[249] 37. Giufà

Wollt ihr die Geschichten von Giufà hören? Der machte viele dumme Streiche, und brachte seine Mutter oft in Verlegenheit. Im Grunde aber war er recht klug, und seine Mutter war noch viel klüger als er. – Eines Tages rief sie ihn, und gab ihm ein Stück Leinwand, da sie selbst gewoben hatte. »Bringe die Leinwand zum Färber, Giufà, und sage ihm, er solle sie schön grün färben.«1 Giufà nahm die Rolle[249] Zeug und zog damit über Land. Da er nun müde war, setzte er sich auf einen Steinhaufen, um auszuruhen. Da kam eine kleine Eidechse, und spielte zwischen den Steinen. »Ei,« dachte Giufà, »was du für ein hübsches grünes Röckchen anhast, du bist gewiß der Färber. Höre einmal, meine Mutter läßt dir sagen, du solltest ihr dieses Zeug schön grün färben, so wie dein Röckchen. In einigen Tagen komme ich wieder, um es abzuholen.« Damit warf er das Zeug auf den Steinhaufen, und ging davon.

Als er nun nach Hause kam, frug ihn seine Mutter: »Wo hast du die Leinwand hingebracht?« »Mutter, mitten auf dem Felde stand ein großer Steinhaufen, dort saß einer, der hatte ein so schönes grünes Röckchen an, da dachte ich, es müsse wohl der Färber sein, und habe ihm die Leinwand hingelegt.« »Nein, seht doch diese Dummheit,« rief die Mutter, »wer heißt dich, das Zeug auf dem Felde liegen lassen? Gleich gehst du hin und kommst ohne Leinwand nicht wieder nach Haus.« Da ging Giufà wieder zum Steinhaufen, aber das Zeug war verschwunden. »Höre Färber, gib mir mein Zeug wieder, sonst zerstöre ich dein Haus,« rief Giufa. Die Eidechse aber hatte sich verkrochen, und kam nicht wieder zum Vorschein. Da fing er an, den Steinhaufen zu zerstören, und rief immer: »Dir habe ich das Zeug anvertraut, nun mußt du es mir auch wiedergeben, sonst zerstöre ich dein Haus.« Auf einmal sah er einen großen Topf mit goldnen Münzen, der unter dem Steinhaufen verborgen war. »So,« sagte er, »du hast gewiß die Leinwand verkauft, so nehme ich dir eben dein Geld weg.« Da nahm Giufà den Topf mit dem Geld und steckte ihn in seinen Quersack. Darüber aber legte er einen großen Haufen Dornen, und wanderte nun nach Haus. Unterwegs neckten ihn die Leute: »Giufà, was bringst du?« »Wehe«2 sagte Giufà. »Was sind das ›Wehe?‹« frugen sie. Da antwortete Giufà: »Seht selber zu.«3 Da stachen sich die Leute an den Dornen, und riefen: »Ein schönes[250] Geschenk bringt der Giufà seiner Mutter! Die wird sich über die Dornen freuen!« Als aber Giufà nach Hause kam, rief er seine Mutter, und sprach ganz heimlich zu ihr: »Seht einmal, was ich euch bringe, Mutter!« und packte den Topf mit Geld aus. Die Mutter war aber eine sehr kluge Frau, und dachte: »Gewiß wird nun Giufà es allen Leuten erzählen, daß er mir das Geld gebracht hat.« Da sprach sie zu ihm: »Du hast wohlgethan, mein Sohn, iß nun dein Abendbrod und lege dich dann schlafen.«

