Die Mahren.

[125] Zwei Handwerksburschen wanderten durch die Welt und kehrten einmal in ein Wirthshaus ein, um da zu nächtigen. Der Gastwirth aber hatte drei Töchter, die waren alle Mahren und mußten allnächtlich ausgehen, die eine um Menschen, die andere um Vieh, die dritte um Holz zu drücken. Die Wanderer lagen zusammen auf einer Streu, aber der eine konnte nicht schlafen, und als es um Mitternacht war, hörte er, wie die drei nach Hause kamen und mit einander sprachen. Sie waren tüchtig durchgefroren und klagten einander ihr Leid. Die eine sagte zu der andern: »Du hast es doch besser als ich, denn es ist doch viel leichter, in die Ställe zu dem Vieh einzudringen, als in die dicht verschlossenen Häuser der Menschen«! Da sagte die dritte: »Ich aber habe es am schwersten, denn ich muß in der Kälte auf die Bäume klettern und das Holz drücken.« Der Wanderer weckte seinen Cameraden, daß er das Gespräch[125] auch mit anhörte. Am nächsten Morgen gingen sie zu dem Vater der drei Mädchen und sprachen: »Wißt ihr auch, daß eure Töchter Mahren sind?« Der Vater wußte von nichts, als ihm jene nun aber erzählten, was sie in der Nacht gehört hatten, da erkannte der Vater, weshalb sie immer so bleich waren. Auf den Rath der Fremden ließ er sie noch einmal taufen, wodurch sie von dem Uebel befreit wurden.8

8

Aus der Gegend von Hohenstein. Vgl. oben S. 30.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 125-126.
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