310. Heiden lehren schreiben und lesen.

[215] Gegenüber Amsteg, im Butzen, wohnte ein Meitli. Eines Tages kamen Heiden in das Haus und bettelten dieses und jenes, und es gab ihnen, was sie begehrten. Zuletzt verlangten sie noch etwas, das es nicht hergeben wollte, und es sagte, das sei nicht im Hause. Die Eindringlinge suchten nun selber das Gewünschte und brachten es in kurzer Zeit herbei. Sie weissagten ihm noch »ä frynä Ma« und fragten, ob es gut lesen und schreiben könne. Es sagte nein. Dann schrieben sie ihm etwas vor und sagten, es soll mit einer Gufen in eine Ader der Hand stechen, die Feder darein tauchen und damit die Vorlage abschreiben. Es tat so, und seitdem konnte das Meitli schreiben trotz einem und Geschriebenes und Gedrucktes lesen wie fressen. Das hat es meinem 70jährigen Gewährsmann, der in jungen Jahren zu ihm z'Stubeten gegangen, selber erzählt.

Auf ähnliche Weise hat einmal ein Heide einige Mitglieder des Gemeinderates von Silenen, als sie in einem Wirtshause in Dägerlohn versammelt waren, schreiben und lesen gelehrt. Aber die Sache kam aus, und der Fremde wurde aus dem Lande gewiesen.


Ambros Zurfluh, zu Männigen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 215.
Lizenz:
Kategorien: