Die dumme Hanne

[124] Es war einmal ein guter Mann und eine brave Frau, die hatten nur eine Tochter. Diese hatte Lust zu heiraten, aber sie war gänzlich blöd. Eines Sonntags wollte ihr Liebhaber nach dem Hochamt kommen, um ihre Eltern um ihre Hand zu bitten. Die Mutter sprach zu ihr: »Hanne, da dein Liebster hier zu Mittag essen wird, so mußt du ihm eine gute Suppe kochen: da ist ein hübsches Stück Speck, das tust du in den Kochtopf und noch allerhand dazu; später mußt du den Kohl schmelzen.« Das Mädchen blieb allein zu Haus. Es war da ein kleiner Hund, welcher Allerhand hieß, diesen nahm sie und steckte ihn in den Kochtopf. Als die Mutter heimkam, fragte sie Hanne, ob sie eine gute Suppe gemacht habe. »Ja,« erwiderte das Mädchen, »ich habe Allerhand hineingetan, wie Ihr mir aufgetragen hattet.« Die gute Frau hob den Deckel in die Höhe, um die Suppe zu verkosten. »Wie?« sagte sie, »meine arme Hanne, du hast den Hund in den Kochtopf gesteckt?« »Hattet Ihr nicht gesagt, ich solle Allerhand hineintun?« »Bist du verrückt? Wenn dein Galan wüßte, daß du so dämisch bist, so würde er gewiß nichts von dir wissen wollen. Aber nun laß den Kochtopf stehen und setz einen Brei aufs Feuer, während ich Wasser hole. Du mußt ihn umrühren und Obacht geben, daß er gut bindet.« Das Mädchen rührte umsonst, der Brei band nicht so, wie sie es wünschte; da warf sie einige Hanfstricke hinein, um ihn binden zu lassen. »Bindet der Brei gut?« fragte die Mutter. »Ja, seht!« Als die gute Frau den Hanf im Breitopf sah, erhob sie die Arme gen Himmel und rief: »Anbetungswürdiger Himmel! Bist du blöd, Hanne! Aber die Messe ist aus und sie werden gleich kommen, stell Butter und Brot auf den Tisch!« Als der gute Mann mit dem Liebhaber und dessen Verwandten aus der Messe kam, sagte die gute Frau zu ihnen: »Wir hatten keine Zeit, ein gutes Essen herzurichten, ein andermal werden wir es besser machen. Das Mädchen war den ganzen Morgen mit der Kuh[125] beschäftigt, der sie die Fliegen abwehren mußte. Hanne,« fügte sie hinzu, »geh in den Keller und hole einen Krug Apfelwein!« Das junge Mädchen setzte das Gefäß unter den Hahn und öffnete ihn; auf einmal mußte sie denken: »Ich werde heiraten. Aber wenn ich Kinder bekomme, wie soll ich sie nennen, alle Namen sind ja schon vergeben.« Da sie kein Mittel fand, diese schwierige Frage zu lösen, so blieb sie im Keller auf ihren Fersen hocken, und der Äpfelwein, der den Krug gefüllt hatte, lief über. Die gute Frau wurde unruhig, als ihre Tochter nicht wiederkam, und ging in den Keller. »Was machst du da, meine arme Närrin, du sitzest ganz ruhig da, während der Äpfelwein überall umherläuft.« »Ach, Mutter, das Heiraten allein ist nicht alles: wenn ich Kinder habe, wie soll ich sie nennen, da alle Namen schon vergeben sind?« Die gute Frau war ebenso verlegen wie ihre Tochter und begann gleichfalls nachzudenken, indes der Äpfelwein weiter floß. Nun kam der gute Mann seinerseits in den Keller, um zu schauen, was sich zugetragen habe. »Was tut ihr da, ihr armen Närrinnen? Seht ihr nicht, daß der Äpfelwein überall umherläuft?« »Du hast gut reden,« erwiderte die gute Frau, »es genügt nicht, unsere Tochter zu verheiraten; wenn sie Kinder hat, wie soll sie sie nennen, da alle Namen schon vergeben sind?« Der Biedermann begann sogleich nachzugrübeln, ohne daran zu denken, daß er den Hahn schließen müsse, und der Äpfelwein floß weiter. Der Bursch wartete eine Zeitlang, dann ging er auch in den Keller, um zu sehen, was geschehen sei. Er fand alle drei in Nachdenken begriffen. »Was tut ihr da?« rief er, »während ihr Maulaffen feilhaltet, läuft euer ganzer Äpfelwein aus!« »Du hast gut reden, Bursch!« versetzte der Vater, »aber wenn du heiratest, wie willst du deine Kinder nennen, da alle Namen schon vergeben sind?« »Meiner Treu!« sagte der junge Mann, »wenn ich drei Leute gefunden habe, die ebenso dumm sind wie Ihr, dann werde ich wiederkommen.«

