6. Vom Dummbart und dem Wolf, der sein Freund war. (43)

[363] Es war ein alter blinder König, der hatte drei Söhne, zwei davon waren gescheit, der dritte aber einfältig. Und der König[363] hatte einen grossen Garten, darin stand ein schöner Apfelbaum mit schönen Äpfeln. Eines Tags bemerkte ein Diener, dass einer von den Äpfeln nicht mehr da war. Da schickte der König die nächste Nacht seinen ältesten Sohn in den Garten, der sollte acht geben. Aber er schlief ein und sah nichts, und wie am nächsten Morgen der Diener aufstand und zu dem Apfelbaum kam, da fehlte wieder ein Apfel. Die folgende Nacht liess der König den zweiten Sohn Wache stehn, aber auch der schlummerte ein und sah nichts, und als am andern Morgen der Diener wieder nachsah, fehlte abermals ein Apfel. Die dritte Nacht schickte der König den Dummbart hin, denn der bat inständig, man möchte doch auch ihn einmal aufpassen lassen. Er ging also in den Garten, und er schnitt sich einen wilden Dorn ab, setzte sich auf einen Stuhl und steckte den Dorn so in den Stuhl, dass er, wenn er einnickte, sich in den Dorn stechen musste. So hielt er sich bis Mitternacht wach, da kam ein Vogel angeflogen, und sein Gefieder glänzte, dass es im ganzen Garten so hell wie der Tag war. Jetzt sah der Dummbart, wie sich der Vogel auf der Spitze des Baumes niedersetzte; er nahm sein Gewehr, legte an und schoss durch die Zweige nach dem Vogel und schoss ihm eine Feder ab. Und er hob die Feder auf: die leuchtete wie eine Kerze in der Nacht leuchtet. Am andern Morgen ging der Dummbart mit der Feder zu seinem Vater, und wie er sie ihm vor die Augen hielt, fing er schon an ein bischen zu sehen. Da wollte der König seine zwei ältesten Söhne aussenden, die sollten ihm die Art Vögel suchen; den Dummbart aber wollte er nicht mitziehn lassen. Der küsste jedoch dem Vater die Hände, dass er ihn doch mitgehn lasse, und da liess der König denn alle drei ausziehn.

Sie ritten ihre Strasse. Da brach der Abend herein, und sie kamen vor eine Schenke. Die Wirtin in der Schenke war eine Witwe. Der älteste Bruder fragte die Wirtin, ob sie sie die Nacht beherbergen wollte, und der wars recht. Der Dummbart aber machte den Diener bei seinen Brüdern und wartete ihnen bei Tisch auf. Und die Wirtin fand Gefallen an dem Dummbart und fragte ihn ›Wollen wir beide nicht Mann und Frau werden?‹ Er aber sagte ›Gern, gib mir nur ein Erinnerungszeichen mit auf die Reise, damit ich dich nicht vergesse.‹ Da schenkte sie ihm eine Scheere und sagte ›Mit der Scheere brauchst du nur einmal so zu knipsen,[364] da ist gleich ein Kleid fertig.‹ Am andern Morgen, wie sie aufgestanden waren, bediente der Dummbart wieder seine Brüder beim Frühstück, sie dankten der Wirtin für die Herberge und zogen weiter. Sie ritten den Tag über, und als es Abend wurde, kamen sie an eine Schenke, und die Schenke gehörte wieder einer Witwe, und sie baten um Nachtlager. Der Dummbart bediente seine Brüder beim Thee, und die Wirtin hatte Wolgefallen an ihm und fragte ihn ›Wollen wir zwei nicht Mann und Frau werden?‹ ›Gern‹, sagte der Dummbart, ›gib mir nur ein Erinnerungszeichen mit auf die Reise, damit ich dich nicht vergesse.‹ Da schenkte sie ihm ein Messer und sprach ›Damit brauchst du nur so ein bischen übern Tisch hin und her zu fahren, so stehen allerlei schöne Braten darauf.‹ Am andern Morgen, als sie aufgestanden waren, bediente der Dummbart seine Brüder wieder beim Frühstück, sie dankten fürs Nachtquartier und ritten weiter. Sie ritten den ganzen Tag über, und wie der Abend hereinbrach, kamen sie wieder an ein Wirtshaus. Sie baten um Nachtlager und wurden aufgenommen. Der Dummbart machte bei Tisch wieder den Diener. Und die Wirtin fragte ihn ›Wollen wir zwei nicht Mann und Frau werden?‹ Er antwortete: ›Mir solls recht sein, nur gib mir auf die Reise ein Erinnerungszeichen mit, auf dass ich dich nicht vergesse.‹ Da schenkte sie ihm so'n Trinkschälchen und sagte ›Du brauchst damit nur ein bischen aufzuklopfen, dann stehen allerhand schöne Getränke da.‹ Am nächsten Morgen ritten die drei Königssöhne ihres Wegs weiter und kamen an einen Kreuzweg. Da sprach der älteste zum zweiten ›Ich reite hier hinaus, reite du dort hinaus‹, und zum Dummbart sagte er ›Und du reite nur immer gradezu.‹

