Ein unbequemer Hausgast.

[131] In Klosters-Dörfli besaß Einer ein Haus, in welchem er einen ganz kuriosen, noch mehr aber höchst unbequemen Gast sitzen hatte, welchen er durchaus nicht zu entfernen vermochte, und der obenhin noch so unverschämt war, für seinen Mühwalt als Plagegeist alle Abende eine Schüssel Milch zu beanspruchen.[131]

Da gab ein Montafuner dem geplagten Hausbesitzer den Rath, er solle das Haus »abzimmern« und an einem andern Orte wieder aufbauen; das that der Mann, und hatte bereits »abgezimmert« bis auf den Grund, da stieg aus dem abgedeckten Kellerraume ein sonderbarer Knirps, ein klein zornig Männlein, hervor. Das war der Hausgeist (ein Kellerbutz). Der erhob sich wie ein wälscher Hahn und drohte dem Manne, daß es ihm schlecht gehe, wenn er ihn nicht auch mit in's neue Haus nehme, denn sein Urähni sei schuld, daß er in's Haus gekommen sei, und er wolle nun auch bei ihm bleiben.

Der Mann fürchtete die drohende Geberde des trotzigen Kleinen und ließ ihn in einer Wanne in den Keller des neuen Hauses einsetzen, und auch im neuen Hause fühlte sich der Butz bald heimisch. Er hatte seine »guten« und seine »bösen« Tage; an den »guten« Tagen verlangte er zwar auch seine gewohnte Milch, that aber den Hausbewohnern Nichts zu Leide, vielmehr hörte man ihn im Keller singen; an »bösen« Tagen aber kam er oft in den Gang geschlichen, prügelte mit einem Stocke Alles, was ihm in den Weg kam oder gab sonstigen Unfug zu Tage.

Zu vertreiben war der Unhold schlechterdings nicht. Wagte man etwa an ihm ein Leides, rächte er sich dadurch, daß er im Haus »pößelte« oder im Stall irgendwie Unheil anrichtete. War seine Plagerei auch lästig, gerieth sonst Alles, was des Hausherrn war, sichtlich, denn der böse Kleine war doch auch Schutzgeist zugleich über all' dessen Eigenthum.

Und so wurde der Butz wohl oder übel im Hause gelitten. –

Nach Jahr und Tag starb der Besitzer und von dieser Zeit an war auch der Geist verschwunden.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 131-132.
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