Als nun Giufà auf seinem Bette lag, nahm die Mutter den Topf und vergrub ihn unter die Treppe. Dann nahm sie ihre Schürze voll Feigen und Rosinen, stieg auf das Dach, und warf durch den Schornstein dem Giufà Feigen und Rosinen in den Mund. Da ließ sich Giufà wohl gefallen, und aß, was er essen konnte. Am andern Morgen aber erzählte er seiner Mutter: »Denkt euch nur, Mutter, gestern Abend hat mir das Christkind Feigen und Rosinen vom Himmel herab geworfen.« Giufà erzählte nun allen Leuten: »Ich habe meiner Mutter einen großen Topf mit Geld gebracht, den ich im Steinhaufen gefunden habe.« Die Leute gingen hin, und verklagten ihn beim Gericht. Da kamen die Leute vom Gericht zur Mutter des Giufà und sprachen: »Euer Sohn hat überall erzählt, ihr hättet einen Topf mit Geld behalten, den er gefunden hat. Wißt ihr denn nicht, daß man gefundenes Geld beim Gericht ausliefern muß?« »Ach, ihr Herren,« jammerte die Frau, »ihr wollt doch nicht Alles glauben, was dieser dumme Giufà in den Tag hineinredet? Ich geschlagene Frau! Dieser Sohn wird mich noch ins Unglück bringen. Ich weiß nichts von einem Topf mit Geld.« »Aber, Mutter,« rief Giufà, »wißt ihr nicht mehr, als ich euch den Topf brachte, und mir am Abend das Christkind die Feigen und Rosinen vom Himmel herunter in den Mund warf?« »Seht ihr wohl, daß er dumm ist, und nicht weiß, was er sagt,« sprach die Mutter. Da gingen die Leute vom Gericht wieder weg, und dachten: »Der Giufà ist auch gar zu dumm!«

Ein andermal wollte die Mutter in die Messe gehen, und sprach zum Giufà: »Zieh die Thür hinter dir zu, Giufà, wenn du weggehst.«[251] Als nun die Mutter in der Messe war, hob Giufà die Thür aus den Angeln und brachte sie auf seinen Schultern zu seiner Mutter in die Kirche. »Hier habt ihr die Thür, Mutter,« sprach er.

Ein andermal wollte die Mutter wieder in die Messe gehen. »Giufà,« sprach sie, »gib mal Acht auf die Gluckhenne, daß sie die Eier nicht verläßt und gib ihr auch zu fressen.« Als die Mutter fort war, gab Giufà der Henne die Kleie und dabei wurde er selbst hungrig. Da er nun nichts im Hause fand, so nahm er die Henne, schlachtete sie und kochte sie, und aß sie ganz auf. Damit aber die Eier nicht kalt würden, setzte er sich selbst darauf. Als nun die Mutter nach Hause kam, sah sie ihn nirgends und rief: »Giufà, wo bis du?« »Gluck, gluck,« antwortete Giufà. »Hast du der Henne auch zu fressen gegeben, Giufà!« »Gluck, gluck,« lautete. »Giufà, wo bist du denn?« »Gluck, gluck.« Die Mutter fand ihn endlich, wie er auf dem Nest mit den Eiern saß. »Giufà, was machst du da?« »Gluck, gluck.« »Wo ist denn die Henne?« »Die Henne habe ich gegessen, gluck, gluck.« »Aber die Eier gehen ja zu Grunde, du Unglückskind!« »Darum sitze ich ja darauf, um sie auszubrüten,« antwortete Giufà.

Eines Abends sprach die Mutter zu Giufà: »Ziehe aus, Giufà, und sieh, ob du eins von den Thieren findest, die des Nachts singen.« Sie meinte aber einen Hahn. Da zog Giufà aus und begegnete einem Schäfer, der sang lustig in den Abend hinein. »Halt,« dachte Giufà, »meine Mutter will ein Thier, das des Nachts singt; sie meint gewiß dieses.« Da ermordete er den Schäfer, lud ihn auf seine Schultern und brachte ihn seiner Mutter. »Ach, Giufà, was hast du gethan?« rief die Mutter, »wenn das Gericht ihn findet, so wirst du gehängt. Komm schnell, wir wollen ihn in die Cisterne werfen.« Da warfen sie den todten Schäfer in die Cisterne. Als aber Giufà schlief, holte die Mutter den Todten wieder heraus, und warf statt dessen einen todten Ziegenbock hinein. Am nächsten Morgen begegnete Giufà der Tochter des Schäfers, die jammerte: »Man hat meinen Vater umgebracht, man hat meinen Vater umgebracht.« »Hat dein Vater am Abend gesungen?« frug Giufà.[252] »Ja, zuweilen,« antwortete das Mädchen. »Nun, so habe ich ihn umgebracht und meine Mutter und ich, wir haben ihn in die Cisterne geworfen.« Da ging das Mädchen hin, und verklagte Giufà bei Gericht. Die Leute vom Gericht kamen und sagten zur Mutter vom Giufà: »Euer Sohn hat den Schäfer umgebracht, und ihr habt ihn in die Cisterne geworfen.« »Ach, was sagt ihr,« rief die Frau, »mein Sohn ist so dumm, der weiß gar nicht, was er sagt.« »Doch, Mutter,« rief Giufà, »erinnert ihr euch nicht, wir haben ihn ja in die Cisterne geworfen.« Da ließ das Gericht den Giufà in die Cisterne hinuntersteigen, damit er den todten Schäfer heraufbringen sollte. Als nun Giufà den todten Ziegenbock sah, rief er dem Mädchen zu: »Hat dein Vater Hörner gehabt?« »Ach nein,« antwortete das Mädchen. »Hat er vier Beine gehabt?« »Ach nein.« »Hat er Wolle gehabt?« »Ach nein, das ist mein Vater nicht.« Da sprach die Mutter: »Seht, meine Herren, gestern Abend brachte mein Sohn einen todten Ziegebock nach Haus, den er auf dem Felde gefunden hatte. Ich fürchtete aber, man möchte glauben, ich hätte ihn gestohlen und warf ihn in die Cisterne.« Da gingen die Leute vom Gericht nach Hause und sprachen: »Dieser Giufà ist auch gar zu dumm.«

