337. Der gebannte Dieb.

[233] Zu Zeiten wohnte im Gut Tal zu Spiringen der Landammann Brand. Der besass den Oberschwandberg, wo ihm sehr häufig gestohlen wurde. Das verleidete ihm allmählich, und er ging zum Ortspfarrer, der ein sehr frommer Herr war, und ersuchte ihn, den Dieb zu b'stellen. Der Pfarrer versprach[233] es ihm, aber nur unter der Bedingung, dass Brand jeden Tag einen Knecht in den Berg hinaufschicke, was der Bittsteller steif und fest gelobte. Nun, lange Zeit hindurch ging wirklich der Knecht all und ein Herrgottentag den steilen Weg hinan. Doch eines Wintertages, da die Wege verschneit und vereist waren und eisige Schneestürme das Tal durchtobten, sagte Landammann Brand zum Knecht: »Heute schicke ich dich nicht; war es nichts in dieser langen Zeit, so wird sicher heute am wenigsten etwas zu finden sein.« Am nächsten Tage jedoch schickte er ihn wieder. Jetzt traf der Knecht in der Küche des Berghäuschens einen Mann, der einen mächtigen Korb voll allerlei Waren zusammengepackt hatte und unbeweglich dastand. Der Knecht schritt auf ihn zu und klopfte ihm auf die Achsel. In diesem Augenblick fiel der Dieb in Staub und Asche zusammen.


Frau Amold-Gisler, Bürglen.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 233-234.
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