Das schwere Kind.

[6] Zwei Edelleute erblickten auf dem Wege nach Chur an einem Busche ein kleines Kind liegen, das in Linnen eingewickelt war. Der Eine hatte Mitleiden, hieß seinen Diener absteigen und das Kind aufheben, damit man es in das nächste Dorf mitnehmen und Sorge für es tragen könne. – Als der Diener abgestiegen war, das Kind erfaßte, um es aufzuheben, war er es nicht vermögend.

Die zwei Edelleute verwunderten sich hierüber und befahlen dem andern Diener, auch abzusitzen und zu helfen. – Aber Beide mit gesammter Hand waren nicht so mächtig, es nur von der Stelle zu rücken.

Nachdem sie es lange versucht, hin und her geschoben und gezogen, hat das Kind angefangen zu sprechen und gesagt: »Lasset mich liegen, denn Ihr könnt mich doch nicht von der Erde wegbringen; das aber will ich Euch sagen, daß dieß ein köstliches und fruchtbares Jahr sein wird, aber wenig Menschen werden es erleben.« Sobald es diese Worte geredet hatte, verschwand das Kind.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 6.
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