XXXV. Dschahan und die Kichererbsen.

[90] Es war einmal einer, der Dschahan hiess. Einst sprach er zu seiner Mutter: »Gieb mir einen Centime, damit ich Kichererbsen dafür kaufe!« Seine Mutter gab ihm einen Centime, und er holte sich Kichererbsen. Hernach sprach sie zu ihm: »Mein Junge, ich muss ausgehen und die Messe hören.« Als sie fort war, machte er die Tür auf und ging hinaus. Draussen war eine Frau; zu der sprach er: »Heb' mir diese Kichererbsen auf, so lange als ich zu meiner Mutter gehe!« Die Frau legte die Kichererbsen auf den Tisch, und ihr Hahn frass sie auf. Als Dschahan wiederkam, sagte er zu ihr: »Maria, wo sind die Kichererbsen?« Die Frau versetzte: »Die hat der Hahn aufgefressen!« Und sie fahr fort: »Hier sind drei Centimes; geh' hin und kauf' dir Kichererbsen!« Dschahan aber sagte: »Das will ich nicht! Ich will den Hahn haben!« Sie wandte ein: »Wie? Du hast mir den Wert eines Centime gegeben, und ich soll dir einen Hahn geben?« Dschahan versetzte: »Ich weiss weiter nichts: ich will den Hahn!« Schliesslich gab sie ihm den Hahn.

Am nächsten Tage musste er ein Geschäft auf der Gasse verrichten; und da dort wieder eine Frau sass, sprach er zu ihr: »Maria, halt' mir diesen Hahn!« Sie versetzte: »Sehr schön!« Dschahan ging dann fort. Am folgenden Tage wollte er den Hahn holen. Er sprach zur Frau: »Maria, gib mir meinen Hahn!« Sie antwortete: »Mein Junge, den Hahn hat dir leider die Sau aufgefressen!« Dschahan antwortete: »Ich weiss weiter nichts: ich will bloss meinen Hahn haben!« Die Frau sprach: »Mein Junge, nimm dies Geld und geh' und kauf' dir einen anderen Hahn!« Dschahan sprach: »Ich will kein Geld; ich will die Sau!« Schliesslich musste sie sie ihm geben.

Am nächsten Tage kam Dschahan zu einer anderen Frau und sprach zu ihr: »Maria, verwahre mir diese Sau, bis ich ein Geschäft, das ich verrichten muss, verrichtet habe!« Die Frau versetzte: »Gut!« Am nächsten Tage wollte Dschahan die Sau holen; die Frau aber teilte ihm mit: »Mein Junge, die Sau hat meine Kuh getötet!« Dschahan begann: »Ich weiss weiter nichts: meine Sau will ich haben!« Die Frau sprach: »Nimm das Geld hier und kaufe dir eine andere!« Er aber sagte: »Ich will nun die[91] Kuh!« Die Frau wandte ein: »Die Kuh gebe ich dir nicht.« Da erklärte Dschahan: »Ich werde dich vor Gericht zitieren lassen!« Schliesslich gab ihm die Frau die Kuh.

Dschahan nahm die Kuh und ging zu seiner Mutter; zu ihr sprach er: »Mutter, – sieh: für den Centime, für den ich Kichererbsen kaufte, habe ich eine Kuh bekommen, die acht Pfund Sterling wert ist!« Seine Mutter wurde fast Verrückt vor Freude, als sie ihn von acht Pfund reden hörte. Am nächsten Tage verkauften beide die Kuh und erhielten dadurch acht Pfund Sterling. Dann begann Dschahan ein Geschäft mit diesem Gelde, das er aus dem Verkaufe der Kuh erhalten hatte. – Und damit ist die Geschichte zu Ende.

Quelle:
Stumme, Hans: Maltesische Märchen. Gedichte und Rätsel in deutscher Übersetzung, Leipziger Semitistische Studien, Band 1, Heft 5, Leipzig: J.C. Hinrichsche Buchhandlung, 1904, S. 90-92.
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