Die Schuldigen in Johannisburg.

[124] In Johannisburg starben vor einiger Zeit der Landrath, der Bürgermeister und der Executor schnell hintereinander, und gleich darauf schlug das Gewitter in den Laden des Kaufmanns M. Man erzählte nun folgende Geschichte.

Als der Landrath vor den ewigen Richter kam, so fragte ihn dieser, warum er die Menschen so geplagt hätte, mit schweren Abgaben und auf andere Weise. Der Landrath entschuldigte sich und versicherte, die Schuld liege an dem Bürgermeister. Darauf befahl der ewige Richter seinem Diener: Geh',[124] und rufe mir den Bürgermeister! Darauf starb der Bürgermeister und kam in das ewige Gericht. Er wurde verhört, entschuldigte sich und schob die Schuld auf den Executor. Da hieß es: Geh', hole mir den Executor! Der Executor starb, kam in das ewige Gericht und wurde verhört. Auch der Executor entschuldigte sich und sagte: »Die ganze Schuld trägt der Kaufmann M.; der hält guten Schnaps; ich bin dann und wann zu ihm hingegangen und habe einige Schnäpse getrunken; wenn ich dann berauscht war, wußte ich nicht, was ich that.« Da hieß es: »So schlage denn das heilige Donnerwetter in den Laden des Kaufmann M.,« was auch alsbald geschah.

Einige Zeit darnach begegnet ein Mann aus Johannisburg einem Schmied mit einem Kohlenwagen, vor den drei große Pferde gespannt waren; der Schmied war eben beschäftigt, den Pferden statt Hafer oder Heu Kohlen als Futter vorzuwerfen. Der Johannisburger fragte: »Was macht Ihr da? Fressen denn die Pferde Kohlen?« Der Schmied antwortete: »Die haben es nicht besser verdient! Kennt ihr sie denn nicht?« Jener erwiederte: »Wie sollte ich sie kennen? ich habe sie ja noch nie gesehen.« Darauf fuhr der Schmied fort: »Dann will ich Euch sagen, wer diese Pferde sind; eins ist der Landrath, eins der Bürgermeister, das dritte ist der Executor H. So geht es ihnen nach dem Tode. Ihr wißt es nun und könnt es Jedermann weiter erzählen«. Der Schmied war der Teufel.7

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Wenn diese Sage mehr den Eindruck einer Anecdote oder eines bloßen Spieles der Phantasie macht, so enthält sie doch sehr charakteristische volksthümliche Elemente. Die Verwandlung der Schuldigen in ein Pferd kennen wir schon aus der Geschichte der Krügerin von Eichmedien. Daß schlechte Menschen nach ihrem Tode in Pferdegestalt sich in schwerer Arbeit quälen müssen, ist auch sonst eine bei den Masuren geläufige Vorstellung.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 124-125.
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