[15] 12. Hengist und Horsa.

Wilhelm. malmesb. Savile 1601. p. 8. ff.

Galfridus monemut. ed. 1587. p. 43. lib. 6.

Matth. westmonaster. flores. ed. 1601. p. 82.

Beda, hist. eccles. I. 14. u. 15.

Gotfrid. Viterbon. p. 358. 359.

Occa fol. 8 a.

Winsemius. fol. 42.

Oude Divisiechronik van Holland. Delfter Ausg. von 1585. fol. 27 c.

cf. Grimm Deutsche Mythologie. p. 91.


Anno dreihundert und sechzig im Beginne des Jahres wurde Udolph Haron in der Regierung seines Vaters[15] (über die Friesen) angenommen und befestigt. Anno dreihundert ein und sechszig ist ihm ein Sohn geboren worden, den er Hengist nannte, worüber all seine Untersassen sehr erfreut waren. Anno dreihundert drei und sechszig ist ihm ein zweiter Sohn geboren worden, den er Horsus hat nennen lassen, wodurch die Freude der Untersassen noch gemehret wurde.

Anno dreihundert vier und siebenzig sandte Udolph der Friesenherzog, seine beiden Söhne, die vorgenannten Hengist und Horsa, zu Valentinian, dem römischen Kaiser, um Kriegshandel, Ehrbarkeiten und alle ritterlichen Manieren zu lernen, womit er demselben Kaiser einen angenehmen Dienst und Wohlgefallen that.

Anno dreihundert drei und achtzig kamen Herzog Udolph's zwei Söhne wieder nach Frießland, wo sie blieben bis Anno dreihundert und fünf und achtzig, denn da ist ein groß Geruf vor den Herzog gekommen, wie daß seine Lande zu voll und überflüssig von Leuten wären; begehrten deshalb, er sollte die alten Gesetze und Gebräuche seiner Vorväter nicht vergessen, sondern nun bei diesen nothlichen Zeiten wieder erneuen und in Kraft stellen, denn es wäre nicht möglich, daß alle Kost hätten.

Als dieß der Herzog hörte, ließ er auf ihr Gesuch und Begehren in allen Städten, Dörfern und Flecken die schönsten, jüngsten und frommsten (tapfersten) des Landes versammeln, um zu losen, wem es zu Theil fallen werde, auszuziehen, damit er also das Land lichte von der Ueberfülle des Volkes. Und dabei sparte er nach den alten Bräuchen seiner eigenen Kindern nicht, so daß auf Hengist und Horsa dieß Loos auszuziehen mit gefallen ist und diese wurden als Herrn und Führer über die Andern angestellt. Als nun alle Dinge fertig waren und die Schiffe, mit denen sie fahren sollten, bereit, sind sie Anno dreihundert und fünf und achtzig unter Segel gegangen[16] und mit vorsputigem Winde nach Brittanien (welches man nachmals Engeland hieß) gekommen. Als solches dem Könige Vortigern gebotschaftet wurde, ist er alsbald zu ihnen gekommen. Da er am Wesen der Zwei sah, daß sie den andern allen übergingen, grüßte er sie und fragte sie vor allen andern, warum sie also gewappnet mit Macht von Volk zu seinem Lande und Königreiche gekommen wären. Da antwortete Hengist, welcher der älteste und der beredteste war, dem Könige, wer sie wären und woher sie kamen, und sprach alsdann folgendermaßen: »Und wir, die gehorsam sein wollten unsern Obern nach Einsetzung und Befehl, sind zu Schiffe gegangen und mit des Gottes Wodan Geleit (denn dieser wurde in Dockenburg geehrt) alhier in euer Königreich gekommen, um euch oder einem andern Fürsten, dem es gelieben wird, zu Dienste zu sein.«

Als der König Wodans Namen nennen hörte, fragte er zur Stunde, wessen Glaubens und welcher Religion sie wären? und als ihn Hengist über alles unterrichtet hatte, sprach der König wiederum: »Von wegen eures Glaubens, der nur Unglaube ist, bin ich höchlich betrübt, andernsinns von wegen eurer Ankunft höchlich erfreut, denn ich werde euch nöthig haben gegen meine Feinde, und dienet ihr mir getreulich und helfet mir mein Land beschirmen, so soll euer Sold und Lohn groß sein.« Als Hengist mit seinen Friesen, Angern oder Niedersachsen dieß hörte, waren sie zur Stunde bereit und schwuren, dem König als Männer von Ehre getreu zu sein.

Kurze Zeit darnach sind die Schotten dem Könige ins Land gefallen, aber durch die Frommheit Hengists und seiner Friesen und Niedersachsen, die immer die Vorhut bei dem Heere hatten, aus dem Felde geschlagen worden, und der König sehend, daß er ihnen also große Victorie verdanke, dankte ihnen herzlich und begabte sie[17] mit reichen Geschenken, dann ließ er einen Jeden zu dem Seinen ziehen.

Hengist aber, der gar klug von Verstand war, merkte wohl, daß er dadurch Gnade bei dem Könige erworben hatte und sehend, daß der König nicht sehr geliebt und geachtet war in dem Lande, bot er ihm an, noch mehr Volk aus Frießland zu verschreiben. Das behagte dem Könige wohl und er ließ Hengist es thun.