Die zwei ältesten führte ihr Weg nach Schlössern. Der Dummbart aber kam in einen Wald und stiess da auf einen Wolf. Der Wolf sprach ›Steig ab und begrab mir meinen Vater.‹ Aber der Dummbart hatte keine Lust abzusteigen, und da sagte der Wolf ›Ich will auch dein Freund sein.‹ Da stieg er denn ab, der Wolf gab ihm eine Holzschaufel, zeigt' ihm, wo er für seinen Vater das Grab graben solle, und jener ging an die Arbeit. Wie er aber zurückkommt, sieht er, dass der Wolf inner der Weile sein Pferd aufgefressen hatte. Da hub er an um das Pferd zu jammern, und da fragte ihn der Wolf ›Wohin geht denn deine Reise?‹ Der[365] Dummbart antwortete ›Ich will auskundschaften, wo es die Art Vögel gibt, wie einer neulich in meines Vaters Garten geflogen kam und den Apfel pflückte.‹ ›Ich weiss das Schloss, wo diese Vögel sind‹, sprach der Wolf, ›setz dich nur auf mich, ich will dich hintragen.‹ Da setzte sich der Prinz auf den Wolf, und der trug ihn über eine Haide ohne Weg und Steg stracks nach dem Schloss. In dem Schloss aber standen drei Käfige, und der Wolf sprach zum Prinzen ›Der erste Käfig, an den du kommst, wenn du ins Schloss eintrittst, ist schön, der zweite ist noch schöner und der dritte Käfig ist der schönste; nimm dir den ersten Käfig, sonst wirst du bei dem Diebstahl erwischt.‹ Der Prinz ging hinein, aber er nahm den dritten Käfig, da war der schönste Vogel drin. Und da kam auch schon der Herr des Schlosses herbei und rief ihm zu ›He, was machst du hier?‹ ›Ei ich stehle Vögel‹, versetzte der Prinz. Da nahm ihm der Herr den Käfig ab und fragte ihn ›Verstehst du dich gut aufs Stehlen?‹ ›Jawol.‹ ›So hör mich an: auf dem und dem Schloss stehen drei Schimmel, stiehl mir einen davon, dann geb ich dir den Käfig dafür.‹ Der Prinz ging darauf zum Wolf zurück und erzählte ihm, dass er mit dem Vogel ertappt worden wäre, und was ihm der Schlossherr für einen Auftrag gegeben hatte. Da sagte der Wolf ›Komm und setz dich auf,‹ und trug ihn stracks querfeldein nach dem Schloss. Dort sprach er ›Wenn du nun in den Stall kommst, so nimm den vordersten Schimmel weg.‹ Der Prinz ging in den Stall: das vorderste Pferd war schön, aber das zweite war schöner und das letzte das schönste. Da nimmt er das schönste weg, und wie er den Schimmel aus dem Stall herausführen will, da kommt der Schlossherr dazu und spricht ›Was machst du da?‹ ›Ich stehle des Herrn Schimmel‹, erwiederte der Dummbart. Da nahm ihm der Herr das Thier wieder ab und sagte ›Verstehst du dich gut aufs Stehlen?‹ ›Jawol.‹ ›So höre: in dem und dem Schloss da lebt ein Fräulein, die hat Zeit ihres Lebens noch keinen Mann vor ihre Augen gelassen. Stiehl du mir das Fräulein, dann soll der Schimmel dein sein.‹ Der Prinz kam zum Wolf zurück und erzählte ihm, dass er mit dem Schimmel erwischt worden wäre, und was ihm der Schlossherr gesagt hatte. Der Wolf hiess ihn darauf wieder aufsitzen und trug ihn schnurstracks nach dem Schloss, wo das Fräulein wohnte.

