[133] 312. Der Galgenberg bei Remich.

Auf dem Galgenberg bei Remich, an der Stelle, wo jetzt die Gipsbrüche sind, lag vor Jahren eine lange und breite Steinplatte da, wo sonst der Galgen stand; auf diesen Stein, der nun nirgends mehr zu sehen ist, ist das Blut der Hingerichteten geflossen. Jedes Jahr am St. Martinitage, wenn die Nacht dunkel und sternlos war und am Tage kein Rabe in der Umgegend geschrieen, dann sickerte das Blut wieder aus dem Stein hervor und leuchtete in der Nacht wie ein großes Feuer, so daß man es weit in der Runde sah. Jedermann mußte dann ein Vaterunser beten, sonst kam das Feuer und tat ihm ein Leid. Das Blut war von einem Strauchmörder, der die ganze Gegend unsicher gemacht, bis er endlich gepackt und hingerichtet wurde. Den Müller hatte er vom Karren herabgeworfen und selber das Mehl mit den Pferden weggeführt; den Hannes von Beiern hatte er im Walde angefallen und totgeschlagen, als derselbe mit[133] seinem Gelde nach Hause ging. Den Leuten hatte er die Häuser über dem Kopfe angezündet und vieles, sehr vieles geraubt. Aber alles, was er gestohlen und zu Grunde gerichtet, das muß er rotglühend am jüngsten Tage in der Hand halten und sein Geist hat in Ewigkeit keine Ruhe. Zu Martini geht sein Geist um, winselnd und klagend, und der Stein gab das Blut wieder von sich, das er getrunken, und es leuchtete, daß alle Leute sich fürchteten.


N. Gaspar

Quelle:
Gredt, Nikolaus: Sagenschatz des Luxemburger Landes 1. Neudruck Esch-Alzette: Kremer-Muller & Cie, 1963, S. 133-134.
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