XXVIII. Die Kapuziner.

[78] Es war einmal ein Haus; in ihm lebten eine Frau und ein Mann; der Mann war ein Räuber, die Frau besass ein mitleidiges Herz.

Einst brach die Nacht an, – da kamen drei Kapuziner dort vorüber. Jenes Dorf kannten sie nicht. Sie sahen einen Lichtschein in der Ferne, gingen ihm nach und klopften an. Sie fanden jene Frau vor, zu der sie sprachen: »Maria, wir sind fremde Leute; mögest du mit uns Mitleid haben und uns hereinlassen, damit wir drinnen übernachten können!« Sie begann sogleich und sprach zu ihnen: »Nicht deshalb, weil ich nicht wollte, (möchte ich euch abraten hierzubleiben); aber wenn mein Mann kommt und euch hier findet, – dann wird die erste Person, die er tötet, ich sein, und dann (tötet er) euch!« »Komme, was kommen soll! Lass uns hinein! Tod bleibt Tod! Da sterben wir drinnen!«

Sie hatte nun einen Backofen, der nicht angezündet war; in diesem versteckte sie die drei Kapuziner und liess sie darin. Als ihr Mann nach Hause kam, sah er, dass sie nachdenklich war. Er fragte sie und sprach zu ihr: »Ich sehe, dass du heute nacht sehr nachdenklich bist, – weit mehr als gewöhnlich!« Sie versetzte sofort: »Warum solltest du mich nachdenklicher als gewöhnlich finden?« Er meinte hierauf: »Es sind Leute bei dir! Sicher! Mein Herz sagt es mir!« »Nein!« erwiderte sie ihm; »was für Leute wolltest du, dass das seien?« »Es geschieht weiter nichts!« sprach er; »lass mich nachsuchen!«

Damit begann er überall umherzusuchen und erblickte auch richtig die drei Kapuziner im Backofen, wo er sie denn zunächst auch liess. Dann trat er zu seiner Frau und sprach zu ihr: »Ich möchte heute nacht den Backofen anzünden.« Sie erwiderte sofort: »Wozu brauchst du den Backofen heute nacht?« »Ich will es eben so haben.« Er warf Holz in den Ofen und (goss) eine Quantität Petroleum nach und brannte dann an. Die drei Kapuziner wurden gebraten!

Als das Holz verbrannt war, machte sich der Mann daran, die Asche herauszuholen. Mit der Asche kamen aber auch die drei (gebratenen) Kapuziner heraus! Da wurde er bestürzt und sprach: »Was soll ich jetzt beginnen, damit ich nicht festgenommen werde?«[79] Er begab sich zu seiner Frau und sprach zu ihr: »Du hast sie hineingesteckt! Wie du sie hineingesteckt hast, so bring' sie auch wieder heraus!« »Nein,« erwiderte sie ihm; »das ist nicht richtig! Ich weiss nicht, wo sie hergekommen sind. Jetzt sieh' du zu, wie du zu handeln hast!«

Da ging der Mann aus und traf Dschahan. Zu ihm sprach er: »Dschahan, da ist ein Pfund Sterling! Bei mir ist ein Kapuziner; schaff ihn ans Meer und ertränke ihn! Sag aber nichts!« »Gut!« versetzte Dschahan; »gib ihn her!« Der Räuber steckte ihm nun einen Kapuziner in einen Sack, und Dschahan wanderte mit diesem ans Meer, band dem Kapuziner einen Stein an den Hals und warf ihn in die Tiefe. Dann begab er sich zum Räuber, um das Pfund in Empfang zu nehmen. Der sprach zu ihm: »Wieso? Wohin willst du ihn geschafft haben? Er muss dir ausgerissen und wieder hierher gekommen sein! Sieh', dort liegt er!« »Hab' keine Angst! Steck' ihn wieder in einen Sack! Und wenn ich Steine finde, so werde ich sie auf ihn werfen.«

Es handelte sich also um drei Kapuziner. Jedesmal, wenn Dschahan zurückkam, sprach der andre zu ihm: »Er ist dir ausgerissen!«

Schliesslich hatte Dschahan jenem die drei Kapuziner fortgeschafft. Als er nun seines Weges weiterzog, begegnete er einem Kapuziner, der auf einem Esel dahergeritten kam. Zu diesem sprach er: »Also deshalb kommst du allemal eher als ich (bei dem Räuber) an, weil du einen Esel hast, während ich zu Fuss gehen muss!« Und damit ergriff er einen Baumstamm und erschlug den Kapuziner und liess ihn dort tot liegen. – Und damit ist die Geschichte zu Ende.

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 78-80.
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