Vom schlauen Jungen.

[13] Es waren einmal zwei Brüder; der eine, ein sehr reicher Mann, war Kaufmann in der Stadt und kinderlos, der andere aber war ein armer Teufel auf dem Lande und der hatte drei Knaben, aber er war so arm, daß er nicht einmal etwas zu eßen hatte. Da gedachte einst der reiche seines armen Bruders, ließ sich die Pferde vor den Schlitten spannen, denn es war zur Winterszeit, packte für die drei Jungen der Reihe nach Kleider ein und fuhr hin zu seinem Bruder. Als er hin gekommen, hielt er vor der Thüre und sein Bruder kam heraus in einem alten zerrißenen Pelze und beide begrüßten sich freundlich und giengen in die Stube. Der Reiche sagte ›Bruder, wo ist deine Frau?‹ »Ach, Bruder, sie schämt sich hinter dem Ofen vor zu gehen; sie hat nichts an zu ziehen und ist schon ganz halb nackt.« ›Und wo sind deine Jungen?‹ »Die Jungen, die sind in der Schule.« Indem sie mit einander redeten, kamen die Kinder zum Eßen aus der Schule nach Hause gelaufen und grüßten ihren Ohm freundlich. Der Ohm hatte sein Wolgefallen an den Jungen und ließ ihnen sogleich die Kleider bringen, die er ihnen zu Hause hatte machen laßen, und wie sie angezogen waren, da ließ er sie ein Ende mitfahren und es traf sich, daß der Weg durch einen Wald führte, wo schöne Bäume zu sehen waren. Im Fahren kamen sie an dicke Eschenbäume. Da sagte der älteste von den Knaben ›Ohm, das gäbe gute Tische!‹ Der Ohm sagte »Na, mein Junge, willst du ein Tischler werden?« ›O ja (sagte[13] der Knabe) wenn nur mein Vater so viel aufbrächte, um mich in die Lehre zu thun.‹ Der Ohm nahm sein Journal1 und schrieb sich das auf. Sie fuhren weiter und kamen an starke Eichen. Da sagte der zweite ›Aber das wären herrliche Eichen für die Wagner.‹ Der Ohm sagte »Na, mein Junge, vielleicht willst du ein Wagner werden?« ›O ja, (sagte der Knabe) wenn nur mein Vater so viel aufbrächte, um mich in die Lehre zu thun.‹ Der Ohm zog sein Journal heraus und schrieb sichs auf. Sie fuhren noch ein Ende und kamen an schöne und hohe Bäume; aber der dritte sagte nichts. Der Ohm aber wartete darauf, ob denn der auch etwas sagen würde. Da kamen sie an ein solches Dickicht und verwachsenes Gestrüppe, daß nicht einmal eine Mücke ihren Schnabel hätte hinein stecken können; da sagte der jüngste ›Ohm, da könnte man gut ein Schnippchen schlagen.‹ Der Ohm denkt hin und her, aber er kann das Wort nicht verstehen und er muß den Kleinen fragen, was das sei und an was er denke. ›Ohm, (sagte der Junge) da könnten sich Räuber gut verstecken.‹ Der Ohm sagte »Na, vielleicht willst du gar unter die Räuber gehen?« ›O ja, wenn ich nur dazu kommen könnte?‹ Der Ohm zog sein Journal heraus und schrieb sich auch das auf. Sodann kehrte er wieder zu seinem Bruder zurück.

Als er von seinem Bruder Abschied genommen, fuhr er wieder nach Hause, und die Knaben seines Bruders nahm er alle drei mit zu sich in die Stadt und schickte sie in die Schule; nachher that er den einen zu einem Tischler und den anderen zu einem Wagner in die Lehre. Nicht weit von der Stadt aber war eine Heide, und auf der Heide hielten sich Räuber auf; dort hatten sie ihren Keller. Der Kaufmann aber war bekannt mit den Räubern; wenn die anderen Kaufleute aus der Stadt nach Waare fuhren, da gab er den Räubern Kunde davon. Zu diesen Räubern that er den dritten, und da sollte er das Räuberhandwerk lernen.

