Der Hexentanz.

[143] Oberhalb des Dörfleins Cavreisen liegt eine ebene Wiese. Daselbsten hatte vor Zeiten ein Stall gestanden. Der Eigenthümer Desselben sah zu verschiedenen Malen, wenn er früh Morgens in den Stall kam, um das Vieh zu füttern, eine Gesellschaft in weißen Kleidern, die nach einer Musik tanzte. Jedesmal kam eine schneeweiße Jungfrau unter die Stallthüre, wünschte dem Manne einen guten Tag und bat ihn um einen Trunk warmer Milch. Der Mann gab ihr jedesmal das Verlangte, und dankend verabschiedete sich die Jungfrau. – Jedesmal beim »z'Tag lüte« verschwand die Gesellschaft. –

Nach und nach mochte dem Manne die seltsame Tanzerei nicht mehr gefallen, denn er ließ diesen Stall niederreißen. – Von dieser Zeit an heißt die Wiese, auf welcher der Stall gestanden, der »Tanzboden«.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 143-144.
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