Er machte sich auf den Weg, und als er einige Zeit gewandert war, begegnete er Leuten, welche bei der Ernte[126] waren. Sie schnitten immer eine Ähre ab, trugen sie heim und kehrten dann zurück, um eine zweite abzuschneiden, und so fort. »Mit was für einem Spiel unterhaltet ihr euch da?« fragte sie Hannens ehemaliger Liebhaber. »Das ist kein Spiel«, sagten sie. »Wir schneiden vielmehr unser Korn.« Er hatte eine Sichel gefunden, mit welcher er vor ihren Augen einen Schwaden niederlegte, dann gab er sie ihnen und sprach: »Damit könnt ihr euer Korn schneiden; auf die Art werdet ihr nicht soviel Zeit brauchen.« »Was ist das für ein Tier?« fragten die Schnitter. Einer von ihnen nahm die Sichel in die Hand, aber statt sie beim Griff zu fassen, packte er sie bei der Schneide und verletzte sich. »Das gemeine Vieh!« rief er, »es hat mich gebissen!« Er warf sie zu Boden und fing an, sie zu schlagen. »Meiner Treu!« sagte der Bursch, »wenn ich noch zwei solche Leute finde, so werde ich zu Hanne zurückkehren.«

Darauf begegnete er einer guten Frau, welche einen Karren voll Sonne heimführen wollte; aber sobald der Karren in den Schatten kam, verschwand das Licht und sie fing von vorn an. »Was macht Ihr da, gute Frau?« fragte er. »Ich möchte meinen Wagen voll Sonne nach Haus bringen, aber das ist schwierig, denn sobald ich in den Schatten komme, geht sie fort.« »Was wollt Ihr denn mit der Sonne?« »Ich möchte meinen kleinen Buben wärmen, der halb erfroren zu Hause liegt.« »Ihr tätet besser, gute Frau, wenn Ihr ihn auf Euren Karren setztet und in die Sonne brächtet.« »Das ist wahr!« versetzte sie, »daran habe ich nicht gedacht!« »Das sind zwei,« sprach der Bursch, »wenn ich noch einen finde, der ebenso dumm ist wie diese, so werde ich zu Hanne zurückkehren.«

Er machte sich wieder auf den Weg und kam an ein schönes Schloß, wo er drei Männer damit beschäftigt sah, dasselbe mit Eisenstangen aufzuheben. »Warum müht ihr euch so ab?« »Wir wollen«, antworteten die Männer, »das Schloß versetzen, ein Wolf hat seinen Kot hier abgelegt, und der König wird durch den Geruch belästigt.« »Ihr hättet es bequemer,[127] liebe Leute, wenn ihr den Wolfsdreck nehmen und wegtragen würdet!« »Das ist wirklich wahr!« entgegneten die Männer, »Ihr seid noch gescheiter als wir, denn wir haben daran nicht gedacht!« Sie nahmen den Dreck in einen Korb und gingen, ihn zehn Meilen davon wegzuwerfen. »Jetzt«, sagte der Bursch, »habe ich drei Leute gefunden, die noch dümmer sind als mein Schwiegervater, meine Schwiegermutter und meine Zukünftige: ich werde zu Hanne zurückkehren.«

Als er wiederkam, rief Hanne: »Ich wußte es wohl, daß er nicht für immer gegangen war!« »Meiner Treu!« sagte der Werber, »ich habe hübsch gelacht auf meiner Reise.« Sie verheirateten sich; der gute Mann und die brave Frau gaben ihnen eine Kuh und einige Schafe, und sie zogen in das Haus nebenan.

Quelle:
FR-Märchen Bd.2, S. CXXIV124-CXXVIII128.
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