Als er schon eine Zeit lang dort gewesen, sah er bei den Räubern großes Unrecht, indem sie die Leute, wenn sie sie ausraubten, auch noch todt schlugen, und er sagte einmal ›Brüder, das ist nichts; warum schlagt ihr denn die Leute, die sind ja unschuldig; wenn ihr ihnen die Waare abnehmet, raubt ihr ihnen alles was sie haben, dann laßt doch die Leute laufen.‹ »Na da machs doch so, wenn du so schlau bist,«[14] sagten die Räuber zu ihm. Als nun ein großer Wagen mit Waare des Weges gefahren kam, da sagten sie »Geh und beraube einmal den Wagen!« Der Junge sagte ›Ich werde so viel rauben, als ich tragen kann, aber geht auch ihr mit, damit wir alle etwas bekommen, ich werde doch niemanden erschlagen.‹ Da hieng sich der Junge fünf Pistolen um und gieng in das Dickicht am Wege und wartete bis der Wagen kam. Wie der Wagen nun kam, da spannte er drei Pistolen; der Fuhrmann dachte ›Da sind wer weiß wie viele Räuber,‹ sprang vom Wagen, schnitt eiligst die Stränge ab, entfloh mit den Pferden und ließ den Wagen im Stiche. Da kamen die Räuber mit dem Jungen aus dem Dickicht hervor, nahmen vom Wagen was ihnen nur gefiel und trugen es in ihren Keller. Da sagte der Kleine ›Na seht, Brüder, ist das nicht beßer als wenn ihr die Leute ohne Not erschlagt?‹ Aber sie wurden böse auf ihn, weil er schlauer war als sie. Und als sie ihn unter die Gesellen thun wollten, da sagte der Räuberhauptmann zu ihm ›Du must uns deine List noch anders zeigen; jezt wird Jahrmarkt in der Stadt sein, stihl du uns da eine Ziege.‹ Der Kleine antwortete ›Na das ist ja gar nichts für mich, ich werde sie drei Mal stehlen und zwei Mal verkaufen.‹

Er gieng nun auf den Markt, stellte sich neben das Thor und wartete auf Leute mit Ziegen. Als er so wartete, brachte ein altes Männchen eine weiße Ziege; zu dem sagte er ›Wie, Väterchen, hast du die Geiß zu verkaufen?‹ »Ja, mein Sohn.« ›Na da werden wir beide ein Geschäft machen; was willst du für die Geiß?‹ »Drei Thaler.« Der dang nicht lange und sagte ›Komm, Väterchen, laß uns in die Stube gehen, ich werde ein Viertelchen Branntwein geben.‹ Während getrunken ward, gieng der Kleine hinaus, nahm die Ziege und gieng in ein Kornfeld bei der Stadt, machte seine Ziege bunt und führte sie wieder in die Stadt; und wie er sie hinein führte, begegnete er dem Alten, dem er die Ziege gestohlen hatte. Der alte Mann fragte ihn ›Mein Sohn, hast du die Ziege zu verkaufen?‹ »O ja, Väterchen.« ›Und was willst du für deine Ziege?‹ »Zehn Gulden«2. ›Da, mein lieber Sohn, ich hatte auch eine weiße Ziege zu verkaufen und wollte eine andere kaufen; ich hatte drei Thaler ausgedungen für die meinige, aber als wir beim Kauftrunk saßen, verschwand mein Käufer mit der[15] Ziege, die er mir stahl, denn er hatte das Geld noch nicht bezahlt; meine Ziege war gerade so eine wie deine, nur war meine weiß und deine ist bunt. Na wie, mein Sohn, gehts nicht unter zehn Gulden?‹ »Nein, anders gehts nicht, es ist eine sehr schöne Ziege und sie ist noch jung.« ›Na was ist zu thun wenn es nicht anders ist, was ist da zu thun?‹ Und er zahlte ihm das Geld. »Aber den Kauftrunk trinken wir noch,« sagte der Junge. Als sie tranken, gieng er hinaus, stahl dem Alten die Ziege, führte sie in ein Kornfeld, schwärzte die Ziege am ganzen Leibe und führte sie wieder auf den Markt. Er begegnete abermals dem alten Manne, dem er die Ziege gestohlen hatte. Der Alte sagte ›Hast du die Ziege zu verkaufen?‹ »Ja,« sagte er. ›Na was willst du dafür, mein Sohn?‹ Er verlangte wieder dasselbe Geld und bekam abermals seine zehn Gulden. Der Alte nahm seine Ziege und führte sie gerades Weges nach Hause, damit man sie nicht aufs neue stehle; aber der kleine Räuber folgte ihm in einiger Entfernung bis zu dem Hause.

