2. Die Tiere im Waldhause und die beiden Schwestern.

[205] Ein Witwer, der eine Tochter hatte, heiratete eine Witwe, die ebenfalls eine Tochter besass. Die Frau konnte aber ihre Stieftochter nicht leiden. Deshalb buk sie ihr eines Tages einen Aschenkuchen, führte sie tief in den Wald hinein und liess sie dort allein. Das junge Mädchen irrte lange im Walde umher; endlich kam sie zu einem Hause, in dem ein Hahn, ein Hund und eine Katze sassen. Sie teilte ihren Aschenkuchen mit den Tieren und blieb dann bei ihnen. Da klopfte es einmal an die Tür. Das Mädchen fragte die Tiere, ob sie die Tür öffnen solle. ›Nein‹, lautete die Antwort; ›verlange erst, dass man dir einen Stall aufbaut!‹ Das Mädchen tat es. Als der Stall dastand, klopfte es wieder. ›Soll ich öffnen?‹ fragte das Mädchen. ›Mach nicht auf‹, sagten die Tiere, ›bis man dir den Stall mit Kühen gefüllt hat!‹ und das Mädchen forderte von dem Klopfenden, dass er den Stall mit Kühen fülle. Als das geschehen war, klopfte es zum dritten Mal. Da forderte das Mädchen Kutsche, Pferde und Diener, und als sie das alles erhalten hatte, setzte sie sich in die Kutsche und fuhr zu ihren Eltern. Diesen erzählte sie, was sie im Walde bei den Tieren erlebt hatte.

Da buk die Frau ihrer Tochter einen Kuchen von Weizenmehl und schickte sie in den Wald. Sie kam ebenfalls zu dem Hause, in dem die Tiere wohnten, aber sie ass ihren Kuchen allein auf und gab den Tieren nichts. Da klopfte es wieder an die Tür, und das Mädchen fragte die Tiere, ob sie öffnen solle. Doch die Tiere wollten ihr keinen Rat geben, und so verlangte sie dasselbe, was vorher ihre Stiefschwester verlangt hatte. Dasselbe geschah zum zweiten und dritten Male. Wie sie nun in die Kutsche steigen wollte, da wurde ihr der Kopf abgerissen, und ihre Haut wurde an die Tür des Waldhauses gehängt. Lange wartete nun die Mutter auf ihre Tochter, und da diese immer noch nicht kam, sagte sie: ›Unsere Tochter ist reich geworden und denkt nicht mehr an uns; wir müssen zu ihr hin.‹ Als sie zu dem Waldhause kam, sah sie die Haut ihrer Tochter an der Tür hängen; aber sie dachte, es wären Vorhänge. Da aber schrie der Hahn: ›Kukuruku1, twoja córka wisi tu!‹ Jetzt erst erkannte sie, dass die Haut ihrer Tochter an der Tür hing.


Vgl. Bolte-Polívka, Anmerkungen zu den Märchen der Brüder Grimm 1, 223 nr. 24 (Frau Holle); auch Przibilla, Oberschlesische Märchen 1913 S. 84 ›Der Teufel als Jäger‹.

Fußnoten

1 Kukuruku, deine Tochter hängt hier!

Quelle:
Knoop, Otto: Sagen aus Kujawien. In: Zeitschrift für Volkskunde 26 (1916) 204-208, Berlin: Behrend & Co, S. 205-206.
Lizenz:
Kategorien: