[185] 34. Bakala.

Es waren einmal zwei Brüder, von denen war der eine vernünftig, der andre aber ein Narr. Sie hatten eine alte Großmutter und lebten mit dieser zusammen. Dem Narren gefiel dies aber nicht länger, und er verlangte daher, daß sein Bruder mit ihm abteilen solle. Darauf teilten sie zuerst das baare Geld, und von seinem Teile baute sich der Narr ein neues Haus, der andere aber blieb bei der Großmutter in dem alten Hause wohnen. Sie hatten auch eine Heerde von hundert Stück Ochsen und der Narr verlangte, daß auch diese geteilt werden solle, und so viel Ochsen in das Haus des einen oder[185] andern laufen würden, so viel sollten einem jeden gehören. Der andere war das zufrieden, weil er dachte, daß alle Ochsen in das alte Haus laufen würden. Der Narr aber streute am Abend Stroh von der Weide bis zu seinem Hause, und indem die Ochsen dieses vom Wege auflasen, liefen sie ihm alle zu. Da rief der Narr seinen Bruder herbei, und nachdem er ihn ausgelacht, erklärte er, daß es ihm mit der Teilung kein Ernst gewesen und alles beim Alten bleiben solle, und zog nach wie vor mit der Heerde auf die Weide.

Eines Tags aber sagte der Narr zu seinem Bruder: »warum soll ich Tag für Tag hinaus und die Ochsen hüten? Geh du doch auch einmal mit ihnen, und laß mich zu Hause bei der Großmutter.« Des andern Tags fuhr also der Vernünftige mit den Ochsen auf die Weide und der Narr blieb bei der Großmutter, nachdem er versprochen hatte, sie wohl zu verpflegen und auf die Türe Acht zu haben. Da verlangte die Großmutter von ihm zu essen; er kochte also einen Mehlbrei, und als der fertig war, machte er der Großmutter den Mund auf, schüttete ihr den siedenden Brei mit einem Male ein, und verbrühte sie damit so arg, daß sie starb. Darauf steckte er ihr einen Spinnrocken mit der Spindel unter den Arm und stellte sie aufrecht, damit sie spinnen sollte. Nun wollte er seinen Bruder von der Weide rufen, damit er sähe, wie schön die Großmutter spinnen könne. Da ihm aber dieser aufgetragen hatte, auf die Haustüre Acht zu haben, so versuchte er sie zuzuschließen, und als er damit nicht zurecht kommen konnte, hängte er sie aus, nahm sie auf die Schulter und ging mit ihr auf die Weide. Wie nun der ältere Bruder mit ihm nach Hause ging und die Großmutter tot fand, da weinte und klagte er um sie und nannte seinen Bruder einen Mörder; aber der Narr rief:[186] »Du hast sie tot geschlagen, du Hund, und dafür will ich dich auch tot schlagen.« Als das der Andere hörte, begann er sich zu fürchten, weil der Narr die Stärke eines Riesen hatte, und ohne viel Worte zu machen, ging er hin und grub ein Grab für die Alte und sagte zu dem Narren, daß er sie ihm nach einer Weile bringen solle, um sie zu begraben.

Als der Narr glaubte, daß das Grab fertig sei, nahm er einen Bratspieß, spießte die Alte daran, schwang den Spieß auf die Schulter und wollte sie so zu Grabe tragen.

Als er aber mit ihr über einen Graben sprang, glitt sie ihm vom Spieße ab und fiel in den Graben. Er ließ sie darin liegen, lief heulend zu seinem Bruder und rief, »er könne seine liebe Großmutter nicht zu Grabe tragen, sein Bruder solle sie holen.« Da suchte dieser überall, konnte sie aber nicht finden, und der Narr rief: »ho! ho! sie ist wieder lebendig geworden und davon gelaufen«, und lief fort, um sie zu suchen. Während er so herumsuchte, erblickte er eine andere Alte, die auf einem Feigenbaume saß und Feigen aß; da rief er: »wart ich will dir Feigen essen!« und spießte sie von unten nach oben und brachte sie seinem Bruder an das Grab. Da sah dieser, daß das nicht seine Großmutter war, und rief: »Was hast du da gemacht, du Verrückter? das ist ja eine fremde Alte.« »Schweig still«, sagte darauf der Narr, »sonst stecke ich dich lebendig zur Großmutter ins Grab.« Da begruben sie die fremde Alte und gingen heim.

Unterwegs wollten sie in einer Mühle übernachten, und als der Narr sah, wie sich der obere Mühlstein im Kreise herumdrehte, lachte er und rief: »ha! ha! ha! seht ihr da den Spindelknopf der Großmutter!« Darauf packte er den Mühlstein und lief damit zur Mühle hinaus und sein Bruder lief ihm nach, damit er kein neues[187] Unheil anstifte. So kamen sie an einen Ort, an dem große Furcht vor Räubern war, und da sagte der Narr zu seinem Bruder: »höre du, wir wollen auf jenen Baum steigen und die Nacht oben bleiben.« Sie stiegen also auf den Baum, und der Narr nahm den Mühlstein mit.

Bald darauf kam eine Karawane von Kaufleuten und schlug unter dem Baum ihr Nachtlager auf. Um Mitternacht kam dem Narren die Notdurft an, und er gab daher den Mühlstein seinem Bruder zum Halten. Da er diesem aber zu schwer war, so glitt er ihm aus den Händen und fiel mitten unter die Karawane zu Boden. Hierüber erschraken die Kaufleute so sehr, daß sie ihre Güter im Stiche ließen und auf und davon liefen. Da stiegen die Brüder von dem Baume herunter, nahmen das Geld und die Kostbarkeiten und machten sich aus dem Staube.

Einer von der Karawane faßte aber ein Herz und sagte zu seinen Genossen: »ich will doch einmal zurückgehn und sehn, was das war, was uns so erschreckt hat«; und als er zur Stelle kam, sah er nicht weit davon den Narren, der mit seinem Raube beladen war; er lief ihm daher nach und wollte ihn tot schlagen. Der Narr sagte ihm aber: »warte ein bischen, und zeige mir zuerst deine Zunge, und wenn ich die angesehen habe, dann kannst du mich tot schlagen.« Wie nun der Kaufmann seine Zunge herausstreckte, packte sie der Narr und schnitt sie ab. Da lief jener heulend zu seinen Gefährten zurück, und als sie ihn fragten, was ihm begegnet sei, konnte er ihnen nicht antworten. Das versetzte sie in neuen Schrecken, weil sie glaubten, daß ihn böse Geister an der Kehle gepackt hätten; und nun wagte keiner mehr zu ihrem Ruheplatze zu gehn.

Als darauf der ältere Bruder die Beute mit dem Narren teilen wollte, sagte dieser: »ich will nur jenes[188] silberne Weihrauchfaß haben, alles andere kannst du behalten.« Darauf ging er auf einen hohen Berg, und als er oben war, zündete er das Weihrauchfaß an und räucherte. Wie der Rauch zum Himmel stieg, kam ein Engel des Herrn zu ihm herunter und fragte ihn: »was wünschest du von unserm Herrgott für das Gute, das du ihm erzeigt hast?« »Ich will weiter nichts als eine Flöte, und wenn ich auf der spiele, so sollen alle Menschen, Wälder und Berge danach tanzen.«

Nachdem er die Flöte vom Engel erhalten hatte, stieg er vom Berge herunter und begegnete einem Töpfer, der seine Waaren zum Verkaufe trug. Zu dem sagte er: »höre du, gieb mir einen von deinen Näpfen!« der aber antwortete: »gieb du mir das Geld, so kriegst du einen Napf.« Da fing der Narr an auf seiner Flöte zu spielen, und der Töpfer fing an zu tanzen und so hoch zu springen, daß alle Töpfe auf seinem Rücken klirrten, und als er eine Weile getanzt hatte, rief er: »Gnade! Gnade! nimm alle meine Töpfe, aber höre auf zu pfeifen.« Da hatte jener Mitleid mit ihm, steckte die Flöte ein und ließ ihn seiner Wege gehn.

Darauf begegnete der Narr einem Priester und sagte zu ihm: »Gut Zeit, Papa! wo willst du hin?« und jener antwortete: »schön' Dank, mein Sohn, ich suche nach einem Knechte.« »Willst du mich nicht nehmen?« fragte der Narr. Der Priester war das zufrieden und sie machten mit einander aus, daß, wenn einer reuig würde, so dürfe ihm der andere drei Riemen aus der Haut schneiden vom Kopfe bis zu den Füßen, und daß die Dienstzeit so lange dauern solle, bis der Kukuk von dem Nußbaume rufe.

Der Priester nahm ihn also mit nach Hause und schickte ihn am andern Morgen mit den Pflugochsen auf[189] ein Feld, um es zu ackern. Nachdem er ein Paar Furchen gezogen, fand er jedoch, daß das Pflügen eine langweilige Arbeit sei. Er spannte also seine Ochsen aus, setzte sich in den Schatten und spielte ihnen eins auf, daß sie tanzen mußten, bis sie umfielen und krepiren wollten. Darauf hielt er mit dem Flöten ein, legte sich hin und schlief bis zum Abend. Als er nach Hause kam, fragte ihn der Priester: »nun, wie ging es?« und der Narr antwortete: »oh ganz gut.« In der Nacht fingen die Ochsen an zu brummen, und der Priester weckte den Narren und sagte ihm, er solle hinuntergehn und die Ochsen binden, damit sie nicht brummten. Da ging dieser in den Stall und band die Ochsen mit den Füßen an die Dachsparren.