Giufà's Mutter hatte noch ein kleines Töchterchen. Als sie nun wieder einmal in die Messe gehen wollte, sprach sie zu ihrem Sohn: »Gib ja recht Acht auf dein Schwesterchen und wenn es aufwacht, so gib ihm den Brei4, aber nicht zu heiß, und wenn es einschläft, so lege es in die Wiege.« Als das Schwesterchen aufwachte, da kochte ihm Giufà den Brei und fütterte es. Er gab ihm aber den Brei so heiß, daß das Kind sich verbrannte und starb.

Weil es nun stille geworden war, so sprach Giufà: »Das Schwesterchen schläft,« und legte es in die Wiege. Die Mutter kam nach Haus und frug gleich: »Was macht das Schwesterchen?« »Es schläft schon lange in der Wiege,« antwortete Giufà. Da ging die Mutter an die Wiege und fand das todte Kindchen. »Ach Giufà, was hast du gethan?«[253] jammerte die Mutter, »o, du böser Mensch, ich will dich nun nicht länger sehen.«

Die Mutter wollte ihn also nicht mehr im Hause haben und that ihn zu einem Geistlichen als Bedienten. »Wie viel Lohn willst du denn?« frug der Geistliche. »Ich will jeden Tag nur ein Ei, und so viel Brod, als ich dazu essen kann. Ihr dürft mich aber nicht eher wegschicken, als bis das Käuzchen im Epheu schreit.« Der Geistliche war es zufrieden und dachte: »Einen so wohlfeilen Bedienten bekomme ich nicht wieder.« Am ersten Morgen bekam Giufà ein Ei und ein Brod dazu. Er pickte das Ei auf, und aß es aber mit einer Stecknadel und so oft er die Stecknadel ableckte, verzehrte er ein großes Stück Brod dazu. »Bringt mir doch noch ein wenig Brod her, das langt noch nicht,« rief er, und der Geistliche mußte ihm einen großen Korb voll Brod schaffen.

So ging es jeden Morgen. »Ich armer Mann,« rief der Geistliche, »in einigen Wochen bringt mich der ja an den Bettelstab.« Es war aber Winter, und bis das Käuzchen schreien konnte, mußten noch mehrere Monate vergehen. In seiner Verzweiflung sprach nun der Geistliche zu seiner Mutter: »Mutter, heute Abend müßt ihr euch in dem Epheu verstecken, und wie das Käuzchen schreien.« Die alte Frau versteckte sich am Abend im Epheu und fing an zu rufen: »Miu, miu.« »Hörst du, Giufà, das Käuzchen schreit im Epheu, nun sind wir geschiedene Leute,« sprach der Geistliche. Da nahm Giufà sein Bündelchen und wollte zu seiner Mutter zurückkehren.

