Der »Pola«-Reiter.

[130] Nicht weit oberhalb des Städtleins Mayenfeld liegt ein ziemlich großes Gut, die »Pola« genannt. Dasselbe ist von einer Mauer umschlossen. Zu diesem Gute gehört das an dem Wege nach Rovels stehende schloßähnliche Haus, und nahe dabei ein Stall, der aber, der Sage nach, nicht benutzt werden kann.

In dieser »Pola« hält sich ein Geist auf.

Es muß nämlich dort ein Adelicher umgehen, um einer Mordthat willen, die er im Leben verübt hatte. Er erscheint an bestimmten Tagen, auf einem Schimmel, und wird der »Pola-Reiter« genannt. Er macht die Runde durch das Haus, den Stall und das ganze Gehöfte, reitet die Kreuz und die Quere, und macht sich kein Gewissen daraus, den ihm Begegnenden aufzufangen, umher[130] zu jagen oder sonst zu erschrecken. In dem Stalle, in welchem der Reiter seinen Schimmel unterbringt, kann kein Stück Vieh gesund bleiben; auch ist das ganze Revier so verrufen und unheimlich, daß Niemand gerne dort nur vorbei geht.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 130-131.
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