[465] 981. Der verhexte Mann zu Lintgen.

Als zu Lintgen eines Morgens Meister Johann sehr früh in den Wald gehen wollte, begegnete ihm eine alte Frau aus dem Dorfe, klopfte ihm auf die Schulter und sprach: »He, Öhm Jang! wohin denn so früh?« Seither litt der Mann an Verrücktheit des Geistes. Nachts stand er auf und legte sich auf die Straße, indem er beide Arme weitausstreckte, in jeder Hand eine Katze. Nach einer Weile ging er dann wieder zu Bett. Fragte ihn seine Frau, wo er gewesen sei, so gab er zur Antwort: »O, was war ich jetzt bei zwei schönen Jungfrauen!« Nachdem man alles versucht hatte, den Mann zu heilen, begab man sich zu einem alten Klosterbruder, der zu Walferdingen wohnte und dem man den Fall mitteilte. Dieser kam nach Lintgen und gebot, während er über den Unglücklichen betete, alle Türen fest verschlossen zu halten und niemand einzulassen. Man gehorchte. Da kam jene Frau an die Tür und begehrte Einlaß, aber trotz aller Bitten und Vorwände, die sie vorbrachte, öffnete man ihr die Tür nicht, ja nicht einmal das Fenster. Inzwischen hatte der Klosterbruder den Mann geheilt und sagte: »Wißt, was ich jetzt davon habe! Außer einem Huhn mit Küchlein hab ich nichts Lebendiges im Hause; wenn ich jetzt heim komme, finde ich sie tot.«

Einige Tage nachher begegnete der Geheilte der alten Frau und sagte: »Warum habt Ihr mir das angetan?« – »O, mein lieber Mann«, erwiderte sie, »wenn ich's Euch nicht angetan hätte, so hätte ich's mir selbst antun müssen.«

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 465.
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