Als er an dem Epheu vorbeikam, wo die Mutter des Geistlichen noch immer ihr »Miu, miu« rief, nahm er in seinem Zorn einige große Steine und schrie:


»O du verwünschtes Käuzelein,

Leide nun Strafe und schwere Pein!«5


Damit warf er mit den Steinen ins Gebüsch und tödtete die alte[254] Frau. Als er zu seiner Mutter kam, rief sie: »Giufà, wo kommst du her? Ich will dich gar nicht hier haben, und werde dir morgen einen neuen Dienst suchen.« Da ging sie hin und that ihn zu einem Gutsbesitzer als Schweinehirten. Der Gutsbesitzer schickte ihn in einen Wald, der war weit, weit weg, und befahl ihm, die Schweine zu hüten und wenn sie fett wären, dann sollte er sie wiederbringen. Da lebte Giufà viele Monate im Walde, bis die Schweine ganz fett waren. Als er sie nun nach Hause trieb, begegnete er einem Metzger und sprach zu ihm: »Wollt ihr diese schönen Schweine kaufen? Ich gebe sie euch um den halben Preis, wenn ihr mir die Ohren und die Schwänze geben wollt.« Da kaufte der Metzger die ganze Heerde, gab Giufa viel Geld dafür und die Ohren und die Schwänze. Da ging Giufà an einen Morast und pflanzte zwei Ohren neben einander und drei Palm6 weiter einen Schwanz; so trieb er es mit allen. Dann lief er ganz verstört zum Gutsbesitzer und schrie: »Ach, Herr, denkt euch nur, welch schweres Unglück mir begegnet ist. Ich hatte die Schweine so schön gemästet und da ich sie hertrieb, geriethen sie in einen Morast und sie sind alle darin versunken.« Nur die Ohren und die Schwänze gucken noch heraus. Der Gutsbesitzer eilte sogleich mit seinen Leuten an den Morast, wo noch die Ohren und die Schwänze herausguckten. Sie versuchten, die Schweine wieder herauszuziehen. So oft sie aber ein Ohr oder einen Schwanz packten, fuhr er sogleich heraus. »Seht ihr wohl, wie fett die Schweine waren,« rief Giufà, »vor lauter Fett sind sie in dem Morast ganz vergangen.«7 Da mußte der Gutsbesitzer ohne Schweine abziehen, Giufà aber brachte das Geld seiner Mutter und blieb wieder eine Zeitlang bei ihr.

Eines Tages sprach diese zu ihm: »Giufà, wir haben heute nichts zu essen, was fangen wir an?« »Laßt mich nur machen,« und ging zu einem Metzger: »Gevatter, gebt mir doch ein halb Rottolo Fleisch, morgen[255] bringe ich euch das Geld.« Da gab ihm der Metzger das Fleisch. Dann ging er zum Bäcker: »Gevatter, gebt mir ein halb Rottolo Maccaroni und ein Laib Brod, morgen bringe ich euch das Geld.« Da gab ihm der Bäcker die Maccaroni und das Brod, und Giufà ging zum Oelhändler: »Gevatter, gebt mir ein Mäßchen Oel, morgen bringe ich euch das Geld.« Der Oelhändler gab ihm das Oel, und Giufà ging zum Weinhändler: »Gevatter, gebt mir ein Quartuccio Wein, morgen bringe ich euch das Geld.« Da gab ihm der Weinhändler den Wein, und Giufà ging zum Käsehändler: »Gevatter, gebt mir für vier Grani Käse, morgen bringe ich euch das Geld.« Da gab ihm der Käsehändler den Käse, und Giufà kam zu seiner Mutter, und brachte ihr Fleisch, Maccaroni, Brod, Oel, Wein und Käse, und sie aßen vergnügt zusammen.

Am andern Morgen aber stellte sich Giufà todt, und seine Mutter weinte und jammerte: »Mein Sohn ist gestorben, mein Sohn ist gestorben.« Er wurde in einen offenen Sarg gelegt und in die Kirche gebracht, und die Geistlichen sangen ihm die Todtenmesse. Als man aber in der ganzen Stadt hörte, Giufà ist gestorben, da sagten der Metzger, Bäcker, Oelhändler und Weinhändler: »Was wir ihm gestern gegeben haben, ist so gut wie verloren. Wer soll es uns nun bezahlen?« Der Käsehändler aber dachte: »Giufà ist mir zwar nur vier Grani schuldig, aber die will ich ihm nicht schenken. Ich will hingehen und ihm seine Mütze wegnehmen.« Er schlich sich in die Kirche, aber es war noch ein Geistlicher da, der betete am Sarge Giufà's. »So lange der geistliche Herr da ist, schickt es sich nicht, daß ich ihm die Mütze nehme,« dachte der Käsehändler, und versteckte sich hinter dem Altar. Als es aber Nacht wurde, ging auch der letzte Geistliche fort und der Käsehändler wollte eben aus seinem Versteck hervorkommen, als eine Schaar Diebe in die Kirche drang. Die Diebe hatten einen großen Sack mit Goldmünzen gestohlen, und wollten ihn nun in der dunkeln Kirche vertheilen. Dabei geriethen sie in Streit, und fingen an zu lärmen und zu schreien. Da richtete sich Giufà im Sarge auf und rief: »Heraus mit euch!« Die Diebe erschraken sehr, als der Todte sich aufrichtete, sie glaubten auch,[256] er riefe die anderen Todten, und liefen im hellen Schrecken davon, ohne den Sack mitzunehmen. Als Giufà den Geldsack aufnehmen wollte, sprang auch der Käsehändler aus seinem Versteck hervor und wollte auch seinen Theil davon haben. Giufà aber rief immerfort: »Vier Grani kommen euch zu.«8 Da meinten die Diebe draußen, er vertheile das Geld unter die Todten und sie sprachen untereinander: »Wie viele muß er gerufen haben, wenn auf jeden nur vier Grani kommen.« Und rannten, was sie rennen konnten, davon. Das Geld nahm Giufà mit, nachdem er dem Käsehändler ein wenig gegeben hatte, damit er nichts sagen sollte, und brachte es seiner Mutter.

Einmal kaufte seine Mutter einen großen Vorrath Flachs und sprach zu ihm: »Giufà, du könntest wohl ein wenig spinnen, um doch irgend etwas zu thun.« Giufà nahm von Zeit zu Zeit einen Strang und anstatt ihn zu spinnen, steckte er ihn in das Feuer und verbrannte ihn. Da wurde seine Mutter zornig und schlug ihn. Was that nun Giufà? Er nahm ein Bündel Reiser und umwickelte es mit Flachs, wie einen Rocken9, dann nahm er einen Besen als Spindel, setzte sich aufs Dach und fing an zu spinnen. Wie er so da saß, kamen drei Feen vorbei, die sprachen: »Nein, seht doch nur, wie nett Giufà da sitzt und spinnt. Wollen wir ihm nicht etwas schenken?« Da sprach die erste Fee: »Ich schenke ihm, daß er in einer Nacht so viel Flachs spinnen kann, als er berührt.« Da sprach die Zweite: »Ich schenke ihm, daß er in einer Nacht so viel Garn zu Leinwand weben kann, als er gesponnen hat.« Da sprach die dritte Fee: »Und ich schenke ihm, daß er in einer Nacht alle Leinwand bleichen kann.« Das hörte Giufà. Am Abend, als seine Mutter zu Bette gegangen war, machte er sich hinter ihren Vorrath von Flachs und siehe da, so oft er einen Strang berührte, war er sogleich gesponnen. Als kein Flachs mehr da war, fing er an zu weben, und so wie er den Webstuhl nur berührte, rollte sich auch schon die gewobene[257] Leinwand auf. Endlich breitete er alle Leinwand aus, und kaum benetzte er sie ein wenig, so war sie schon gebleicht. Am nächsten Morgen zeigte er seiner Mutter die schönen Stücke Leinwand, und seine Mutter verkaufte sie und verdiente schönes Geld damit. So trieb es Giufà einige Nächte hindurch, endlich aber wurde er es müde, und wollte wieder einen Dienst annehmen.

Da vermiethete er sich bei einem Schmied, dem sollte er den Blasbalg treten. Er trat aber den Blasbalg so stark, daß er das Feuer ganz auslöschte. Da sagte der Schmied: »Laß das Treten sein und schmiede das Eisen auf dem Ambos.« Giufà aber schlug mit solcher Gewalt auf den Ambos, daß das Eisen in tausend Stücke zersprang. Da wurde der Schmied zornig, und er konnte ihn doch nicht fortjagen, denn Giufà hatte die Bedingung gestellt der Schmied müsse ihn ein ganzes Jahr lang behalten. Da ging der Schmied zu einem armen Manne und sprach zu ihm: »Ich will euch ein schönes Geschenk machen, wenn ihr dem Giufà sagt, ihr wäret der Tod und ihr wäret gekommen, um ihn abzuholen.« Als nun der arme Mann dem Giufà eines Tages begegnete, sagte er ihm, was der Schmied ihm geheißen hatte. Giufà aber war nicht faul. »So, bist du der Tod?« rief er, packte den armen Mann, steckte ihn in seinen Sack und trug ihn in die Schmiede. Dort legte er ihn auf den Ambos und fing an, auf ihn loszuhämmern. »Wie viele Jahre soll ich noch leben?« frug er dabei. »Zwanzig Jahr,« schrie der Mann im Sack. »Das ist mir noch lange nicht genug.« »Dreißig Jahr, vierzig Jahr, so viel du willst,« schrie der Mann. Giufà aber hämmerte immer zu, bis der arme Mann todt war.

Nun hatte Giufà das Schmiedehandwerk satt, verließ seinen Meister, und wanderte fort. Da kam er an einem Hause vorbei, darin wohnten Verwandte von ihm, die feierten gerade eine Hochzeit. Er trat hinein, aber Keiner sagte zu ihm: »Guten Tag, Giufà, setze dich zu uns.« Keiner grüßte, Keiner beachtete ihn. Da ging Giufà zu einem Bekannten, und ließ sich einen wunderschönen, goldgestickten Anzug leihen, den legte er an, und ging wieder zu seinen Verwandten. Kaum erblickten[258] sie ihn, so standen sie gleich alle auf, und begrüßten ihn: »O, Giufà, wie schön, daß du auch gekommen bist; komm, setze dich zu uns und iß.« Da setze sich Giufà zu ihnen, und sie setzten ihm einen schönen Teller Maccaroni vor. Er aber nahm den ganzen Teller und schüttete ihn über seine Kleider aus. Dann schenkten sie ihm Wein ein, er aber schüttete das Glas über seine Kleider aus, und so that er mit Allem, was sie ihm vorsetzten. »Giufà, warum issest du denn nicht,« frugen ihn endlich seine Verwandten. »Ich gebe meinen Kleidern zu essen,« antwortete Giufà, »ihr habt ja meine Kleider eingeladen, um mit euch zu essen. Denn als ich vorhin da war, hat mich Keiner begrüßt, Keiner hat mich eingeladen, dazubleiben.« Als nun Giufà nach dem Schmaus seinen Bekannten den schönen Anzug wieder brachte, riefen die im hellen Schrecken aus: »Aber Giufà, was hast du mit den Kleidern gemacht?« »Wollt ihr mich verantwortlich machen dafür?« sprach Giufà, »haltet euch an meine Verwandten, die haben eure Kleider zu Tische geladen.«

Einmal ließ der Bischof im ganzen Ort verkündigen, ein jeder Goldschmied solle ihm ein Crucifix machen, und für das schönste wolle er vierhundert Unzen bezahlen. Wer aber ein Crucifix bringe, das ihm nicht gefalle, der müsse den Kopf verlieren. Da kam ein Goldschmied, und brachte ihm ein schönes Crucifix, aber der Bischof sagte, es gefalle ihm nicht, ließ dem armen Mann den Kopf abschneiden und behielt das Crucifix. Am andern Tag kam ein zweiter Goldschmied, der brachte ein noch schöneres Crucifix, es ging ihm aber nicht besser, als dem ersten. So trieb er es eine Zeitlang, und mancher arme Mann mußte den Kopf dabei verlieren. Als nun Giufà davon hörte, ging er zu einem Goldschmied, und sprach: »Meister, ihr müßt mir ein Crucifix machen mit einem furchtbar dicken Bauch, sonst aber so schön, als ihr es nur liefern könnt.« Als nun das Crucifix fertig war, nahm Giufà es auf den Arm und trug es zum Bischof. Kaum hatte der es erblickt, so schrie er: »Was fällt dir ein, mir ein solches Ungethüm zu bringen? Warte, du sollst mir dafür büßen!« »Ach, ehrwürdiger Herr,« sprach Giufà, »hört mich doch nur an, und vernehmt, wie es mir ergangen ist. Dieses[259] Crucifix war ein Muster von Schönheit, als ich es herbringen wollte; auf dem Wege aber fing es an vor Zorn den Bauch zu schwellen10, und je näher ich zu eurem Hause kam, desto ärger schwoll es an, am schlimmsten aber, als ich eure Treppe hinaufstieg. Ihr sollt sehen, der Herr zürnt euch ob all dem unschuldigen Blute, das ihr vergossen habt, und wenn ihr mir nicht sogleich die vierhundert Unzen gebt, und jeder von den Wittwen der Goldschmiede eine Leibrente aussetzt, so werdet ihr eben so anschwellen, und Gottes Zorn wird über euch kommen.« Da erschrak der Bischof, und gab ihm die vierhundert Unzen, und bat ihn, die Wittwen alle zu ihm zu schicken, damit er jeder einen jährlichen Lebensunterhalt aussetzen könne. Giufà nahm das Geld, und ging zu jeder Wittwe einzeln, und sprach: »Was gebt ihr mir, wenn ich euch vom Bischof eine Leibrente verschaffe?« Da schenkte ihm jede eine hübsche Summe, und Giufà brachte seiner Mutter einen großen Haufen Geldes.

Eines Tages schickte die Mutter den Giufà in ein anderes Dorf, wo eben Jahrmarkt gehalten wurde. Unterwegs begegneten ihm einige Kinder, die frugen: »Wohin gehst du, Giufà?« »Auf den Jahrmarkt.« »Willst du mir auch ein Pfeifchen mitbringen?« »Ja!« »Mir auch?« »Ja!« »Mir auch?« »Mir auch?« frug einer nach dem Andern und Giufà sagte Allen »ja«. Zuletzt war noch ein Junge, der sagte: »Giufà, bringe mir auch ein Pfeifchen mit. Hier hast du einen Gran.« Als nun Giufà vom Jahrmarkt zurückkam, brachte er nur ein Pfeifchen mit und gab es dem letzten Jungen. »Giufà, du hattest uns ja Jedem eins versprochen,« riefen die andern Kinder. »Ihr habt mir ja keinen Gran mitgegeben, um es zu kaufen,« antwortete Giufà.

Eines Tages stand Giufà auf der Straße und that Nichts. Da trat ein Herr zu ihm und sprach: »Giufà, willst du mir diesen Brief nach Paternò bringen? Ich gebe dir auch vier Tari.« »Für vier Tari soll ich bis nach Paternò laufen,« sagte Giufà, »zehn Tari gebühren mir.« Da gab ihm der Herr zehn Tari, und hieß ihn den Brief hintragen.[260] Als er nun von Paternò zurückkam, mußte er durch einen Wald. Es war schon ganz dunkel geworden, doch war sehr heller Mondschein. Wenn nun der Mond sich hinter den Bäumen versteckte, rief Giufà: »Ja, ja, verstecke dich nur, du Spitzbube, ich habe dich schon gesehen.« Im Walde aber waren Diebe, die hatten ein fettes Kalb gestohlen; als sie nun den Giufà so reden hörten, meinten sie, er hätte sie entdeckt. »Was machen wir?« frug der Eine. »Wenn Giufà in die Stadt kommt, so gibt er uns an. Wir wollen ihm lieber ein Stück von dem Kalbe geben, damit er still schweigt.« Also riefen sie ihn herbei und sprachen: »Giufà, sieh dieses schöne, fette Kalb. Welches Stück hättest du gern?« »Gebt mir den Magen,« antwortete Giufà. »Was willst du mit dem Magen machen, Giufà? Nimm doch lieber ein besseres Stück.« »Nein, nein, ich will nur den Magen.« Also gaben sie ihm den Magen und ließen ihn gehen. Kaum war er aber so weit weg, daß sie ihn nicht mehr sehen konnten, so legte er den Magen auf den Boden, nahm einen großen Prügel und schlug auf den Magen los. Dabei schrie er immer, so laut er nur konnte: »Ach, prügelt mich nicht, tödtet mich nicht, ich will euch auch hinbringen, wo der Rest ist.« Als die Diebe das hörten, sprachen sie: »Wehe uns, der Giufà ist gewiß den Leuten vom Gericht begegnet und bringt sie nun hierher.« Da liefen sie im hellen Schrecken davon und ließen das Kalb liegen. Giufà aber schlich zurück, nahm das ganze, fette Kalb und brachte es seiner Mutter.

Ja, ja, der Giufà hat viele nichtsnutzige Streiche ge macht, und wer sie alle weiß, hört nicht mehr mit Erzählen auf.

1

Die Bäuerinnen um Messina tragen grüne und blaue Röcke aus grobem selbstgefertigtem Zeuge.

2

Guai, Schmerzen.

3

Tona e vidirai.

4

Pane cotto.

5

»Chiuzza di mala stasciuni,

Soffri pene duluri!«

6

Spanne.

7

Si sficiru.

8

Quàttru grani vi toccano.

9

Cunocchia.

10

Bunchiava.

Quelle:
Gonzenbach, Laura: Sicilianische Märchen. Leipzig: Engelmann 1870, S. CCXLIX249-CCLXI261.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Narrenburg

Die Narrenburg

Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.

82 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon