[132] 309. Das Steinseler Weibchen.

Mitten im Walde bei Steinsel befindet sich ein zwischen Felsen und dichtstehenden Bäumen verborgener Brunnen. Dahin kommt allnächtlich ein Fräulein in weißem Gewande gegangen und wühlt mit blutigen Nägeln in der Erde ein Loch auf, aus welchem wimmernd eine Kinderstimme erschallt. Sie hebt aus der Grube ein blutendes Kind, nimmt es auf ihren Schoß, verbindet dessen Wunden, drückt es an ihre Brust und legt es wieder in die Grube. Gleich darauf ertönt ein Horn im Walde, ein feuriges Roß kommt durch die Luft gesprengt und eilt mit dem Fräulein über Steinsel hinweg in die Ferne.


Meyer, Luxemburgische Gedichte und Fabeln (1845), 5

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 132.
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