Nach diesem kam Hengist einmal wieder zum Könige und sprach, daß der König ihn noch nicht nach Würden begabet hätte, wie es einem Herzogssohne von Frießland gebühre, und bat ihn, daß er ihm eine Festung geben möge, in welcher er mit seinen Rittern und Friesen geachtet und geehrt leben könnte. Worauf der König ihm kürzlich entgegnete: daß die Gesetze der Vorväter verböten, Fremdlingen einiges Land einzuräumen und zu schenken; auch würde er sich dadurch die Ungunst der Brittanier, seiner Unterthanen, auf den Hals holen; darum bäte er Hengist, nicht auf sothane kleine Giften zu schauen, sondern auf sein gut Herz.

Da sprach Hengist: »Dann gebet und verleihet mir nur soviel Landes, als ich mit einer Ochsenhaut umlegen mag, um daselbst mir eine Festung zu bauen.« Das gönnte ihm der König alsbald. Da schnitt Hengist die Ochsenhaut in kleine lange Riemen, die er um einen steinartigen Boden legte, und zimmerte daselbst mit großem Eifer eine Stadt, nannte diese in friesischer Sprache Cancastra, welches nun Lancaster heißet.

Als dieß nun meist alles vollbracht war, ist noch ein großer Haufe gewappneten Volkes aus Frießland gekommen, welche Hengist alle in der neuen Stadt aufnahm. Darunter war auch seiner Schwester Tochter, die überschöne Ronixa. Darum entbot er den König, die neue Stadt und das angekommene Volk zu sehen,[18] welches der König zur Stunde that, und hat ihm beides auch sehr wohl behaget und angestanden. Darnach ist er mit Hengist zur Tafel gesassen, wo er sehr ehrlich bedient und traktiret wurde.

Gegen das Ende der Mahlzeit kam die schöne Ronixa aus der Kammer, sehr schön und köstlich gezieret; sie hatte in ihrer Hand einen goldenen Kop oder Schale mit köstlichem Wein gefüllt, neigte sich dem König, fiel ihm zu Füßen und sprach: »Liever King wacht heyl.« Der König, sie nicht verstehend, fragte seinen Kämmerling, was sie sagte, und dieser entgegnete: »Sie nennet euch König und begehrt, daß ihrs von ihr wachten wollt; darum saget: trinkt heyl«, welches der König that. Da trank sie und gab es dann dem Könige, ihn küssend nach Landesweise. Als dieß geschehen war, entbrannte der König sehr in Liebe zu ihr, so daß er sie von Hengist zu einer Hausfrauen begehrte. Dieser hielt Rath mit seinem Bruder und andern Herren und Räthen und sagte sie dem Könige zu unter dem Beding, daß der König ihm alsdann die Ecke Landes, welche man Cantuarien hieß, für sein Volk gebe, welches auch also gelobt und geschehen ist. Und der König nahm Ronixa zu seiner Hausfrauen und hatte sie sehr lieb. Und davon ist nachher die Gewohnheit von Küssen und wacht Heil und trinkt Heil von den Friesen allda geblieben.

Da dieses Thun des Königs seinen Söhnen, den Prinzen und Herrn sehr mißbehagte, baten sie ihn oftmal, er solle die Friesen wieder aus dem Lande ziehen lassen, worauf sie selten gute Antwort erlangten; sie warfen darum seinen einen Sohn zum König auf, und zogen also gesammt gegen die Friesen, gegen die sie einen harten Kampf kämpften, in dem Horsa, Hengists Bruder, todt und erschlagen blieb. Und die Friesen wurden meist alle wieder aus Brittanien vertrieben.[19]

Kurz darnach ist der neuaufgeworfene König mit Gift vergeben worden und der Vater wieder ans Reich gekommen, und hat zur Stunde auf Anliegen von Ronixa, seiner Königin, Hengist wieder entboten, doch heimlich und mit wenig Volk. Nichts desto weniger kam Hengist mit viel Schiffen sehr stark ans Land, welches von dem König und seinen Herrn sehr übel genommen wurde; sie wollten darum, daß man die Friesen wieder von der Landesgränze vertreibe. Als Ronixa dieß verstund, ließ sie es ihrem Ohm zur Stunde wissen, der stracks Boten an den König sandte, um ihm anzusagen, daß er nicht das Land zu schädigen gekommen wäre, sondern allein, um den König zu fragen, ob er nicht einiges Volk zur Beschirmniß des Landes da zu halten begehrte. Der König möge ihm nun wissen lassen, welches sein Wille und seine Meinung wäre, auch Zeit und Ort anberaumen, wo sie zusammen kommen könnten um deßfalls zu handeln.

Der König dieß hörend, setzte den ersten Mai und Ambren fest, um dann und dort zusammen zu kommen, und wollte mit seinen Herren, Edeln und Baronen daselbst sein, warum Hengist seinen vornehmsten Edeln befahl, daß sie am bestimmten Tage jeder ein gut Schwert bei sich trügen, und wann er spräche: »Nimet oure saras«, dann sollten sie ihre Schwerter ziehen und jeder einen von des Königs Edeln durchstechen, der zunächst bei ihm stände, welches am bestimmten Tage also geschah, so daß von den edelsten Rittern und Rathsherren des Königs mehr denn vierhundert und fünfzig durchstochen wurden.

Darnach rasten die Friesen in großer Wuth, um den Tod des Horsa zu rächen, und nahmen das meiste Land wieder ein, welches sie verloren hatten.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 15-20.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon