Die Granatäpfel.

[42] Es war einmal ein König, dessen Sohn war schwermütig. Er lachte nie, und es gab keine Vergnügungen und Zerstreuungen, die ihn zum Lachen gebracht hätten. Einmal fiel es dem Vater ein, der nicht wußte, wie er es anfangen sollte, ihn zu erheitern, auf dem Platz vor dem Schlosse drei Brunnen springen zu lassen, einen mit Wein, einen mit Öl, einen mit Essig. Alle gingen hin, sich davon zu holen, und stießen und schlugen sich, und eine Menge spaßhafter Szenen fielen vor, aber umsonst! Der Prinz sah aus einem Fenster des Schlosses, aber es kam nicht dazu, daß er lachte. Wein und Essig waren zu Ende, das Öl tröpfelte nur noch, als ein altes Weibchen mit einem Fläschchen kam und anfing es zu füllen, Tropfen für Tropfen, und lange stehen mußte, bis sie ungeduldig wurde. Dem Prinzen, der am Fenster stand, machte es Spaß, ihr zuzusehen, und um sie zu peinigen, nimmt er, als sie ihr Fläschchen beinahe gefüllt hatte, einen Stein und wirft ihn so geschickt, daß das Glas zerbricht. Dann lacht er aus vollem Halse.

Die Alte, ganz wütend, wendet sich um. »Ha, du lachst? Bravo! lache nur. Aber du wirst dich nie wohl befinden, wenn du nicht ein Mädchen aus Milch und Blut findest!« – Diese Worte ließen ihn wieder schwermütig werden mehr als zuvor, und er sagte zum Vater, er wolle fort, das Mädchen von Milch und Blut zu finden, von dem die Alte ihm gesagt hatte. Er steckte Geld ein und ging, und ging eine Weile und sah viele Städte und verschiedene Länder, aber ein solches Mädchen fand er nicht.

Eines Morgens kam er in einen Wald und geht und geht und wird durstig, findet aber kein Wasser zum trinken, noch ein Haus,[43] dort eins zu bekommen. Da setzt er sich auf die Erde, denn er konnte wirklich nicht weiter, und als er sich etwas ausgeruht hatte, hebt er den Kopf und sieht einen Baum mit drei Granatäpfeln. Schau, sagt er, ich will mir einen pflücken, um nur ein wenig den Durst zu stillen. – Er bricht einen ab, macht ihn auf, und herausspringt ein schönes Mädchen weiß und rot und aus Milch und Blut gemacht. Der Prinz sagt ihr: »Willst du kommen und bei mir bleiben?« – »Hast du zu essen und zu trinken?« – »Nein.« – »Dann bleibe ich nicht bei dir.« – Und sie kehrt in den Granatapfel zurück und hängt sich wieder an. Der Prinz pflückt einen anderen Granatapfel ab, bricht ihn auf, und ein anderes Mädchen kommt heraus. Auch die fragt ihn, ob er zu essen und zu trinken habe, und er verneint es. Da verläßt auch diese ihn und will nicht bei dem Prinzen bleiben. Da pflückt er die dritte Frucht, wieder kommt ein Mädchen aus Milch und Blut heraus, diesmal aber beantwortet er ihre Frage mit Ja. – »Also werde ich bei dir bleiben.« – Sie sagte ihm, eine Fee habe sie so verzaubert und halte sie in den Granatäpfeln eingeschlossen. Sie hätten eine Zaubergerte, eine Haselnuß, eine Mandel und eine Nuß, die ihnen die Fee aufzuheben gegeben habe; das alles nahm das Mädchen mit. Sie schlägt die Gerte: »Ich will einen Wagen mit den Pferden« – und sofort erscheint ein schöner Wagen mit den Pferden. Beide setzten sich hinein und fuhren fort.

Die Fee, die eine alte Frau war, kehrt zurück, läßt die Mädchen aus den Granatäpfeln herauskommen und sieht nur zwei. »O, wohin ist Caterina gekommen?« Die beiden anderen erzählten alles, was sich zugetragen hatte, und die Alte macht sich eilig auf, Caterina zu verfolgen. Die aber gab acht, da sie sie erwartete, und kaum sah sie sie von weitem kommen, warf sie die Nuß weg und sogleich stand eine Kapelle da, sie selbst war in einen Priester verwandelt und er in einen Kleriker.

Die Alte tritt in die Kapelle ein. »Habt Ihr nicht ein Mädchenmit einem jungen Mann vorbeikommen sehen?« – »Was wollt Ihr?« antwortete der Kleriker. »Wollt Ihr Messe hören? Eben läutet es.« – »Aber nein! Ich frage, ob Ihr ein Mädchen mit einem jungen Menschen gesehen habt.« – »Ah! vielleicht wollt Ihr den Segen.« – Und sie machten sie so verwirrt, daß sie umkehrte. Sie aber stiegen wieder in den Wagen und fuhren fort. Die Alte aber ging wieder zu den Mädchen. – »Heilige Maria! Hat die Caterina auch die Nuß mitgenommen?« – »Freilich.« – Und wieder eilt die Alte hinter der Caterina her und erreicht sie. Die Caterina aber, kaum erblickt sie sie, wirft die Haselnuß weg, und sogleich erscheint ein schöner Garten, sie aber hat sich in eine Gärtnerin verwandelt, der Prinz in einen Gärtner. – »Hättet ihr vielleicht ein Mädchen gesehen mit einem jungen Menschen?« – »Was wünschen Sie?« sagt die Gärtnerin, »wollen Sie einen Strauß von Rosen? Ich werde ihn gleich pflücken.« – »Ach was, Rosen! Ich will« – »Ich verstehe. Sie wollen einen Strauß Akazienblüten. Ich hole ihn sofort.« – Kurz, sie machten ihr den Kopf so wirr, daß sie umkehrte. Und die beiden setzten ihren Weg fort. Die Alte aber fragt die beiden Mädchen: »Sagt doch einmal, hat die Caterina auch die Mandel mitgenommen?« – »Jawohl, alles hat sie fortgebracht, auch die Zaubergerte.« – »Oh, ich Ärmste! Was soll ich tun?«

Und sie fängt wieder an zu laufen und läuft und läuft und geschwinde, weil sie eine Fee war, und holt sie alsbald ein. Aber Caterina, sobald sie sie erblickt, wirft die Mandel weg und sogleich erscheint ein reißender Fluß, der Wasser zu enthalten schien, wie alle anderen Flüsse, aber wenn jemand hineinstieg, schnitt er ihn, als wären's geschliffene Klingen. So konnte die Alte nicht durch. Endlich aber entschloß sie sich doch, hineinzusteigen, um hindurchzuschwimmen; aber kaum war sie drin, so schnitt sie das Wasser in Stücke, und sie starb. Da verschwand der Fluß und alle Bezauberungen der Fee. Der Prinz und Caterina kehrten zurück, um die beiden anderen Mädchen zu[46] holen, und alle gingen nach dem Palast. Der Prinz heiratete Caterina, die die kleinste war, und vermählte die beiden anderen mit zwei anderen Prinzen. Und so wurde der schwermütige Prinz heiter und wußte nun nichts mehr von Melancholie.


(Pisa)

Quelle:
Heyse, Paul: Italienische Volksmärchen. München: I.F. Lehmann, 1914, S. 42-47.
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