Vom armen Taglöhner, der sein Glück machte.

[105] Einst hielt sich in einem Dorfe bei einem Bauer ein Taglöhner auf, der so arm war, daß er gar nichts hatte; er, seine Frau und seine Kinder waren in Lumpen gekleidet und starben fast Hungers, und Verdienst konnte er nirgends finden. So wuste er nicht, was er thun sollte, und entschloß sich eines Tages, ohne jemandem etwas zu sagen, fort zu gehen, um unter Weges entweder zu sterben oder irgend wo Verdienst zu finden. Als er nun weg gegangen war und schon ein gutes Ende Weges zurück gelegt hatte, traf er einen alten Mann der ihn fragte ›Wo gehst du hin?‹ Er sagte »Ach, ich weiß selbst nicht wohin ich gehe; ich gehe nur so von großem Kummer getrieben in die Welt hinein, weil ich zu Hause nicht bleiben kann, denn ich bin sehr arm; vielleicht finde ich irgend wo Arbeit; wenn nicht, nun so muß ich sterben.« Das alte Männlein sagte zu ihm ›Geh mit mir, ich werde dir aus der Not helfen.‹ Da führte er ihn in einen Wald und auf einen recht hohen Berg, und auf dem Berge stund ein Tischchen. Da sagte der Alte zu ihm ›Da, das Tischchen schenke ich dir. Wenn du sagen wirst »Tischlein, decke dich,« so werden allerlei Speisen, wie du sie dir nur wünschest, darauf sein; trag dir das Tischlein nun nach Hause, so wirst du alles Elends los und ledig sein, aber bleib auf dem Heimwege nirgend über Nacht.‹ Der Taglöhner gieng nun voll der grösten Freude mit dem Tischlein seines Weges. Als er aber noch weit von seinem Häuschen war, begann es zu dunkeln und er fürchtete sich in der Nacht mit einem so wertvollen Geschenke zu gehen, deshalb gieng er in eine Schenke um da zu übernachten. Als der Wirt mit seinen Leuten das Abendeßen genoß, da stellte der Mann sein Tischchen in einem Winkel hin und sagte »Tischlein, decke[105] dich« und sogleich war auf dem Tische allerlei leckere Speise und Trank, und der arme Mann konnte wie ein hoher Herr speisen und trinken. Der Wirt, der das alles mit an sah, bekam großes Gelüsten nach dem Tischlein, und als der gute Mann Nachts schlief, so vertauschte er es mit einem andern. Als nun der Taglöhner sein Tischlein heim brachte und seiner Frau sagte, das Tischlein werde ihnen aus aller Not helfen, da gab es eine Freude und ein Springen bei den Kindern und sie konnten es gar nicht erwarten, bis der Vater seine wunderbare Hilfe mit dem Tischlein bringen werde. Der Vater stellte nun das Tischlein säuberlich hin und sagte ›Tischlein, decke dich!‹ aber auf dem Tische kam weder ein Tischtuch noch ein Bißen Brot oder Fleisch noch sonst etwas zum Vorschein. Er dachte, vielleicht sei der Ort schuld und stellte das Tischlein anders wohin; aber er konnte es stellen wohin er wollte, es half alles nichts, der Tisch blieb leer.

Da machte sich der Taglöhner wieder auf, und als er wieder ein gutes Ende gegangen war, begegnete ihm wieder der Greis und fragte ihn ›Wo gehst du hin?‹ Er sagte wieder »Ich weiß nicht, wohin ich gehn und wo ich mich laßen soll.« Der Alte sagte ›Komm mit!‹ und führte ihn wieder in den Wald und auf den Berg. Da war ein Schäfchen; das schenkte das alte Männlein dem Taglöhner und sagte ›Wenn du sagen wirst »Schäflein, schüttel dich!« so wird Geld von ihm fallen; jetzt nimms und trags nach Hause, aber bleib nirgends über Nacht, sondern geh so schnell als du kannst nach Hause.‹ Aber als er gieng und noch weit von seiner Heimat war, ward es dunkel und er muste in dieselbe Schenke gehn, um zu übernachten. Er hatte nichts zum Abendeßen, aber er stellte sein Schäflein hin und sagte ›Schäflein, schüttel dich!‹ Da begann das Geld von ihm klingend auf den Boden zu fallen; das las er auf und ließ sich sein Abendeßen bereiten. Dem Wirte gieng das Schäfchen wieder sehr zu Herzen, und als der Taglöhner schlief, vertauschte er abermals das Schäfchen. Als der Mann nach Hause kam, verkündete er wieder, daß das Schäflein aller Not ein Ende machen werde. Seine Frau konnte das nicht begreifen und deshalb stellte er das Schäflein hin und sagte ›Schäflein, schüttel dich!‹ Das Schäflein aber verstand das nicht und schüttelte sich nicht. Da ergriff es der Taglöhner und schüttelte es so sehr er nur konnte, aber es fiel auch nicht ein Groschen herab. Da nahm er es und schlachtete es und aß sich doch wenigstens ein paar Mal satt.[106]

Sodann gieng der Taglöhner zum dritten Male weg und traf wieder das alte Männlein, das ihn wieder fragte, auf den Berg führte und einen Sack schenkte; in dem Sacke war aber ein mächtiger Knüttel. Der Alte sagte zu ihm ›Wenn du sagen wirst »Knüttel, komm heraus!« da wird er aus dem Sacke springen und so lange zuschlagen, bis du sagen wirst »Knüttel, in den Sack!« und dieses Mal kannst du in der Schenke übernachten, in der du zu übernachten pflegst.‹ Der Taglöhner gieng also mit dem Sacke, den er geschenkt erhalten, wieder in die Schenke, in welcher er jene beiden Male die Nacht zugebracht hatte. Als es Zeit zum Abendeßen war, dachte der arme Mann, der Sack werde ihm etwas zum Abendeßen verschaffen und sagte ›Knüppel, aus dem Sack!‹ Sogleich sprang der Knüppel zum Sacke heraus und fieng nun an, hast du nicht gesehn, den Wirt und die Wirtin so durch zu prügeln, daß beide nicht wusten wohin und wo hinaus. Da begann der Wirt den Taglöhner zu bitten, er solle ihnen doch helfen, sie würden ja das Tischlein und das Schäflein wieder her geben. Jetzt merkte erst der Taglöhner, daß der Wirt und seine Frau ihn betrogen hatten, und deshalb ließ er sie so zerdreschen, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten; und als er endlich meinte, es sei genug, da sagte er ›Knüppel, in den Sack!‹ Sogleich hörte der Knüppel auf zu schlagen und sprang in den Sack. Der Schenker brachte nun schnell Tisch und Schaf herbei und sagte ›Da, ich bitte dich schön, nimm dein Tischlein und dein Schäflein wieder und laß uns nicht wieder so prügeln!‹ Der Taglöhner versprach, es nicht wieder thun zu wollen, wenn sie ihm nicht wieder einen Streich spielen würden. Jetzt sagte er ›Tischlein, decke dich!‹ da war gleich allerlei Speise und Trank darauf, und dann ›Schäflein, schüttel dich!‹ da schüttelte sich das Schäflein und Geld begann herab zu fallen. Jetzt sah er, daß das wirklich dasselbe Tischlein und dasselbe Schäflein sei, das ihm das alte Männlein auf dem Berge gegeben hatte, und als er in der Schenke gut übernachtet hatte, gieng er froh nach Hause.

Als er angekommen war, sagte er zu seiner Frau ›Na, Mutter, diesmal habe ich doch das ganze Glück gefunden: jetzt freut euch, jetzt ists aus mit aller Not.‹ Als die Frau das Tischlein und das Schäflein wieder sah, fieng sie an fürchterlich auf ihren Mann zu schelten und zu lästern ›Du Schafsohr, was bist du doch für ein Schwachkopf und für ein Mensch ohne allen und jeden Verstand; wenn du auch nur einen Groschen, um Salz zu kaufen, verdientest, so wäre das[107] doch etwas andres als das Tischlein da.‹ Der Mann sagte nichts darauf, sondern hörte immer nur zu; als sie es aber gar zu arg machte, da erwischte er den Sack: ›Knüppel, aus dem Sack!‹ Da fuhr gleich der Knüppel aus dem Sacke und nun drauf los auf die Frau und trommelte sie durch. Ach, die fieng an sich um zu sehen und herum zu springen und dann zu schreien, aber es half alles nichts, der Knüppel gabs ihr, daß immer die Lungen dröhnten. Und als der Mann endlich meinte, es sei genug, da sagte er ›Knüppel, in den Sack!‹ da hörte der Knüppel auf zu schlagen und fuhr, husch! in den Sack hinein. Jetzt kam die Frau heulend und wehklagend zu ihrem Manne und bat, er solle doch keine solche Prügelei auf sie los laßen, sie werde auch nicht mehr so etwas thun. Sodann nahm der Mann das Tischlein, stellte es mitten auf den Stubenboden und sagte ›Tischlein, decke dich!‹ Gleich stunden allerlei Speisen und Getränke darauf, schön an zu sehen und lecker zu speisen und zu trinken, so viel als nur jedes wollte. Nach dem Eßen führte er das Schäflein herbei und sagte ›Schäflein, schüttel dich!‹ Da fieng es an sich zu schütteln und das Geld fiel nur so von ihm herab. Von der Zeit an ward der arme Taglöhner ein sehr reicher Mann und wegen des Knüppels kam er in großen Ruf; denn wenn irgend wo etwas Unrechtes geschehn war, ließ man ihn kommen und er übte mit seinem Knüppel stets die schönste Gerechtigkeit aus. Zuletzt kaufte er sich einen sehr wertvollen Hof, wo er vielleicht noch heutiges Tages lebt, wenn er nicht gestorben ist.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 105-108.
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