Das Doggi.

[83] Von den vergötterten oder halbgöttlichen Naturen scheidet eine Reihe anderer Wesen sich aus, denen etwas Uebermenschliches, was sie wieder den Göttern nähert, gegeben ist. Sie besitzen Kraft, dem Menschen zu nützen oder zu schaden; zugleich scheuen sie sich vor ihm, weil sie ihm leiblich nicht gewachsen sind. Entweder erscheinen sie unter dem menschlichen Wachsthum oder ungestalt; fast allen ist das Vermögen eigen, sich unsichtbar zu machen. – Auch hier sind die weiblichen Wesen allgemeiner und edler gehalten, und ihre Eigenschaften gleichen denen der Göttinnen und weißen Frauen.

Zu dieser Dämonensippe liefert Bünden ein ordentliches Contingent.

Hieher gehört vorerst das Doggi.

Das ist eine Art Vampyr von unbestimmter, zusammengeknäuelter Thierform, ein häßliches Geschöpf mit großem Kopfe ohne Arme und Beine oder nur Stumpen statt derselben. Es setzt sich (auch als kleiner, weißer Schmetterling) Nachts dem Menschen auf die Brust und verursacht die bekannte Angst und Beklommenheit. – Auch Hausthiere quält es, besonders Hühner, und heißt in diesem Falle der »Hennenteufel«.

Mit Begier setzt es sich den Pferden in die Mähne und plagt sie. Den Ziegen saugt es die Milch aus; wenn man aber die Ziege einmal durch einen sogenannten Doggistein melkt, so ist sie für immer vor dem Doggi sicher. Der Doggistein ist von mäßiger Größe, glattrund, und hat in der Mitte ein rundes Loch; gefunden wird eraber nur von einem Glückskinde.

Das Doggi ist ein milchliebender Hausgeist, aber böser Natur. Es schleicht Nachts durch ein Schlüsselloch oder durch ein Astloch in der Wand in die Schlafgemächer und legt sich selbst Kindern auf die Brust und versucht an ihnen zu saugen, so daß die Brustwärzchen der Kleinen am Morgenroth und geschwollen sind. – Ein Feuerstahl um den Hals des Kindes gehängt, soll es gegen die Gewalt des Doggi sichern.

[83] In Bünden tritt das Doggi immer einzeln auf und übt meistens das Geschäft des Alp. In Boltigen (Kt. Bern) aber sind ihrer viele beisammen, zwerghafte Bergmännlein; eine tiefe Grotte dort, worin eine natürlich ausgehöhlte Kanzel sich befindet, heißt »Toggeli-Kirche« u.A.m.

Was nun das Doggi in Bünden, ist in Vorarlberg u.a. Gegenden der Schrättlig. Wie der aussieht, weiß Niemand zu sagen, wohl aber weiß Jedermann, daß er ein langweiliger, launiger »leidwerchiger« Hausgeist ist, der seine Freude daran hat, Nachts in die »Schlafgaden« zu schleichen, die Menschen im Bette zu drücken, daß ihnen der Athem fast ausgeht und sie ohne anders glauben, als liege ein Zentnergewicht auf ihnen. – Bei diesem nächtlichen Manöver kommt ihm das Vermögen, sich zu verwandeln, vortrefflich zu Statten: Oefters schiebt er als Katze mit der rechten Vorderpfote ganz manierlich den Fensterläufer zurück und hüpft ins Schlafgemach oder er windet sich als Strohhalm zum Schlüsselloche hinein, ja er schneidet sich selber den Bauch auf und haspelt die Gedärme aus dem Leibe, daß er, ganz dünn geworden, durch jede Wandspalte sich drängen kann.

Es faßte aber Einer den Schrättlig, der just als Strohhalm zum Schlüsselloche sich herein wand, und nagelte ihn fest an die Zimmerwand; am Morgen fand er ein altes Weiblein an der Zimmerwand hängen, das war der todte Schrättlig.

Ein Anderer fand die herausgehaspelten Gedärme des Schrättlig vor der Kammerthüre liegen, ging hin und mischte Harz und Sägmehl darunter, daß der Unhold sie nicht mehr in die Bauchhöhle einzupacken vermochte und drauf gehen mußte.

Als Mittel gegen Doggi und Schrättlig gilt ein in die Wand gestecktes Messer, eine Hechel oder Kartätsche umgekehrt auf die Brust gelegt, oder man läßt ihn eine schwarze Henne im Stalle todt drücken.

Dieser Schrättlig im Vorarlberg scheint in Beziehung zu Frouwa zu stehen, die Katze, in die er sich verwandelt, ist Frouwa's heiliges Thier. Der aufgeschnittene Bauch, die herausgehaspelten Gedärme und das darunter gestreute Sägmehl und Harz führen aber auch zu Berchta hin; sie erscheint in Kärnthen um Weihnachten als eine Frau mit zottigen Haaren und schneidet dem, der andere Speisen als ihr Leibgericht genossen hat, den Bauch auf und füllt ihn mit Heckerling und Backsteinen. – So tief sank also Macht und Ansehen der hohen Göttin in der Vorstellung des Volkes, daß die Rache, die sie in ihrem Zorn am Menschen übte, nun umgekehrt der Mensch an ihr oder doch an Einem aus ihrem Gefolge nimmt.

[84] Wie der Schrättlig im Vorarlberg in Beziehung zu Berchta steht, so dem Anschein nach das Doggi zu Donar; sehen wir ja die Vorliebe des Doggi zu Donar'sheiligem Thiere (zur Ziege, Bock), und gemahnt nicht auch das Melken der Geiß durch den Doggi-Stein an Donar's Melken der Wolkenziegen?

Von den Doggi-Sagen weiß man im Prätigau, Davos, Schanfigg und im Oberlande gar Manches zu berichten.


Der Hennenteufel ist nicht größer als eine Flintenkugel, ringsum habe er lauter Augen und Zänglein, mit denen er an den Hennen sich festhalte. Wolle er das Hennenvolk nur in Allarm setzen, aber nicht beißen, so rolle er im Hennenstalle herum mit fürchterlichem Gerassel. – Wolle er wieder weg, mache er sich ganz platt, so daß er durch jede beliebige Spalte in der Stallwand entschlüpfen kann.

Quelle:
Jecklin, Dietrich: Volksthümliches aus Graubünden. 3 Teile, Zürich 1874, Chur 1876, Chur 1878 (Nachdruck Zürich: Olms, 1986), S. 83-85.
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