Als der Alte mit seiner Ziege nach Hause gekommen, führte er sie in den Stall und ließ den Stall unverschloßen; er gieng sogleich in die Stube und sagte zu seiner Frau, er habe eine schwarze Ziege gekauft, sie solle ihm aber vor allem etwas zu eßen geben, dann wollten sie beide in den Stall gehen und die Ziege in Augenschein nehmen. Als er gegeßen, gehen beide in den Stall mit einer Schleiße (einem Spahnlichte), weil es schon dunkel war, aber die Ziege fanden sie bereits nicht mehr, denn der Bursche hatte während ihres Abendeßens die Ziege gestohlen. Da ließ die alte Frau ihre Wut an dem Manne aus und begann ihn von oben mit den Fäusten zu schlagen und sagte ›Den ganzen Tag hast du dich herum getrieben, den ganzen Tag hast du gezecht, die Ziege verkauft und das Geld vertrunken, und nun kommst du nach Hause und belügst mich noch, daß du eine Ziege mit gebracht.‹ Was sollte der Mann nun anfangen? Er gieng um die Ziege zu suchen, ob sie wol irgend wohin weg gelaufen sei. Der Bursche aber hatte die Ziege neben seinem Keller und er kniff sie in den Schwanz, daß sie meckern muste. Wie das der Alte vernahm, warf er sich sogleich nieder, legte die Ohren auf die Erde und horchte, wo das wol sein könnte, dann stund er auf und gieng der Stimme nach. Zufällig muste er über ein großes Moor gehen und ins Waßer waten; er watete so weit hinein, als er es in Kleidern vermochte, dann kehrte er um, zog sich aus und watete abermals. Jetzt übergab[16] der Dieb die Ziege seinen Kameraden, lief um den Sumpf herum und stahl dem Alten die Kleider, brachte sie heim und sperrte die Ziege in der Räuber Keller ein. Der Alte, der die Stimme der Ziege nicht mehr hörte, kehrte auf den Ort zurück, wo er sich ausgezogen hatte, aber er fand seine Kleider nicht mehr und muste in bloßem Hemde nach Hause gehen.

Jetzt besprachen sich die Kameraden des jungen Menschen und sagten ›Wir wollen ihn nun zu unser einem machen, und er kann nun auf die Wanderschaft; wir haben nun gesehen, daß er schlauer ist als wir.‹ Da nahm er Abschied von ihnen, dankte für ihre Unterweisung und gieng zu seinem Ohm. Der gab ihm tüchtig Geld und alles was man zur Reise braucht, und entließ ihn in die Welt. Als er nun so wanderte, trat er zufällig in eine Schenke, um ein Glas Bier zu trinken. Die Wirtschaft führte eine Witwe mit ihrer Tochter. Als er ausgetrunken, rief er die Tochter herbei, damit sie die Bezahlung für das, was er verzehrt, in Empfang nehme. Als die Tochter kam, zog er aus seiner Tasche eine ganze Hand voll Geld und wühlte darin, um zu finden was er brauchte. Als die Tochter sah, daß der Wandersmann so viel Geld habe, gieng sie sogleich wieder zu ihrer Mutter hin und sagte ›Mutter, was dir der fremde Mensch Geld hat, das ist ganz fürchterlich. Du könntest ihn fragen, ob er nicht bei uns als Wirtschafter bleiben wolle.‹ »Das wäre gut (sagte die Mutter), wir brauchen ohnehin einen.« Da gieng sie ins Zimmer und begann ihn von weitem aus zu fragen, woher er sei, wohin er gehe und was er für einer sei; auch fragte sie ihn, ob er die Feldarbeit verstehe. ›O ja (sagte er), ich verstehe alles was man in der Wirtschaft braucht.‹ »Könntet ihr nicht bei uns bleiben als Wirtschafter? wenn ihr nicht etwa noch weit weg und die Welt sehen wollt. Ich bedarf sehr eines Wirtschafters: ich lebe nun schon lange Zeit allein, und mit meiner Wirtschaft gieng es bisher immer schlechter.« Indem sie so redeten, kam die Tochter herein, da sagte die Mutter »Wenn dir meine Tochter da gefällt, so könnten wir wol einig werden; auf viel Hab und Gut sehe ich nicht, wenn ich nur einen guten Wirtschafter bekomme. Komm mit in meine Wirtschaft, ich will sie dir zeigen.« Da zeigte sie ihm alles was sie nur hatte, und es dauerte nicht lange, so ließen sie sich trauen, und er führte da die Wirtschaft.

Jetzt aber erfuhren die Räuber, daß jener schlaue Bursche in der Schenke die Wirtschaft führe, und es verabredeten sich zwei von ihnen[17] und machten sich auf, ihn zu besuchen. Als sie zu ihm kamen, richteten sie es so ein, daß sie ihn nicht zu Hause fanden, und als sie in die Stube getreten, fragten sie, wo der Herr sei. Die Frau antwortete ›Der Herr ist aufs Feld gegangen zu den Pflügern, aber er wird gleich wieder kommen, wenn ihr zu ihm müßt. Und wer seid ihr beide?‹ fragte sie. Die beiden sagten »Wir sind die Brüder des Herrn, einer der Tischler und der zweite der Wagner.« ›Da wartet doch ein wenig, er wird gleich nach Hause kommen.‹ »Wir haben keine Zeit länger zu warten und müßen machen daß wir weiter kommen.« Und damit giengen sie weg. Als sie weg giengen, bemerkten sie, daß ein großes Mastschwein, das früh geschlachtet worden war, im Wagenschupfen hange. Als die Wirtin, die sie hinaus begleitet hatte, wieder zurück gekehrt war, da kehrten sie auch wieder um, nahmen das Mastschwein heimlich weg und machten sich damit auf den Weg nach ihrem Wohnorte. Der Herr, als er eine Weile bei den Pflügern zugebracht, kam nach Hause, und seine Frau sagte ihm ›Deine beiden Brüder waren da und fragten nach dir.‹ Er sagte »Warum hast du sie denn nicht zum Bleiben genötigt?« Sie: ›Ich habe sie genug genötigt, aber sie blieben nicht da und sagten: Wir müßen machen, daß wir weiter kommen.‹ Da merkte der Herr sofort, was das für Brüder gewesen. Er gieng in den Schupfen, um nach dem Schweine zu sehen, aber das war nicht mehr da. Er gieng ins Zimmer zurück und fragte seine Frau, ob sie etwa das Schwein in die Stube habe bringen laßen. Sie erwiderte ›Ach, Gott erbarm! wo wäre mir das ein gefallen!‹ Da wuste er nun, wo das Schwein hin geraten; er setzte ihnen sofort nach und ereilte sie im Walde gerade, als einer von den zweien zurück geblieben war, um seine Notdurft zu verrichten, und der andere trug indes das Schwein weiter. An den gieng er heran und sagte ›Jetzt habe ich aus geruht, laß mich tragen!‹ Im Walde war es aber sehr finster, und so machte er sich davon und gieng mit seinem Schweine heimwärts.

Nachher holte der, der zurück geblieben war, den andern ein und sagte zu ihm ›Na Bruder, wo hast du das Schwein? laß mich jetzt tragen!‹ Der erwiderte »Du hast es mir ja eben erst abgenommen.« ›Aber, bist du denn von Sinnen, ich habe dich ja eben erst ein geholt!‹ »Gib acht, da hat uns der schlaue Bursche das Schwein abgenommen.« Sie kehrten um und setzten ihm nach, um es ihm wieder ab zu nehmen, und erjagten ihn nicht weit vom Hofe. Jezt blieb ihnen nichts anders[18] übrig, als sich als Frauen zu verkleiden, einer als Hauswirtin, der andre als Magd, und so giengen sie ihm auf dem Hofe entgegen. Der welcher als Hauswirtin angezogen war, kam herbei und sagte ›Nun, wie stehts, hast du den beiden das Schwein ab genommen?‹ Er sagte »Im Walde holte ich sie ein und nahm es ihnen ab.« ›Na da bist du wol sehr müde; gib uns beiden das Schwein, wir werden es in die Stube tragen, und du sieh nach ob alles gut verschloßen ist, damit die Racker nicht etwa wieder kommen und uns Schaden thun.‹ Da gab er den beiden das Schwein und gieng überall nach zu sehen; die beiden aber machten sich mit dem Schweine wieder fort auf den Heimweg.

Als er in die Stube kam, fragte er seine Frau ›Wo hast du das Mastschwein hin gethan?‹ Sie antwortete »Na, hast dus mit gebracht? ich habe es ja noch gar nicht gesehen.« ›Aber rede nur nicht albern: als ich kam, nahmst du mirs ja im Hofe ab, und jetzt willst dus nicht gesehen haben?‹ »I wo denn (erwiderte sie), ich bin ja nicht zur Stube hinaus gekommen.« Da merkte er, daß die Spitzbuben das gethan, und sogleich setzte er ihnen nach, und im Walde holte er sie ein, als sie sich ein Feuer angemacht hatten, um sich einen Schinken, den sie sich ab geschnitten, zu braten. Das Feuerchen aber begann zu verleschen und sie musten Holz suchen gehen. Als sie beide nach Holz weg gegangen, trat er an einen faulen Baumstumpf und begann auf denselben mit einem Knüttel los zu schlagen, er selbst aber schrie dabei ›Ich wills nicht wieder thun, ich wills nicht wieder thun!‹ Da dachte der eine, er schlägt jenen, und jener dachte, er schlägt den, und beide liefen davon. Da kam der Wirt herbei, nahm sein Mastschwein sammt dem gebratenen Schinken und gieng damit nach Hause.

Als aber jene beiden auf dem rechten Wege sich wieder zusammen gefunden, sagte der eine ›Na, dein Rücken der wird blau sein‹, und der andre sagte »Und deiner wird gar schwarz sein wie der Boden des Keßels; wie du geschrien hast, das war wirklich schrecklich an zu hören.« Nachdem sie sich eine Weile gestritten, kam es zum Vorschein, daß weder der eine noch der andere Prügel bekommen und daß jener Schlaukopf sie abermals angeführt hatte. Aber beide hofften doch, ihn zu überlisten und setzten ihm noch ein Mal nach, konnten ihn aber nicht einholen. Als sie zum Gehöfte kamen, war es schon zugemacht und verschloßen, nur in der Stube, wo das Schwein lag, brannte ein Spahn, und ein Fensterflügel war gerade da offen, wo das Schwein und auf dem Schweine der Schinken lag. Aber bei dem Fenster hart[19] an der Wand stund der Herr mit einem Säbel und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Er hatte noch nicht lange da gestanden, da kam einer ans Fenster und schaute hinein ›Das Mastschwein liegt auf dem Tische und der Schinken oben drauf,‹ und er sagte zum andern ›Bruder, schau, da liegt unser Schwein.‹ Jener sagte »Na, da greif zu, zieh wenigstens den Schinken heraus, mit dem Schweine gehts ohne dies nicht.« Der will nun nach dem Schinken greifen; als er aber die Hand weit genug hinein gestreckt, da hieb ihm jemand mit einem Hiebe die Finger ab. ›Zum Teufel (schrie er auf), der Schinken ist noch heiß!‹ »Geh, du Dummkopf, nachdem er so weit durch die frische Luft getragen worden ist, wird er noch heiß sein! Geh fort, ich werde darnach greifen.« Als er so weit die Hand hinein gesteckt, daß er den Schinken faßen wollte, hieb jener auch ihm die Finger ab. ›Aber, Bruder, der hat mir ja die Finger abgehauen!‹ Jener sagte »Das geschieht dir recht, sonst hättest du dich darüber lustig gemacht, daß ich um meine Finger gekommen bin. Jetzt wollen wir heim, jetzt haben wir genug.« Da giengen sie beide nach Hause und ließen jenen künftig in Ruhe.

1

So auch im Litauischen.

2

Ein ostpreußischer Gulden ist zehn Silbergroschen; zehn Gulden sind also dre Thaler zehn Silbergroschen.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 20.
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