Vom trägen Mädchen.

[12] Eine Frau hatte eine sehr faule Tochter, die zu keiner Arbeit Lust hatte; da führte sie sie auf einen Kreuzweg und auf dem Kreuzwege prügelte sie sie durch. Da fuhr ein Herr des Weges daher, und das war ein Edelmann, und er fragte, weshalb sie das Mädchen so prügele. Sie sagte ›Herrchen, sie ist eine solche Arbeiterin, ja sie kann uns das Moos von der Wand ab spinnen.‹ Da sagte der Herr ›Ei da gib sie nur mir, ich habe zu Hause genug zu spinnen.‹ Da sagte die Frau ›Nehmt sie nur mit, nehmt sie nur mit, ich will sie nicht mehr.‹ Wie nun der Herr mit ihr nach Hause kam, da stopfte er ihr den ersten Abend ein ganzes Faß voll Werg1 und führte sie in eine Stube allein. Jetzt ward es ihr angst: ›Spinnen mag ich nicht und kann ich nicht.‹ Da kommen des Abends drei Laumes daher und klopfen ans Fenster und das Mädchen ließ sie schnell ein. Die Laumes sagten ›Wirst du uns auf deine Hochzeit laden, so wollen wir dir heute Abend spinnen helfen.‹ Schnell erwiderte sie ›Spinnt nur, spinnt, ich werde euch laden.‹ Da spinnen denn die Laumes den ersten Abend das ganze Faß leer: das faule Mädchen schlief stets, die Laumes spannen. Am Morgen kam der Herr nachsehen: das Mädchen das schlief und die ganze Wand des Zimmers hieng voll Gespinnst. Da ließ der Herr niemanden in das Zimmer des Mädchens, damit sie recht ausschlafen könne nach so großer Arbeit. Und den anderen Tag stopfte er ihr ein eben so großes Faß voll Flachs. Die Laumes erschienen wieder und es begab sich wie am ersten Abende. Da hatte der Herr nichts mehr zu spinnen und er sprach ›Jetzt will ich dich heiraten, da du eine so vortreffliche Arbeiterin bist.‹ Den Tag vor der Hochzeit sagte das Mädchen zum Herrn ›Ich muß noch gehen meine drei Tanten einladen.‹ Und der Herr ließ sie gehen. Als sie nun kamen und sich hinter den Ofen setzten, da kam der Herr um sie an zu sehen und als er sie sah in ihrer Häßlichkeit, da sagte er zu seinem Mädchen[12] ›Aber deine Tanten sind sehr unschön.‹ Und die eine Laume fragte er, weshalb sie solch lange Nase habe. Sie erwiderte dem Herrn ›Herrchen, das ist von dem starken Spinnen; wenn man immer spinnt und der Kopf so nickt, da dehnt sich die Nase so stark in die Länge.‹ Da fragte er die andere, weshalb sie so dicke Lippen habe. Sie erwiderte dem Herrn ›Herrchen, das ist von dem starken Spinnen; wenn man immer spinnt und immer nezt, da werden die Lippen so dick.‹ Da fragte er die dritte, weshalb sie einen so ungefügen Steiß habe. Sie erwiderte dem Herrn ›Herrchen, das ist von dem starken Spinnen; wenn man immer spinnt und immer sitzt, da wird der Steiß so ungefüge.‹ Da überkam ihn die Angst, seine Gemahlin könne vom Spinnen eben so häßlich werden, und schnell warf er den Rocken in den Ofen.

1

In Litauen Heede genannt, grober, schlechter Flachs.

Quelle:
Schleicher, August: Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder. Weimar: Böhlau, 1857, S. 13.
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