Als der Priester am Morgen in den Stall kam und die Ochsen so gebunden fand, wurde er ärgerlich und rief: »Ei, ei, mein Sohn, was hast du da gemacht! du hast mir ja die Ochsen ruinirt.« Der Narr aber erwiderte: »Schweig still, sonst schneide ich dir die drei Riemen aus dem Felle.« Da erschrak der Priester und sagte: »das hast du brav gemacht, warum haben sie uns mit ihrem Brummen nicht schlafen lassen, jetzt aber gehe mit ihnen auf das Feld.« Als der Narr mit den Ochsen abgezogen war, sagte der Priester zu seiner Frau: »ich will ihm doch nachgehn und sehn, was er auf dem Felde mit den Ochsen anfängt.« Er ging ihm also von weitem nach und versteckte sich hinter einen Strauch. Aber der Narr bemerkte ihn. Er setzte sich also an das Ende des Ackers und begann auf seiner Flöte zu spielen. Da mußte der Priester mit seinen Ochsen tanzen, und es ging hopsa! hopsa! bis dem Priester die Haare aus seinem Bart fielen. Der rief endlich: »Gnade, Gnade, mache mit den Ochsen, was du willst, aber laß mich in Ruhe!« und der Narr erwiderte: »so! du bist mir nachgegangen, um zu sehn,[190] was ich tue; nun weißt du es.« Der Priester schlich sich nach Hause, und am Abend kam auch der Narr von dem Felde zurück und stellte die Ochsen in den Stall. Diese fingen aber in der Nacht wieder zu brummen an, und der Priester weckte den Narren abermals und sprach: »gehe hinunter und schlage sie, damit sie uns schlafen lassen.« Der Narr ging hinunter, schlug die Ochsen tot, zog ihnen das Fell ab und bedeckte sie wiederum damit. Am andern Morgen kam der Priester herunter, um nach den Ochsen zu sehn, und fand sie geschlachtet. Da rief er: »was hast du getan, du Hund, warum hast du die Ochsen geschlachtet?« »Schweig still«, antwortete der Narr, »sonst schneide ich dir die drei Riemen aus dem Felle.« Da erschrak der Priester und sprach: »das hast du brav gemacht, mein Sohn, es ist ihnen Recht geschehn, warum haben sie uns nicht schlafen lassen!«

Als sie darauf zu Mittag aßen, fing ein kleines Kind des Priesters zu schreien an und rief, »daß es abseits wolle.« Da sprach der Priester zu dem Narren: »nimm es und laß es seine Därme leeren.« Der aber verstand das so, daß er das Kind schlachten und ausweiden solle; er schlachtete es also und begann es auszuweiden. Da blieb er dem Priester zu lange aus, und er rief ihm also zu: »so komm doch zum Essen, was machst du so lange!« Der Narr aber antwortete: »ich komme gleich, ich habe nur noch die Leber auszunehmen.« Da sprach der Priester zu seiner Frau: »o Frau, nun ist auch unser Kind hin, was für einen Antichrist habe ich ins Haus genommen.« »Warum jagst du ihn nicht fort?« fragte die Frau. »Wir haben mit einander ausgemacht, daß er erst zu der Zeit gehn soll, wenn der Kukuk von dem Nußbaume ruft.« »Weißt du was«, sprach da die Frau, »ich will auf den Nußbaum steigen und wie ein Kukuk schreien.« »Tue[191] das!« antwortete der Priester. Wie nun der Narr aus dem Abtritt kam, hörte er, wie die Priesterfrau vom Nußbaum rief: »Kukuk! Kukuk!« Da nahm er einen Stein und traf sie damit an den Kopf, daß sie tot herunterfiel. Dann rief er lachend den Priester und sprach: »sieh her, was für ein großer Kukuk auf dem Nußbaum saß.« Da fing der Priester so sehr über sein Unglück zu klagen an, daß der Narr Mitleid mit ihm hatte und abzog, ohne ihm die Riemen aus der Haut zu schneiden.

Quelle:
Hahn, J[ohann] G[eorg] v[on]: Griechische und Albanesische Märchen 1-2. München/Berlin: Georg Müller, 1918, S. 185-192.
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