie aus einem tiefen Schlaf, sprachen: »So fest haben wir noch nie geschlafen« und waren nicht wenig verwundert, sich alle drei zusammen zu sehen. »Nun wasch mich auch mit dem Saft,« sprach der Vogel und der Jüngling that es und da stand der Vogel da als ein schöner Königssohn und er war der Bruder der Königstochter. Da zogen sie all in Freuden nach dem Schloß und es war ein Jubel wie im neunten Himmel. Ja, nun wußte die Königstochter aber nicht, wer von den dreien ihr Mann war; nachdem sie nun lang gerathen, sprang der Erste hervor und sprach: »Ich bin es, liebe Frau!« und da ging der Jubel noch mehr los. Bald darauf heirathete der zweite Bruder die Tochter eines Königs aus der Nachbarschaft und der dritte eine reiche Gräfin und dann zogen sie alle drei zu ihrem Vater zurück und wenn sie noch nicht bei ihm angekommen sind, dann sind sie noch auf der Reise.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Deutsche Märchen und Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1845, S. 126-127,134-140.
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