Der Geist auf dem Rütteli.

[131] Vor vielen Jahren kam eines Abends in's Dorf Molinis ein Goldkrämer und fragte, wie weit er noch nach Langwies zu gehen habe. Man berichtete ihn der gestellten Frage, rieth ihm aber ab, denselben Abend noch weiter zu gehen, da es finster und er des Weges unkundig sei. –

Der Krämer ließ sich aber nicht halten, und zog, nichts Böses ahnend, der Plessur entlang, thaleinwärts, Langwies zu.

Unterhalb des Dorfes Peist, auf dem sog. »Rütteli«, wurde er von einem Manne plötzlich überfallen, der Waaren und des Lebens beraubt.

Der Mörder verscharrte die Leiche und flüchtete, aber man kannte ihn.

So weit das Blut des Ermordeten geflossen, wächst kein Gras mehr. –

Im Rütteli aber ist's seither nicht mehr geheuer, denn dort geht der Mörder um. –

Eines Abends wollte ein Säumer mit zwei schwer befrachteten Pferden nach Langwies heim. Auf der verrufenen Stelle blieben auf einmal die Pferde stehen und waren durchaus nicht weiter zu bringen, bis am Morgen, als in Peist die Morgenglocke tönte. Beim ersten Klange gingen sie von selbsten wieder vorwärts. – Seitdem machte der Säumer diesen Weg nie mehr nach »Betzeit-Läuten«.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 131.
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