29. Der Herrgott als Gevatter

[223] Müde vom langen Umherwandern in der großen weiten Welt kam Gott der Herr mit seinem Begleiter, dem heiligen Petrus, abends zu einem reichen Bauern, dessen Gastfreundschaft sie in Anspruch nehmen wollten. Als sie aber denselben darum anredeten und um ein Nachtessen und eine Lagerstätte baten, wies sie derselbe ohne weiteres fort und sagte ihnen auf ihre Bitte, ein Schaf für sie zu schlachten, daß er deren nicht so viel habe, um für alle Landstreicher schlachten zu lassen. Der[223] Unfreundliche hatte aber deren wohl über fünfhundert. Die Fremden ließen sich dies nicht zweimal sagen und gingen nun, in einem andern Haus einzusprechen. Da war ein Armer, der außer einer dürftigen Hütte nichts besaß als fünf Schafe, von denen jedes ein Lamm hatte. Indessen nahm er die Gäste freundlich auf, und als sie ihn baten, für sie eines seiner Schafe zu schlachten, sagte er: »Ei, ja doch! Warum nicht! Nur muß ich euch, liebe Leute, bitten, es selbst zu tun; ich habe keine Zeit dazu, denn eben liegt mein Weib in Kindsnöten.« Hierauf sprach der Herr: »Laß dir dies keine Sorge sein, ich bin wohl kundig, in derlei Fällen beizustehen, geh nur und sorge für uns.« Der Hausherr ging, schlachtete und bereitete für seine Gäste ein Abendessen, so gut er es vermochte; diese aber gingen in die Stube, wo das leidende Weib lag. Da ließ der Herr einen ruhigen Schlaf über sie kommen, so daß sie gar nicht wußte, wie sie von einem gesunden Knaben genas. Der Hausherr war hierüber sehr erfreut und bat beim Abendessen den Gast, welcher seinem Weibe so mildtätig beigestanden, zu Gevatter. Der Herr nahm dies freundlich an und gab dem vergnügten Vater einen Stock mit den Worten: »Nimm diesen Stock hier, er wird an meiner Statt immer des Kindes Gote sein, wenn ich nicht mehr bei dir bin. Wann immer du ihn in der Hand hältst, so gedenke mein!« Der Bauer nahm den Stock und hielt ihn stets hoch in Ehren.

Am andern Tage, nachdem dies geschehen, verließen die Gäste das Haus des Armen, in welchem sie so freundlich aufgenommen worden waren. Sie hatten sich bei dem Hausherrn noch bestens bedankt, der ihnen seinerseits eine glückliche Reise wünschte.

Viele Jahre waren indes vergangen, und des armen Mannes Sohn war groß geworden. Er sollte jetzt heiraten, aber vom Herrn Gote, der dabei notwendig behilflich hätte sein sollen, war seitdem nichts mehr zu hören und zu sehen gewesen. Der reiche Bauer, welcher jene Gäste damals so unfreundlich abgewiesen,[224] hatte während dieser Zeit auch eine Tochter großgezogen, und eben jetzt war dieselbe zum Heiraten. Acht Freier mit ihren Beiständen und Gevattersleuten saßen eines Tages eben bei ihm zu Tisch, als ein armer alter Mann eintrat. Derselbe war bettelhaft gekleidet mit rauchgeschwärzter Mütze, so wie nur Almaschaner1 zu gehen pflegen. Dieser meldete sich bei dem reichen Bauer auch als Freiwerber. Der stolze Hausherr stellte sich aber, als er die Absicht des Alten hörte, hoch auf, denn er war in schönen Kleidern angetan und seine noch neuen Stiefel reichten fast bis unter die Knie. So fuhr er den dürftigen Gast an, er solle sich nur packen, da er bei ihm nichts zu suchen habe. Der ließ sich aber nicht nur so abschrecken, sondern sagte im Gegenteil: »Beruhigt Euch, Freund, ich verlange ja nur Eure Tochter für meinen Paten zum Weibe, und ich weiß gewiß, daß Ihr mir sie geben werdet; denn ich versprach ihm, ein Mädchen zu freien, um das acht andere Freier geworben, und so will ich ihm denn Wort halten.« – »Der Henker mag dir seine Tochter für deinen Paten geben, aber ich nicht«, fuhr der stolze Hausherr wieder auf. »Geh immer hin, wo du ein Mädchen für deinen Prinzen bekommst, aber bei mir schweig still davon, sonst weis ich dir die Türe.«

Diese groben Worte machten auf den Alten wenig Eindruck; er wandte sich aber an die acht Freiwerber und sagte: »Ihr lieben Leute, stoßt euch nicht an meinen dürftigen Kleidern, sondern laßt uns im Gegenteil losen, welcher von uns neun das Mädchen, die Tochter des Hauses, als Braut abholen soll!« Die andern sahen sich untereinander an und wußten dem zudringlichen Alten keine Antwort zu geben. Der fuhr indessen fort und sprach: »Nehme jeder von euch eine Handvoll Erde und forme mit Wasser einen kleinen Ball daraus. Alsdann soll jeder von den dürren Reben, welche hier zum Verbrennen bereitliegen, eine kleine Rute dreinstecken, dann wollen wir[225] achtgeben, wessen Rute zuerst sproßt, treibt, blüht und Früchte trägt: der soll die Braut heimführen dürfen.« Da alle vorher getrunken hatten und zu Scherz und Spiel aufgelegt waren, taten sie so, wie der Alte vorgeschlagen, und jeder ballte etwas Erde und Wasser zusammen und steckte eine fingerlange Rebe von dürren Ranken hinein.

Es dauerte nicht lange, so sprang an der Rebe des Alten eine Knospe, eine frische grüne Ranke trieb hervor, daran hing eine duftende Blüte, aus welcher man nach und nach sich Beeren formen sah. Diese wurden größer, färbten sich und wurden reif. Die andern sahen dies alles mit langgezogenen Gesichtern an, konnten aber vor Staunen nicht sprechen. Jetzt schnitt der rätselhafte Alte vollends die Traube ab, preßte ihren Saft in ein Glas und bot den süßesten, köstlichsten Wein herum. Da ergriff die Gegenwärtigen alle laute Verwunderung, sie standen auf und fielen vor dem Alten auf die Knie, küßten die Erde vor ihm und riefen ihn als Gott an. Er blieb aber ruhig und handelte jetzt, so wie es bei unserem Volke üblich ist, die Tochter des reichen Hausherrn für seinen Paten aus. Dieser hatte vor Bestürzung für seine vielen, vielen Gedanken gar keine Worte finden können und machte einem solchen Brautwerber gegenüber keine großen Ansprüche mehr, sondern versprach, das Mädchen wohl ausgerüstet bereitzuhalten, damit die Hochzeit bald begangen werden könne.

Dies geschah auch bald aufs glänzendste, und es fehlten dabei auch jene acht Brautwerber nicht, welche das Wunder mit der grünenden Rebe und der reifenden Traube mitangesehen hatten. Als diese Feier vorüber war, so zog das junge Paar in Begleitung der gegenseitigen Eltern und des Herrn Gote heim, wo der Bräutigam wohnte. Da ließ aber dieser sein Pferd allzu lustig springen, so daß es mit ihm stürzte und er den Hals brach. Er war auf der Stelle tot liegengeblieben. Da herrschte natürlich große Trauer und Niedergeschlagenheit bei allen, welche dabei waren. Der Gote des Toten ging aber näher hin und[226] schaute ihn an und sagte: »Wenn einer unter euch wäre, welcher von seiner Lebenszeit dem Toten schenken möchte, so könnte ich ihm wohl helfen!« Alles schwieg aber hierauf.

Jetzt bat jener den Vater der Braut, welcher sechzig Jahre alt war, ob er dem Toten nicht zwanzig von seiner Lebenszeit schenken möchte. Der hatte aber gar keine Lust dazu, sich etwas von seinem Leben abkürzen zu lassen, worauf des Toten Beistand die Mutter der Braut mit derselben Bitte anging. Diese war vierzig Jahre alt, wollte aber ebensowenig wie ihr Mann davon wissen, dem Toten mit einigen Lebensjahren auszuhelfen. Jetzt wandte sich des Jünglings Beistand zu der jungen Frau, und die besann sich nicht lange. Sie gab gern dreißig Jahre von ihrem Leben, welche der alles vermögende Gote nahm und sie dem Toten, den er jetzt wieder belebte, zum Weiterleben übergab, worüber alsdann allerseits große Freude war.

Als die Hochzeitsleute am Ziel ihres Zuges angekommen waren, wurde die Hochzeit im Hause der Eltern des Bräutigams ebenfalls gefeiert, wonach die jungen Leute noch zusammen ein dreißigjähriges glückliches Leben führten. Hier schließt die Geschichte.

Mit diesem möge dich Gott erhalten!

1

Siehe Anmerkung S. 289

Quelle:
Schott, Arthur und Albert: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat. Bukarest: Kriterion, 1975, S. 223-227.
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