344. Zauberwurzel.

[240] Der alte Hans-Melki hinter der Pfarrkirche zu Silenen hatte eines Tages seine Sense zur Hand genommen, um das Gras unter den Bäumen seines Gütleins wegzumähen, denn es fing an zu brennen. Aber äs hed-em-si gar nit wellä häuwä. Wie er so an dem halbversengten Gras herumschindet, kommt ein altes Muetterli durch die Gasse dahergehumpelt; es erstellt sich, schaut über die Mauer hinein und ruft, wie es so Brauch ist: »Häuwt's-es?« Unwillig versetzt der Melk: »Chennt neiwä nitt riähmä! Äs isch hitt wiä verhäxets; i tüe nur d'Sägässä verschlah und 'pringä-n-ä kei Mahdä z'Bodä.« Jetzt brachte das Fraueli eine Wurzel aus seinem Rocksack zum Vorschein und reichte sie dem Mähder mit der Belehrung: »Tües-si i ds Steifass leggä, und de lüeg de, ob's nitt besser gaht; aber uff der Allmeini brüch-si nitt, susch verchämtet diä andärä rein nymeh.« Und so machte er's. Er brauchte nur die Sense am Boden anzusetzen, und da lag auch schon ein Schwaden am Boden. Aber nach einiger Zeit gefiel ihm solches doch nicht, es kam ihm unheimlich vor. Da warf er die Wurzel weg. Soweit er, mit der Wurzel im Steinfass, gemäht, wuchs doch zwei Jahre lang »kei griäni Chydä meh!«


Tobias Lussmann, 24 J. alt.

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 240.
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