[313] 213. Kludde.

Jules de St.-Genois im Kunst- en Letter-Blad. 1840. S. 47.


Kludde oder Kleure ist ein böser Geist, der in einem großen Theile von Brabant und Flandern sein Wesen treibt. Was seine Gestalt betrifft, ist er ein wirklicher Proteus. Darum sind die Bauern auch dermaßen ängstlich vor ihm, daß sie Abends um keinen Preis in einen Wald, auf eine Wiese, einen Acker oder eine Straße gingen, wo der gemeinen Sage nach Kludde seinen Aufenthalt hat. Oft kann man hartnäckige und eigensinnige Kinder sehen, die nur durch die Androhung von Kludde's Nahen sich zügeln lassen. Junge Mädchen zittern gleichsehr vor ihm, denn sie glauben, daß er auch als Mahr umgeht.

Oft verwandelt sich dieser Geist in einen Baum, der zuerst gar zart und klein dasteht, doch bald zu einer unermeßlichen Höhe sich erhebt und in den Wolken verschwindet, während alles, was ihn an der Erde umgibt, in die Kreuz und Quer geworfen wird. Ein anderes Mal behängt er sich mit der Haut eines großen schwarzen Hundes, läuft also auf seinen Hinterpfoten, rasselt dabei mit einer Kette am Halse und springt dem ersten, der ihm begegnet, unversehens auf den Nacken, und wenn er ihn dann zur Erde geworfen hat, verschwindet er ohne Spur. Meistens ist Kludde ein altes, abgemagertes Pferd, und als solches ward er der Schrecken aller Stall- und Pferdeknechte. Diese erzählen auch, daß, wenn sie oft Nachts ihre Rosse auf der Weide lassen, es ihnen häufig geschieht, daß sie anstatt auf ihren wohlbekannten[313] Hengst oder ihre Stute sich auf Kludde's Rücken setzen, der alsbald in größter Schnelligkeit mit ihnen davonrennt, bis er an irgend ein Wasser kommt und dort seinen entsetzten Reiter hineinschmeißt. Während der arme Bursche sich nun zu retten sucht, legt Kludde sich mit dem Bauche platt auf die Erde nieder und lacht auf das abscheulichste, bis der Gebadete mißmuthig oder halb wüthend aus dem Wasser sich herausgearbeitet hat.

Nach Gelegenheit nimmt Kludde auch die Gestalt einer Katze, eines Frosches, einer Fledermaus oder irgend eines anderen Thieres an. Seine Ankunft kann man leicht an zwei blauen Flämmchen erkennen, die zitternd und hüpfelnd vor ihm herlaufen. Diese Flämmchen, von den Bauern auch Stalllichter genannt, sind, so viel man erkennen konnte, die Augen des Gespenstes. Entlaufen kann man Kludde schwerlich, und rennte man auch im schnellsten Zickzack vor ihm her; denn er würde, einer Schlange gleich, sich eben so schnell einem nachwinden.

Der Sage zufolge ist Kludde's Ursprung folgender. Ein armer Bauer hatte, um großen Reichthum zu gewinnen, seine Seele dem Teufel für zwanzig Jahre verkauft. Als aber die Zeit um war, wurde der höllische Vertrag zu nichts und der Mann verdammt, dem wandelnden Juden gleich, ewig auf der Erde herum zu irren, ohne irgend Ruhe zu finden und ohne jemals mit den Menschen in gute Beziehungen zu kommen.

Wenn dieser Geist flüchtet, lautet sein Geschrei: Kludde, Kludde! Und davon hat er seinen Namen erhalten.

In der Gegend von Ostende ist Kludde als Waternecker (Wassernix) bekannt, auf dem platten Lande in der Umgebung dieses Städtchens als Beere- oder Weerewolf (Wärwolf).

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 313-314.
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