[89] 72. Don Giovanni di la Fortuna.

Es war einmal ein Mann, der war sehr reich, und hieß Don Giovanni di la Fortuna. Er war aber ein Verschwender, wußte mit seinem Geld nicht hauszuhalten, und brachte alles durch. Als er nun nichts mehr hatte, mußte er betteln gehen, kleidete sich als armer Pilgrim, und wanderte so durch das ganze Land. Da begegnete ihm eines Tages ein vornehmer Herr, das war der Teufel, und sprach zu ihm: »Willst du reich werden, und ein herrliches Leben führen?« »Ja, warum nicht?« antwortete Don Giovanni. »Hier hast du eine Börse,« fuhr der Teufel fort; »wenn du zu ihr sprichst: Liebe Börse, gib Geld heraus1, so[89] wird sie dir so viel Geld geben, als du willst. Du mußt dich aber dafür drei Jahre, drei Monate und drei Tage lang nicht waschen, nicht kämmen, den Bart nicht scheeren und die Kleidung nicht wechseln. Wenn du das alles genau thust, so bleibt die Börse dein, und wenn die Zeit verflossen ist, lasse ich deine Seele und nehme zwei andere dafür.« Don Giovanni war es zufrieden, nahm die Börse und zog fort. Wenn er nun kein Geld mehr hatte, so brauchte er nur die Börse zu ziehen, und zu sagen: »Liebe Börse, gib Geld heraus,« so hatte er so viel Geld als er wollte. Er durfte sich aber nicht waschen, und bald war er so schmutzig, daß man ihn gar nicht mehr ansehen konnte, und der Bart und das Haar hingen ihm wirr um den Kopf herum; seine Pilgrimskutte zerfiel in Lumpen und er war voll von Ungeziefer. Da kam er eines Tages in eine Stadt, und sah da ein sehr schönes Haus, und weil die Sonne so schön schien, so setzte er sich auf die Stufen des Palastes und fing an, das Ungeziefer von seinem Leibe zu suchen. Das sah die Magd, und sprach zu ihrem Gebieter: »Padrone, da unten sitzt ein Mensch, der ist so schmutzig, wie ich noch nie etwas gesehen habe. Jaget ihn doch weg, damit er uns das Haus nicht mit Ungeziefer erfülle.«

Da ging der Hausherr hinaus und fuhr den Don Giovanni an: »Du schmutziger Bettler, willst du gleich fort von meinem Haus!« »Seid nur nicht so grob,« sprach Don Giovanni, »ich bin kein Bettler, und wenn es mir gefällt, so kann ich euch und eure Frau zwingen, Hand in Hand das Haus zu verlassen.« »Wie wolltest du denn das anfangen?« lachte der Herr des Hauses. »Wollt ihr mir euer Haus verkaufen?« frug Don Giovanni. »Ich kaufe es euch gleich ab.« Der Andre meinte, der schmutzige Bettler sei verrückt, und um sich einen Spaß zu machen, nahm er das Anerbieten an, und rief: »Gut, komm nur mit; wir wollen gleich zum Notar gehn und den Contrakt aufsetzen.« Also gingen sie zum Notar, und der Herr verkaufte dem Don Giovanni das ganze Haus für sehr viel Geld, das sollte er innerhalb acht Tagen herbeischaffen. Don Giovanni ging und miethete zwei Zimmer in einem Wirthshaus, und sprach nun fortwährend: »Liebe Börse, gib Geld heraus,« und die[90] Börse gab ihm immer mehr Geld, bis endlich nach acht Tagen das ganze Zimmer voll Gold war.

Als nun der Besitzer des Hauses kam, um sein Geld in Empfang zu nehmen, führte ihn Don Giovanni in das Zimmer voll Geld und sprach: »So, jetzt nehmt so viel ihr wollt.« Der Andre schaute das Geld mit offenem Munde an, weil er aber sein Wort gegeben hatte, so konnte er nichts anderes thun, als sein Geld zu nehmen, und dem schmutzigen Bettler sein Haus zu überlassen. Da nahm er seine Frau an der Hand, und verließ mit ihr das Haus, wie Don Giovanni ihm vorhergesagt hatte. Der aber zog vergnügt in das Haus ein, und ließ sich nichts abgehen. Nur wurde er mit jedem Tage schmutziger und häßlicher. Nun begab es sich, daß der König einmal viel Geld brauchte, und da er von diesem steinreichen Don Giovanni hörte, so schickte er zu ihm, und ließ ihn bitten, ihm eine große Summe Geldes zu leihen. Don Giovanni war gleich bereit, ließ einen großen Wagen hoch mit Geldsäcken beladen und schickte sie ihm. Der König war sehr erstaunt und dachte: »Wer ist dieser? der ist ja viel reicher als ich.« Als er nun wieder Geld eingenommen hatte, ließ er dem Don Giovanni seine Säcke füllen und schickte sie ihm zurück, der aber sprach zu den Dienern: »Saget dem König, er beleidige mich auf diese Weise. Ich soll doch das bischen Geld nicht zurücknehmen? Und wenn er es nicht will, so behaltet ihr es.« Die Diener gingen zum König zurück, und sagten ihm Alles, und der König verwunderte sich immer mehr über den reichen Mann. Da sprach er eines Tages zur Königin: »Liebe Frau, dieser Mann hat mir einen großen Dienst erwiesen, und hat erst noch das Geld nicht zurücknehmen wollen. Da er nun ein so reicher Herr ist, so will ich ihm meine älteste Tochter zur Frau geben.« Die Königin war es zufrieden, und der König schickte einen Gesandten zu Don Giovanni, und ließ ihn fragen, ob er ihm die Ehre erweisen wolle, seine älteste Tochter zu seiner Gemahlin zu nehmen. »Nun,« dachte Don Giovanni, »jetzt geht ja alles gut, wenn ich die Tochter des Königs zu meiner Frau bekomme,« und sagte ja. Da schickte der König wieder zu ihm und ließ ihn bitten, er möge[91] ihm doch sein Bildniß schicken, seine älteste Tochter wünsche es zu sehen. Das that Don Giovanni, als aber die Königstochter den schmutzigen, struppigen Pilgrim erblickte, fing sie laut an zu schreien: »Diesen schmutzigen Bettler soll ich heirathen? Nein, ich will ihn nicht! ich will ihn nicht!« »Ach, Kind,« bat der König, »wie konnte ich wissen, daß dieser reiche Don Giovanni ein so häßlicher Mensch ist? Aber nun habe ich mein königliches Wort gegeben, und nun hilft nichts, du mußt ihn heirathen.« »Nein, Vater, das thue ich nicht. Ihr könnt mir den Kopf abhauen, aber diesen schmutzigen, nichtswürdigen Bettler heirathe ich nicht.« Auch die Königin sprach wie ihre Tochter, und machte dem König viele Vorwürfe, daß er seiner Tochter einen so ekelhaften Menschen zum Mann geben wolle. Die jüngste Tochter aber sprach: »Lieber Vater, seid nicht so traurig. Wenn meine Schwester den Don Giovanni nicht will, so nehme ich ihn, denn euer königliches Wort dürfet ihr nicht brechen.« Da war der König sehr erfreut und umarmte sein liebes Kind; die Königin aber und ihre älteste Tochter lachten die Jüngere aus.

Nun schickte der König wieder einen Gesandten zu Don Giovanni, und ließ ihm sagen, er möge den Tag der Hochzeit feststellen, denn die Königstochter sei bereit. »Gebet mir zwei Monate Zeit,« antwortete Don Giovanni. Nach einem Monat aber waren die drei Jahre, drei Monate und drei Tage seines Bundes mit dem Teufel um. Da ließ sich Don Giovanni seinen langen Bart abnehmen, sich saubere Kleider geben, badete einen ganzen Monat in wohlriechendem Wasser und nach dieser Zeit war er ein so schöner Jüngling, wie man nirgends einen schöneren sehen konnte. Dann legte er königliche Kleider an, setzte sich in ein wunderschönes Schiff und fuhr in die Stadt, wo der König wohnte. Da er nun in den Hafen einfuhr, kamen der König und die Königin mit ihren beiden Töchtern aufs Schiff, um ihn zu begrüßen, und die ältere Königstochter nebst ihrer Mutter lachten immer die Jüngste aus, daß sie nun einen so schmutzigen Mann kriegen werde. Als sie aber den wunderschönen Jüngling erblickten, wurden sie so von Zorn und Neid erfüllt, daß sie sich Beide ins Meer stürzten und ertranken; und der Teufel nahm ihre beiden Seelen. Die[92] jüngste Königstochter aber war hoch erfreut über ihren schönen Gemahl, und sie fuhren ans Land und feierten eine glänzende Hochzeit; und als der alte König starb, wurde Don Giovanni König, und weil er die Börse hatte, ging ihm auch das Geld nie aus. Da blieben sie zufrieden und glücklich, und wir wie ein Bündel Wurzeln2.

1

Vizzottu miu, nesci danaru.

2

D.h. wir haben nichts davon.

Quelle:
Gonzenbach, Laura: Sicilianische Märchen. Leipzig: Engelmann 1870, S. 89-93.
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