Der Dummbart zog Mädchenkleider an und trat so ins Schloss.[366] Er ging in die Küche und fragte die Wirtschafterin, ob sie ihn als Hirtenmädchen annehmen wollten. Die Wirtschafterin führte ihn zum Fräulein, und das Fräulein sah ihm ins Gesicht und sprach ›Wenn ich dir so ins Gesicht schaue, so ist mirs, als müsstest du ein Mannsbild sein.‹ Der Dummbart wollte das nicht Wort haben und behauptete, nein er wäre ein Mädchen. Aber das Fräulein kam doch dahinter, und da ging sie her und liess ihn vor einen Karrn spannen, und da musste er Erde fahren. Eines Tags nun, als der Dummbart zum Mittagessen in die Gesindestube kam und auch die andern zu Tisch kamen, sagte er ›Leute, was sollen wir immer so zerlumpt herumlaufen!‹ und er nahm sein Scheerchen heraus, knipste etliche Male damit, und da hatte jeder einen schönen Rock an. Jetzt brachte ihnen die Wirtschafterin das Mittagessen herein, und wie die die Leute alle wie Herren angezogen dasitzen sah, kehrte sie gleich wieder um, lief zum Fräulein und erzählte ihr das Wunder. Das Fräulein kam selbst schauen, und sie hatte ihre Lebtage noch keine so schönen Kleider gesehn. Sie fragte ›Wer von euch ist denn der Meister?‹, und der Dummbart sprach ›Ich bins.‹ ›Ei wie bringst du das nur fertig?‹, fragte sie dann. ›Ich habe da so ein Scheerchen, da knipse ich einmal und das Kleid ist fertig.‹ Da bat ihn das Fräulein, er möchte ihr doch das Scheerchen schenken. Der Dummbart aber antwortete ›Zeig mir deine Füsse bis zu den Knien nackend, so schenk ich dirs.‹ ›Was? Ich, die Zeit ihres Lebens noch nichts mit Mannsleuten zu schaffen gehabt hat, ich soll dir meine Füsse bis zu den Knien nackend zeigen?‹ Aber die Wirtschafterin sprach zum Fräulein ›Ei was ist da weiter! Zeigs ihm nur, und du hast das Scheerchen. Bedenk nur: einmal knipst man, und da ist schon ein Kleid fertig; da brauchst du keine Kleider mehr zu kaufen und dich nach keinem Schneider mehr umzuthun.‹ Da wars dem Fräulein recht, und sie zeigte dem Dummbart in ihrem Zimmer, was er sehn wollte, und der gab ihr dafür das Scheerchen. Dann aber musste er wieder vor den Karrn. Am nächsten Tag sass der Dummbart wieder mit den andern zum Mittagessen in der Gesindestube, und die Wirtschafterin trug auf. Da sagte er zu den Leuten ›Leute, was sollen wir immer den niederträchtigen Bartsch1 essen![367] Können wir nicht Braten haben?‹ Und damit zog er sein Messer aus der Tasche, fuhr damit ein bischen auf dem Tisch hin und her, und im Nu standen allerhand Braten darauf. Die Leute machten sich über die Braten her, die Wirtschafterin aber lief zum Fräulein: ›Was auf dem Gesindetisch auf einmal für schöne Braten stehn! Unsern Bartsch essen sie nicht!‹ Das Fräulein ging selbst hin und fragte ›Wer von euch hat das zu Wege gebracht?‹ ›Ich‹, meldete sich der Dummbart. Und als die Herrin dann fragte ›Womit hast du denn die Braten zu Wege gebracht?‹, da holt' er das Messer aus der Tasche und sagte ›Damit.‹ Drauf das Fräulein ›So mach's doch auch einmal vor meinen Augen.‹ Und der Dummbart fuhr ein wenig auf dem Tisch hin und her, und da standen gleich wieder etliche Braten da. Jetzt sagte das Fräulein ›Schenk mir das Messer.‹ Er aber erwiederte ›Ich schenke dirs, wenn du dich mir bis zu den Hüften herauf nackend zeigst.‹ ›Was? Ich, die Zeit ihres Lebens noch nichts mit Männern zu schaffen gehabt hat, ich soll mich dir bis zu den Hüften nackend zeigen?‹ Aber die Schaffnerin sprach zu ihr ›Zeig's ihm nur! Was ist denn da weiter? Bedenk nur: wenn wir das Messerchen haben, brauchen wir nicht mehr zu kochen und zu braten: nur einmal fährt man auf dem Tisch ein bischen hin und her, und die Braten stehn fertig da.‹ Da sagte denn das Fräulein zum Dummbart ›So komm mit, ich will dirs zeigen.‹ Sie zeigt' es ihm, und er gab das Messerchen hin, und dann wurde der Dummbart wieder an den Karrn gespannt. Am nächsten Tag beim Mittagsessen sagte er zum Gesinde ›Leute, können wir nicht allerlei schönes zu trinken haben?‹, und er zog das Trinkschälchen aus der Tasche, klapperte damit ein bischen auf dem Tisch, und sieh da standen allerhand schöne Getränke darauf. Die Schaffnerin brachte das Essen, und wie sie die Getränke erblickte, holte sie wieder das Fräulein herbei. Dem Fräulein waren noch nie so köstliche Getränke vorgekommen, und sie fragte ›Wer ist denn der Meister?‹ Wieder meldete sich der Dummbart und sprach ›Der bin ich.‹ Das Fräulein fragte ihn darauf ›Womit aber bringst du das nur zu Wege?‹ Da zog er das Schälchen aus der Tasche und sagte ›Hiermit.‹ Und wie nun das Fräulein sagte ›So lass mich einmal sehn, wie du's anfängst‹, da klapperte er ein wenig auf dem Tisch, und da stand noch mehr zu trinken darauf. Das[368] Fräulein bat ihn jetzt ›Schenk mir das Schälchen.‹ ›Lass mich diese Nacht bei dir schlafen, so will ich dirs schenken‹, antwortete der Dummbart. Und sie fuhr wieder los, sie habe Zeit ihres Lebens noch nichts mit Männern zu schaffen gehabt. Aber die Wirtschafterin sprach zu ihr ›Was ist denn da weiter? Thu's nur, dann ist die schöne Einrichtung dein.‹ Da war's denn dem Fräulein recht, sie rief ihn zu sich in ihr Zimmer, sie schliefen die Nacht zusammen, und er schenkte ihr am andern Morgen das Trinkschälchen.

Ueber einige Zeit da sagte der Dummbart zu dem Fräulein, sie solle seine Frau werden, und er wolle sie nach seiner Heimat mitnehmen, und das Fräulein sagte Ja. Sie hatte aber viel Geld und nahm alles mit. Wie sie nun des Fräuleins Schloss verlassen hatten und an die Stelle kamen, wo der Dummbart sich vom Wolf getrennt hatte, da sass der Wolf immer noch da und wartete. Der Dummbart fütterte ihn, und da fragte sie ihn, wer das wäre. ›Ei so sehn bei uns zu Land die Pferde aus‹, antwortete er, ›komm lass uns aufsitzen, das Thier trägt uns heim.‹ So ritten sie denn auf dem Wolf davon und kamen zu dem Schloss, wo die Schimmel standen. Da sagte der Wolf zum Dummbart ›Mach mir hurtig ein Frauenkleid, dann will ich bei dem Herrn das Fräulein vorstellen. Der Herr hat ja das Fräulein doch noch nie gesehn, da wird ers nicht merken. Führ mich zu ihm hin und sag ihm, er dürfe die ersten vier Stunden nicht kommen mich zu besehn, denn ich hätte noch nie einen Mann gesehn, und da könnte mich leicht ein Schreck befallen.‹ Der Dummbart führte den Wolf in das Schloss, und der Herr schenkte ihm für das Fräulein statt des einen versprochenen Schimmels zwei und dazu noch eine schöne Kutsche. Darauf setzte der Dummbart vor dem Schloss seine Braut in die Kutsche, und sie fuhren davon. Der Herr aber geduldete sich die Weile, und als er sich dann das Fräulein ansehn wollte und das Zimmer aufmachte, in das er sie gethan hatte, da sauste das Fräulein zur Thür hinaus und war weg. Der Wolf holte die Kutsche ein, setzte sich hinein, und die Reise ging weiter. ›Nun wollen wir‹, sprach der Wolf, ›nach dem Schloss fahren, wo die Vögel sind. Da musst du mich als Schimmel verkleiden und zu dem Herrn hinführen.‹ Sie kamen ans Schloss, der Dummbart brachte dem Herrn den Schimmel, und sagt' ihm, das Pferd müsse[369] gleich Hafer haben und müsse noch eine Weile ruhig stehn. Und der Herr schenkte ihm für den Schimmel die drei Vögel. Die that der Dummbart in die Kutsche und fuhr ab. Als der Herr aber nach einiger Zeit in den Stall gehn wollte, um sich sein Pferd zu betrachten, da bäumte sich das, schlug ihn zu Boden und lief hinaus, und holte den Dummbart ein, und sie fuhren weiter.

Sie waren nun nicht mehr weit von des Dummbarts Heimat, da liess dieser den Wolf heraus, und der Wolf blieb am Wald zurück. Der Dummbart aber fuhr an einer Schenke vor und fand darin seine zwei Brüder, die mit ihm damals ausgeritten waren die Vögel zu suchen. Wie diese jetzt des Dummbarts Glück sahen, da wurden sie voll Ärger und Galle und warfen ihn in den Brunnen, das Fräulein aber und die Vögel und die Kutsche mit den Schimmeln nahmen sie und fuhren damit nach Haus. Zu Haus machten sie den Vater wieder ganz sehend und erzählten ihm dann, sie hätten in einem Schloss die Vögel und das Fräulein und die Schimmel gefunden, und der älteste Sohn sagte ›Ich bin der älteste, da will ich das Fräulein heiraten.‹

Der Wolf aber, der dort am Walde geblieben war, traute der Sache doch nicht recht und wollte einmal selbst sehen. Er kam an die Schenke, da schaut' er in den Brunnen, und da lag sein Kamerad drin. ›Wie willst du denn da wieder herauskommen? das ist ja schrecklich tief!‹ rief er hinunter. ›Ach da komm ich nimmer heraus!‹, klagte der Dummbart. ›Na, so will ich zu dir hinunterkommen‹, und damit sprang der Wolf zum Dummbart hinab und sprach zu ihm ›Jetzt setz dich auf mich, dann spring ich mit dir in die Höh.‹ Der Wolf sprang ein Mal, und sie fielen wieder zurück, sprang noch ein Mal, und jetzt kamen sie heraus. Drauf sprach der Wolf ›Nun lauf zu, dass du nach Haus kommst, denn dein ältester Bruder will dir dein Fräulein abnehmen, und er ist schon dabei, mit ihr zur Trauung zu fahren.‹ Der Dummbart kommt zu Haus angelaufen, da will sein Bruder grade schon mit dem Fräulein in die Kutsche steigen, und wie der Bruder den Dummbart kommen sieht, fährt er geschwind ab. Aber der Wolf war hinter dem Dummbart hergelaufen, und wie er die Hochzeitskutsche nach der Kir che zu fahren sah, warf er sich flugs zwischen die Pferde, die stoben auseinander, und der Wagen konnte nicht weiter.[370] Jetzt erzählte der Dummbart seinem Vater, dass die Brüder ihn in den Brunnen geworfen hätten und dass er es wäre, der die Vögel gefunden hätte, und er hätte darum viel Not und Mühsal gehabt, die Brüder wollten ihm aber jetzt sein Fräulein abnehmen. Der Vater sprach ›Gedulde dich!‹ und rief seinen ältesten Sohn zurück. Und wie der mit dem Fräulein ankam, da sah das Fräulein den Dummbart und rief ›Dieser da das ist mein Mann!‹ Und da wusste der Vater, dass der Dummbart wahr gesprochen hatte, und gab ihm und dem Fräulein seinen Segen, und er schenkte ihm, weil er es war, der die Vögel aufgefunden hatte, die Hälfte seines Königreichs. Und sie leben heute noch, wenn sie nicht gestorben sind.

1

Ein litauisches Nationalgericht, eine breiartige Suppe von gesäuerten roten Rüben.

Quelle:
Leskien, August/Brugman, K.: Litauische Volkslieder und Märchen. Straßburg: Karl J. Trübner, 1882, S. 363-371.
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