[67] 50. Cäsar und der Hirsch.

Die alderexcellenste Cronyke van Brabant.

Dits die excellente Cronike van Vlaenderen.


Als Cäsar bei seiner Schwester Germana auf dem Schlosse Megen war, verfolgte er mit dem Helden Brabon auf der Jagd einst einen Hirsch. Und als das arme Thier sah, daß es sterben mußte, weinte es bittere Thränen, wie die Hirsche zu thun pflegen, wenn sie den Tod voraussehen, und also stürzte es zu den Füßen Cäsars hin. Dieser war dadurch so gerührt, daß er den Hirsch aufhob und ihn nicht tödtete, sondern ihm ein Halsband machen ließ, von köstlichem Metalle, worauf folgende Worte in griechischen Lettern standen:


Julius Caesar heeft mi gheuaen

Maer door syn edelheyt liet hi mi gaen.


Dieser Hirsch hat noch viele Jahrhunderte nach Cäsar gelebt. Als man ihn endlich fing, war das Fleisch am Halse dermaßen über das Band gewachsen, daß man keine Spur des letztern sah bis erst nach dem Tode des Hirsches, wo man es unverletzt wiederfand.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 67.
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